Daniel Woodrell :: In Almas Augen
Als es im Sommer 1929 bei einer Tanzveranstaltung in einem Kaff in Missouri zu einer Explosion kommt, sterben 42 Menschen. Die Gerüchte über die Ursachen des Unglücks schießen nur so ins Kraut, allein an der Wahrheit scheint niemand interessiert zu sein. Außer Alma, die bei dem Desaster ihre leichtlebige Schwester Ruby verloren hat. Sie weiß um deren heimliches Techtelmechtel mit einem einflussreichen Mann. Doch die Zeiten – die Große Depression ist im Anmarsch – und die Hierarchien der Kleinstadt machen ihr einen Strich durch die Rechnung. Rund vierzig Jahre später erzählt die in ärmlichen Verhältnissen lebende Alma ihrem zwölfjährigen Enkel Alek die ganze Geschichte, eine Geschichte von Liebe, Eifersucht, Verrat, Besessenheit und dem Verlangen nach Rache. Und Alek erzählt sie uns.
Wie zuletzt in dem meisterlichen „Der Tod von Sweet Mister“ macht Daniel Woodrell keine großen Worte um eine menschliche Tragödie; dem Leser bringt er sie durch seinen reduzierten, lakonischen Stil umso näher. Ein ganzes, von einem Schicksalsschlag beendetes Leben kann er in wenigen Sätzen charakterisieren, während Seite um Seite das niederträchtige Beziehungsgeflecht eines gottverlassenen Nests im Mittleren Westen zutage tritt. Sein neuer Roman, „In Almas Augen“, lässt den Opfern einer lange zurückliegenden Katastrophe Gerechtigkeit widerfahren. Von Ende gut, alles gut kann bei einem solch tiefsinnigen Autor allerdings keine Rede sein. (Liebeskind, 16.90 Euro)