Creedence Clearwater Revival

Willy And The Poor Boys

Concord/Universal

Als Creedence Clearwater Revival 1993 in die „Rock And Roll Hall Of Fame“ aufgenommen wurden, war der Laudator Bruce Springsteen. Ganz großes Lob bedeutete in seinen Worten, dass diese Gruppe einst „no-frills American music for the people“ gespielt hatte. Hintersinnig erinnerte er die feierlich gestimmte Gemeinde daran: „In the late Sixties and early Seventies they weren’t the hippest band in the world – just the best.“ Nach all den Jahren hatte er offenbar nicht vergessen, wie in mehr als einer namhaften Gazette Fogerty & Co. wegen ihrer gerade mal zwei bis knapp drei Minuten langen Hit-Singles als tumbe Pop-Konfektionäre von Teenybopper-Material abgetan wurden.

In den Liner Notes zur neuen Remaster-Ausgabe von „Pendulum“ erinnert daran einmal mehr Joel Selvin: Vor der Veröffentlichung der LP hatte Fogerty aus allen Bundesstaaten Hunderte Journalisten nach Berkeley einfliegen lassen, Besichtigungen der Stadt und ein rauschendes Fest mit üppigem Büffet organisiert. Im Rahmen des kurzen Preview-Konzerts spielten sie auch die neue Single „Hey Tonight“ – Spieldauer immer noch typische 2:43! Wieder zu Hause, schrieben die meisten der eingeladenen Kritiker Berichte über die Festivitäten, in denen sie Häme und Spott über die Band gossen. Was die wohl zuallerletzt erwartet hatte. Tom Fogerty stieg wenig später aus.

Zugabe auf „Pendulum“ ist jetzt die damals in weißer Verpackung (á la „White Album“) kostenlos verteilte Promo-Single „45 Revolutions Per Minute“ mit der sich die Band gut zehn Minuten lang in einem fiktiven Rundfunk-Interview lustig macht über Pop-Journaille, „progressive“ Rockmusik, Pop als Medium politischer Botschaften und diverse zeitgeistige Themen. Vorbild der Nonsens-Collage war der berühmte Novelty-Hit „Flying Saucer Parts I & II“ von Buchanan – Goodman, 1956 viele Rock’n’Roll-Stars und -Songs nennend in diesem Kurzhörspiel über die vermeintliche Invasion außerirdischer Wesen. Vielleicht fühlten sich Mitglieder der schreibenden Zunft, die diese Satire in Form der Single in die Finger bekamen, ganz besonders beleidigt.

Grund genug, sich ein wenig von denen beleidigt zu fühlen, hatte die Band ihrerseits schon lange. Ein Kritiker etwa zitierte die Liner Notes, die Ralph Gleason damals maliziös für das CCR-Debüt geschrieben hatte, mit dem Satz: „Creedence Clearwater Revival is an excellent example of the third generation of San Francisco bands.“ Den deutete er prompt so, dass Gleason wohl drittklassig gemeint haben müsse. „The only bright spot in the group“, beginnt er dann so richtig seinen wüsten Verriss, „is John Fogerty, who plays the lead guitar and does the vocals. He’s a better-than-average singer…“

Die ganze Platte sei „unimaginative, poorly produced and a great waste of John Fogerty’s talents“. Besonders dieser primitive Schlagzeuger (Doug Clifford war nun mal kein Leonardo da Vinci des Schlagzeugs, als den ein Kollege mal Buddy Rich bezeichnete – aber brauchten CCR so einen?), und der Depp am Bass seien zum Erbrechen.

All den Mängeln zum Trotz („sometimes giving the feeling that you can predict the next guitar lick“) lautete das Fazit des Kritikers von „Green River“ danach immerhin: „They are now creating the most vivid American rock music since „Music From Big Pink“. Was wiederum ein eher aberwitziger Vergleich war.

Mehr wohlwollend denn euphorisch schrieb der nächste Kritiker über „Looking Out My Back Door“ vom fünften Album, „Cosmo’s Factory“: „The song is good car music, great for summer and will probably be commercially successful.“ Eine selten profunde Analyse, jederzeit gut als Ausgangspunkt für eine Diplomarbeit über die Anfänge der amerikanischen Rock-Kritik. Bei aller Begeisterung über „Willy And The Poor Boys“ hatte übrigens Kritiker Alec Dubro doch einschränkend angemerkt: „The remainder of the tracks aren’t much to talk about but make fine listening. You can dance to them, too.“

Ob John Fogerty sich durch solch gönnerhaftes Schulterklopfen angemessen gewürdigt fühlte, ist nicht überliefert. Er hatte mutmaßlich nie die Ambition entwickelt, als nächster Zappa, Beefheart oder Robert Wyatt gepriesen zu werden. Auch bei „Sweet Hitch-Hiker“, der letzten Top-Ten- Single von CCR, blieb er konsequent unter der Spieldauer von drei Minuten. Jamsessions oder minutenlange Gitarren- und Schlagzeug-Soli konnte er sich für „seine“ Band nie vorstellen. Alle Songs waren gründlichst geprobt, bevor man konzentriert an die Aufnahmen ging.

Für richtige Deluxe-Editionen, in denen die Rolling Stones neulich gleich 19 ihrer Platten für die nächste Zeit ankündigten, reichte das Material im Fantasy-Archiv denn auch überhaupt nicht. Neben dem bekannten „Call It Pretending“ und einer Früh-Fassung von Bo Diddleys „Before You Accuse Me“ (komplett neu für „Cosmo’s Factory“ arrangiert) sind zwei gut aufgenommene Fillmore-Mitschnitte die einzigen (dafür richtig hochklassigen) Zugaben auf dem Debüt.

Wie perfekt vorbereitet die Band ins Studio ging, beweist der Alternative-Take von „Bootleg“ auf „Bayou Country“ mit der dann als überflüssig verworfenen Bridge nach drei Minuten. Beste Zugabe hier ist das live im Fillmore gespielte Instrumental „Crazy Otto“, irgendwo knapp neun Minuten lange Paraphrase von „I Put A Spell On You“ mit Fogerty mal ganz losgelöst an Gitarre und auch Harmonika, zwischendurch seinen ganz unverwechselbaren Sound zelebrierend.

Die bei Probe-Sessions aufgenommenen und nie fertig geschriebenen Instrumentals „Broken Spoke Shuffle“ und „Glory Be“ als Zugaben auf „Green River“ dienten wohl nur dem Zweck, praktisch zu prüfen, ob sich das neue Wally Heider Studio in San Francisco für sie im Klang auch eignete. Die hier und über die restlichen CDs verteilten Mitschnitte der letzten Tournee von 1971 in Trio-Besetzung sind – ob Berlin, Manchester, Amsterdam oder Hamburg – eine ziemlich frustrierende Hörerfahrung.

Die beiden jetzt erstmals öffentlich gemachten Aufnahmen mit den von Fogerty sehr verehrten Booker T. – The MGs – „Born On The Bayou“ auf „Cosmo’s Factory“ mit und minus MGs bei „Down On The Corner“ auf „Willy And The Poor Boys“ – werfen nur wieder die Frage auf, wieso er an denen so einen Narren gefressen hatte, egal, wie weit er dann bestimmte Elemente des Soul-Sounds von Stax/Volt in Arrangements mit einbezog. Das Remake von „Travelin‘ Band“ auf dieser CD (keine Bläser, kein fetziges Rock&Roll-Piano im Hintergrund, nicht mal die glorreichen zwölf Sekunden Gitarrensolo, aber Bass hier ungewöhnlich prominent im Mono-Mix) klingt eher wie ein tolles Demo für die endgültige Fassung. Nämlich wie Garage pur. Und das waren sie wohl auch: die größte Garagenband aller Zeiten.