Coldplay

X&Y

Parlophone

Verneigung vor U2: Chris Martin und Freunde schwelgen in übergroßem Rock

Sogar auf die In-Liste der „Bild“ haben es Coldplay jetzt schon geschafft. „Bombasto-Pop zum Schwelgen!“ wird da gelobt. Und schwelgen kann man in „X&Y“ tatsächlich, mein Gott, kann man schwelgen. Man kommt gar nicht mehr raus aus dem Schwelgen. Eine Stunde lang packen die Briten alles aus, was ihnen auf der Seele brennt: viele Monstermelodien, fette Sounds, Streicher, Synthesizer, Kraftwerk-Samples, Liebe, Leiden, Hoffnung, Herrlichkeit.

„I need a compass, draw me a map/ I’m on the top, I can’t get back“, singt Chris Martin gleich in „Square One“. Später im Song: „Are they bleeding all your colours into one?“ Quizfrage: Woher kennt man das? „All the colours will bleed into one“? Freilich: U2. Da muß man weder das Publikum befragen noch jemanden anrufen. Und all die „How longs“ in „Speed Of Sound“, wo hat man die schon mal gehört? Setzen Sie den Fifty-Fifty-Joker bloß nicht unnötig ein!

Coldplay haben ein wunderbares Album gemacht. Es ist allerdings ein U2-Album geworden, und das ist schon ein bißchen schade. Natürlich hört man Chris Martins zarte Stimme immer raus, sie gibt der Band den nötigen Wiedererkennungswert, aber allein darauf dürften sich Coldplay nicht verlassen. Vielleicht fehlt ihnen einer wie The Edge, der die Songs vorantreibt, ohne sie bis zur Schmerzgrenze zu überladen. Bei Coldplay sind fast alle Stücke zwei Minuten zu lang, es passiert so viel und doch zu wenig, um die Spannung aufrechtzuerhalten. Bei „A Message“ halten sie sich anfangs auffällig zurück; „The Hardest Part“ hört sich zur Abwechslung sehr nach frühen R.E.M. an – aber das unbedingt Schwelgerische kommt garantiert, und nicht erst nach zwei Minuten. Ein bisschen zu vorhersehbar. Dabei hat sich Martin wieder so herzige Texte ausgedacht, fest alle drehen sich um Beziehungen, Kommunikationsschwierigkeiten und Reisen durch Raum und Zeit.

Eigentlich ist auch „What If“ ein Liebeslied, aber einige Zeilen beschreiben genau die Zwickmühle, in der Coldplay stecken: „Every Step that you take/ Could be your biggest mistake/ It could bend or it could break/ But that’s the risk that you take.“ Zerbrechen werden sie so schnell nicht, dafür sind sie zu talentiert. Aber ob sie sich in Zukunft weiter so extrem in Richtung U2 verbiegen und verbeugen wollen, sollten sie sich gut überlegen.