Casper

Der Druck steigt

Alles, alles so perfekt

Große Freiheit, März 2012. „Hallo Hamburg“ steht auf einem Zettel, als müsste man Benjamin Griffey daran erinnern, wo er gleich auftritt. Er blickt ernst in die Kamera, dann springt er auf die Bühne und ist: Casper. Alle brüllen, alle Hände gehen hoch, alle Handys ebenso. Bestimmt heiß unter so einer Fuchsmaske, wenn man auch noch singen muss, doch die Frisur sitzt, als er sie gegen Ende des ersten Songs (natürlich das programmatische „Der Druck steigt“) abnimmt. Angesichts der wogenden Menschenmenge, die er jetzt angrinst, muss man noch mal lachen, wenn man bedenkt, dass „Bravo“ gerade seinen „HipHop“-Ableger eingestellt hat mit der Begründung, die große Zeit des deutschen HipHop sei vorbei – nur weil Bushido und Sido keinen mehr interessieren.

Was macht Casper anders, besser als all die Proleten, die ja auch vom Aufbrechen und Abhauen rappen und die Arme auf- und abschwingen? Er hat einen weiteren Blick auf die Welt, poetischere Reime und schlauere Ideen. Er spart sich die billige Ghettomasche, selbst wenn er im „Grizzly Lied“ vom Trailerpark erzählt. Stumpfe Aggression ist nicht sein Ding, die „Emo-Rapper“-Schmähung passt aber auch nicht. Casper strahlt null negative Energie aus, er ist eigentlich die harte Variante von Clueso (und das ist gar nicht als Beleidigung gemeint, im Gegenteil). Und so sieht auch sein Publikum aus. Den Typus, den er in „So perfekt“ beschreibt – „Bist du der, der sich nach vorne setzt? Den man beim Sport zuletzt wählt?/ Der sich quält zwischen Cheerleadern und Quarterbacks?/ Den man in die Tonne steckt? Nicht dein Tag, jahrelang“ – sieht man hier eher nicht. Stattdessen: strahlende Mädchen, rotwangige Jungs, wahrscheinlich keiner über 30. Bis Thees Uhlmann zu „XOXO“ mit der Klampfe kommt. Da wird die Show endgültig zum mitreißenden Rockkonzert: Verschwitzte Männer umarmen sich, alle müssen mitsingen, und dann wird sogar die Menge geteilt, damit Platz für Pogo ist. Zum Schluss schauen auch noch Kraftklub vorbei – mehr Sause geht kaum.

Zum 75-minütigen Konzert gibt es auf der ersten DVD außerdem vier Videoclips plus Making-of, auf der zweiten die einstündige Dokumentation „Auf und davon“ mit vielen interessanten Interviews und dem halbstündigen, etwas konventionellen Tourfilm „Der Druck steigt“. (Beat The Rich/Four) Birgit Fuss