Buddy Guy – Bring ‚Em In
Dieser Albumtitel ist durchaus im Wortsinn zu verstehen. Man stellt sich kurz vor, wie Buddy Guy vor einem Studio rumlungert (tolles Wort), so wie auf dem von keinem Einfall getrübten Cover vielleicht, nur einen Tick mondäner halt und Brad (toller Name), seinem Mädchen für alles, immer wieder zuruft: Her damit! Bring ‚em in.‘ Mach’ja grad ’ne Platte.
Jetzt denken Sie vielleicht: „Bring ‚Em In“ ist also so ein doofes Allstar-Album geworden. Viele Sternchen, aber bestimmt nicht für die Musik. Das trifft nur insoweit zu, als dies tatsächlich ein Allstar-Album ist. Aber eins mit ganz viel guter Musik. Woran das liegt? Vielleicht an Brad. Vielleicht trennt er ja schon die Spreu vom Weizen, bevor der Chef überhaupt irgendwen zu Gesicht bekommt. Ich halte das, ehrlich gesagt, für unwahrscheinlich. Denn Brad hätte eigentlich auffallen müssen, daß Carlos Santana schon auf viel zu vielen Allstar-Alben rumgeistert, sein eigenes inklusive. Weshalb wir einfach mal gnädig den Mantel des Vergessens werfen über das, was er und sein Gastgeber hier mit dem ollen „I Put A Spell On You“ anstellen. Wenn das ein „spell“ sein soll, war mein lieber Opa das große Waldmonster. Und der Hawkins der Bruder von Pitti-Platsch.
Das Erfreuliche an „Bring ‚Em In“ ist nun, daß dies schon der einzige echte Fehlgriff von Brad oder Buddy Guy oder wem auch immer bleibt (bei Allstar-Alben weiß man nie). „Ain’t no Sunshine“ mit Tracy Chapman? Doch, das funktioniert wunderbar. Auch müssen wir Abbitte bei einem gewissen John Mayer leisten, den wir bisher für einen vernachlässigbaren Mainstream-Schnösel hielten. Bisher. Hier legt er sich mit Guy in den alten Otis Redding-Slowie „I’ve Got Dreams To Remember“, als wären die entsprechenden Horns Sendboten des Himmels und Memphis nie gefallen. Und das Tollste ist, was Buddy Guy hier mit Hilfe von Anthony Hamilton (Gesang) und Robert Randolph (Steel-Gitarre) aus „Lay Lady Lay“ macht. Danach legt man sich wirklich nieder, am besten gleich mit der Lady (oder irgendwas von Dylan auf). Eher unspektakulär treten daneben Keb‘ Mo und Kumpel Keef Richards auf.
Dazu hat’s noch ein paar Nummern ohne Gäste, die Guy nur mit seiner Studio-Band um Drummer und Produzent Steve Jordan gibt, mit Gitarrist Danny „Kootch“ Kortchmar. Bassist Willie Weeks und Keyboarder Bernie Worrell – auch handverlesene All-Stars, die der Chef mit bebender Kopfstimme, fordernden WahWah-Licks und immer noch ganz lässig per Zuruf dirigiert: „Let’s go to the bridge!“ Und dann gehen sie halt zur und über die Brücke, auf diesem prallen Blues-Ausflug zu Curtis Mayfield („Now You’re Gone“), Wilson Pickett (R.I.P. – „Ninety Nine And One Half) und Eddie Floyd („On A Saturday Night“).
Aber der beste Song stammt doch von Buddy Guy selbst, wenn er mit heiserem Impetus und diesem scharfen Atemholer a la Hannibal Lector noch einmal staunen und fragen darf: „What Kind Of Woman 1s This?“ Wahrscheinlich eine, die einmal zu oft „Bring ‚em in“ gerufen hat… Was bei der hiesigen Kommandozentrale seines Plattenkonzerns wohl nicht der Fall war. Warum ein Album mit diesem Gaststar-Aufgebot, sprich: mit so vielen Verkaufsargumenten, und diesem radiokompatiblen Dylan-Cover als Import „versauert“, weiß wahrscheinlich nicht mal Brad.