Bruce Springsteen
Working On A Dream
Der Boss zaubert schon wieder ein großes Album aus dem Ärmel
Wer hätte das gedacht? Die größte Zauberei an „Magic“, dem sehr guten Album von Bruce Springsteen aus dem Herbst 2007, ist, dass er am Ende der Aufnahmen ein vielleicht noch besseres Album in sich hatte, das nun kaum mehr als ein Jahr später erscheint. Das Trotz-Stück „What Love Can Do“, laut Springsteen eine „Meditation über Liebe in Zeiten von Bush“, war die Initialzündung für „Working On A Dream“. Nach „Magic“ waren immer noch genug Ideen und Energie übrig, das Studio wurde einfach etwas länger okkupiert, die ersten Demos waren schnell gemacht, und während der Tournee wurden weitere Lieder eingespielt, wann immer eben Zeit war. Hört sich locker an – und klingt auch so.
Das achtminütige „Outlaw Pete“ eröffnet das Album und fällt gleich aus dem Rahmen, denn die restlichen Songs überschreiten nie die Vier-Minuten-Grenze, und sie erzählen modernere Geschichten als die vom Mustangfahrenden Bankräuber. Richtig in Fahrt kommt erst „My Lucky Day“, bei dem Clarence Clemons mal wieder ein kleines Saxofon-Solo spielt. Brendan O’Brien hat den typischen E Street Band-Sound so produziert, wie er das auch bei den letzten drei Platten getan hat, ohne große Überraschungen, allerdings mit noch mehr Chören, Hall und Detailreichtum. Organist Danny Federici. der im April 2008 starb, ist noch einmal zu hören auf „Working On A Dream“, wie auch sein Sohn Jason – beim Nachruf „The Last Carnival“.
Im Titelsong muss der Protagonist den Rücken durchdrücken und im strömenden Regen den Hammer schwingen, vergisst darüber aber nicht, sich die Hoffnung aufbessere Zeiten zu bewahren. Auch „Queen Of The Supermarket“ spielt im Land der kleinen Leute. Dass Springsteen es schafft, vom Einkaufswagen-Schieben und Verkäuferinnen-Verehren zu singen, ohne lächerlich zu wirken, liegt natürlich daran, dass er immer der Heilige der Vorstadthelden geblieben ist – derjenige, der es geschafft hat, und sich trotzdem noch vorstellen kann, wie autreibend der Alltag ist. Er beschließt das Liebeslied mit zarter Wucht: „As I lift my groceries into my car. I turn back for a moment and catch her smile/ It blows this whole fucking place apart.“ Der Schunkler „This Life“, der Blues „Good Eye“, das Intermezzo „Tomorrow Never Knows“ — alles gelingt mit staunenswerter Leichtigkeit.
Das Album erscheint in der Woche der Amtseinführung von Barack Obama, doch geschrieben wurden diese Songs ja schon vor der Wahl. Springsteen muss also fest mit dem Demokraten gerechnet haben, denn von der Verzweiflung und dem aufblitzenden Zynismus von „Magic“ ist nichts geblieben. Nun kehrt der Glaube an das Gute zurück. „Surprise, Surprise“! Vordergründig eine Art Geburtstagsständchen, feiert Springsteen hier tatsächlich viel mehr – den Beginn eines neuen, schöneren Tages, der jederzeit anbrechen kann: „May the raising sun caress and bless your soul for all your life!“ Auch „Life Itself“ und „Kingdom Of Days“ thematisieren die Flüchtigkeit des Lebens, das eben doch all die Mühen wert ist.
Das Gegenstück zum Epitaph „Terry’s Song“ auf „Magic“ist hier der Bonus-Track „The Wrestler“, Titelsong zu Mickey Rourkes Comeback-Film – ein kleines akustisches Meisterstück. „Teil me can you ask for anything more?“, fragt Bruce Springsteen da wiederholt, und was sein Schaffen betrifft, seine niemals endende Leidenschaft und diese neuen Songs, gibt es nur eine Antwort: No, we can’t.