Bruce Springsteen
Darkness On The Edge Of Town
Sony
The Promise
Box-Set mit „Darkness“-Remaster, „The Promise“ und drei DVDs
Als Bruce Springsteen jung war, hatte er nichts außer dem Rock ’n‘ Roll. Als wir jung waren, hatten wir nichts außer Bruce Spring-steen. Aber die Boot-legs von den Konzerten der 70er-Jahre waren zu teuer, und so blieben uns nur die blöden Musikvideos der 80er-Jahre. Ein wenig wurden wir betrogen von unserem größten Helden, denn all die Jahre lagen die zusätzlichen Stücke für „Darkness On The Edge Of Town“ herum, der Amateurfilm von den Aufnahmen 1977 und ein gefilmtes Konzert in Houston, 1978. Springsteen durfte nach „Born To Run“ kein Album herausbringen, solange der Gerichtsstreit mit seinem ehemaligen Manager Mike Appel andauerte. Der Disput begann 1975 und endete 1977 mit Springsteens Befreiung. Dazwischen schrieb er einige der besten Songs seines Lebens.
In Thom Zimnys Dokumentation sieht man, wie Springsteen mit den Musikern auf einer Farm in New Jersey an den Stücken arbeitete, schimpfend, fiebrig, verzweifelt. Das war keine in Sepiafarben getauchte Ranch mit Aufnahmestudio, Sofas, Küche und Fitnessraum. Der sogenannte Boss trug ein T-Shirt oder spielte mit nacktem Oberkörper die Gitarre; die Kladde mit den Einfällen war immer dabei. Die Kollegen wetteten darauf, wie lang ein Song am Ende sein würde. Man sieht, wie Springsteen mit Steve Van Zandt am elektrischen Klavier „Sherry Darling“ improvisiert, einen Song, der 1980 auf „The River“ erschien.
Aus dem Off erzählt Van Zandt, dass Springsteen einer der großen Hitschreiber war, dass er Drei-Minuten-Kracher aus dem Ärmel schüttelte, diese Songs aber als erste wieder vom Album nahm. Und nun hört man „Ain’t Good Enough For You“, das reinster Sixties-Pop ist und Lebenslust, und „Gotta Get That Feeling“, bei dem man sofort an die Ronettes denkt, und, ,Fire“, das er Robert Gordon überließ, und „Talk To Me“, das er an Southside Johnny verschenkte, und es ist der lässigste, verführerischste, erotischste Rock ’n‘ Roll, der sich denken lässt. „Rock ’n‘ Roll handelt vom Jetzt“, sagt der älter gewordene Bruce in Zimnys Film, „diesem immerwährenden Jetzt.“
Tatsächlich sind die Songs, die auf den beiden CDs von „The Promise“ versammelt sind, „the great lost album“, wie Jon Landau meint – aber auch eine große Tragik: der Weg, der nicht genommen wurde. Jeder Springsteen-Fan kennt die Vorstudie von „Candy’s Room“ („Candy’s Boy“), kennt „Because The Night“, „Rendezvous“ und „The Promise“ und weiß, dass sie zu den größten Springsteen-Songs gehören – und dass es zu „Factory“ eine fiebrige Vorstudie gibt, „Come On, Let’s Go Tonight“, in der Elvis Presleys gedacht wird. Aber all diese Stücke und andere mehr zu hören und zu begreifen, wie großartig sie sind, erschüttert einen wie ein Kind, das damit konfrontiert wird, dass es den verdammten Weihnachtsmann doch gibt.
Das Versprechen, das Springsteen mit „Born To Run“ gab, hat er später eingelöst. Aber es blieb ein ominöser Rest, etwas sehr Romantisches, Überschwängliches, das in den streng gezirkelten Stücken von „Darkness On The Edge Of Town“ nicht zu hören ist. Man hört es nun in „The Little Things (My Baby Does)“. Springsteen hatte solche herrlichen Boy-meets-girl-Songs verworfen, weil er für das Album keine Lieder über die Liebe haben wollte. „Darkness“ handelt von den Vororten und davon, wie es ist, ein Mann zu werden, dem alltäglichen Kampf ausgesetzt zu sein – und dennoch jeden Tag zu leben. Greil Marcus hörte „Triumph“ in „Badlands“. Doch ist das Album auch zutiefst fatalistisch: In „Adam Raised A Cain“ kann der Sohn seiner Herkunft nicht entkommen, in „Racing In The Street“ scheitern alle Träume, in „Factory“ macht den Vater kaputt, was ihn zugleich leben lässt, „Streets Of Fire“ und „Something In The Night“ sind von Ungewissheit und Schrecken erfüllt, und in „Darkness On The Edge Of Town“ schließlich steht der Mann auf diesem Hügel. Auf „The River“ wird die Geschichte weiter erzählt: in „Independence Day“, „The Price You Pay“ und, ,Wreck On The Highway“. Es ist Springsteens eigene Geschichte.
In „The Promise“ kommen eine „thunder road“ und überhaupt all seine Topoi vor, und wohl auch deshalb entschied Springsteen sich stattdessen für „Racing In The Street“, das hier als Vorstufe zu hören ist. Aber schön ist es doch: „When the promise is broken you go on living/ But man it takes something from down in your soul/ Like when the truth is spoken, it don’t make no difference/ Finally something in your heart turns cold.“ America noir. (Columbia/Sony) arne willander
Rick Nelson +++¿
The Last time Around 1970-82