Bruce Springsteen
Born To Run – 30th Anniversary Edition
Die Remaster-Edition des Albums, das Konzert im Hammersmith Odeon in London, 1975. und die Dokumentation "Wings For Wheels" mit Interviews mit den Musikern und Produzenten sowie Filmmaterial von den Aufnahmen
Das Konzert. „London is finally ready for Bruce Springsteen“ ist vor dem Auftritt der E Street Band plakatiert worden. London ist aber gar nicht bereit. In den ersten Reihen sitzen süffisant die geladenen Journalisten. Springsteen beginnt allein, fast im Dunkel, mit „Thunder Road“. Auftritt: die Musiker, fast alle mit Hüten. Sie explodieren in „Tenth Avenue Freeze-Out“ und „Spirit In The Night“. Bei „Me and Crazy Janey makin‘ love in the dirt, singin‘ our birthday song“ krabbelt Springsteen über den Boden und läßt sich von der Bühne fallen, um dann zurückzukommen. „Hey, gunner man, that’s quicksand, that ain’t mud“: Von allen unvergeßlichen Momenten dieses Konzerts ist „Lost In The Flood“ vielleicht der bewegendste. Oder es ist die lange, spielerisch improvisierte Fassung von „E Street Shuffle“. Oder das Ende, Springsteen am Klavier, er singt „For You“.
Das Solo. Clarence Clemons sagt nicht viel in dem Dokumentarfilm über die Entstehung des Albums, „Wings For Wheels“. Aber zu dem Saxophon-Solo in Jungleland“ bemerkt er, mancher habe ihm erzählt, daß diese zwei Minuten sein Leben gerettet haben.
Die Mütze. Springsteen trägt die Wollmütze zu Beginn des Konzerts, reißt sie sich immer wieder vom Kopf, wirft sie weg. Aber er setzt sie immer wieder auf. Er sieht damit aus wie ein Schlumpf.
Der Zirkus. Es gibt auf der DVD drei Stücke von einem Konzert in Los Angeles, 1973. Sahen die Musiker 1975 wie Pimps aus, so traten sie zuvor auf – wie eine musizierende Zirkustruppe. Sie spielen „Wild Billys Circus Story“ vom zweiten Album, mit Tuba und Akkordeon, außerdem das apokryphe „Thundercrack“.
Der Manager. In der Springsteen-Saga ist Mike Appel üblicherweise der Bösewicht. Hier erzählt der enthusiastische, silberhaarige Mann – John Irving ähnelnd – ohne Groll und mit derselben Überzeugung, die ihn stets an Springsteens Genie glauben ließ. Jon Landau lobt Appel, Appel lobt Landau.
Die Abtrünnigen. David Sancious und Ernest „Boom“ Carter, Pianist und Schlagzeuger bei dem Song „Born To Run“, die danach die Band verließen, erzählen tapfer von jener Zeit. Hört Carter das Stück heute, fühlt er sich sogleich in die Vergangenheit versetzt. Im Scherz sagt er aber auch, er wolle sich dann sofort umbringen.
Der Freund. Steve Van Zandt kam eines Tages ins Studio, als die Brecker-Brüder die Bläsersätze von „Tenth Avenue Freeze-Out“ spielen sollten. Springsteen konnte ihnen die Passagen nicht vermitteln. Van Zandt sang ihnen die Skalen vor. Der Sound-Ingenieur Jimmy Iovine sagt: „Er sah aus wie ein Mann, der sich mit Bläsern auskennt.“
Die Nacht. Alle Songs von „Born To Run“ spielen in einer endlosen Sommernacht, sagt Springsteen.
Rock’n’Roll. Sie hatten die Grandezza der Jugend auf ihrer Seite, sagt Jon Landau. Springsteen sagt, er habe mit dieser Platte seine jugendlichen Vorstellungen von Liebe und Freiheit verabschiedet.
Der Pianist. Es sei die Romantik dieser Songs, die einen immer wieder überwältigt, sagt Roy Bittan. Es ist auch Bittans Klavierspiel auf der Platte.
Die Zeit. Für „Born To Run“ brauchten sie sechs Monate. „Du solltest drei Stunden für ein Stück brauchen“, so Steve Van Zandt. Jimmy Iovine biß in ein Stück Aluminiumpapier, wenn er während der nächtlichen Aufnahmen einzuschlafen drohte. Als das Album fertiggestellt war und Springsteen nur noch das Master abzunehmen hatte, wollte er die Platte wegwerfen.
Die Kladde. Die Lieder komponierte Springsteen in einem kleinen Haus in West Long Beach, New Jersey, an einem Klimperklavier. Die Entwürfe zu den Texten schrieb er in eine Kladde. Fragmente eines Textes erstreckten sich über 50 Seiten.
Die Titelblätter. Als Springsteens Bild am selben Tag auf den Titelseiten von „Time“ und „Newsweek“ erschien und Van Zandt die Blätter ins Hotel brachte, ging Bruce zum Lesen in sein Zimmer.
Das Cover. Er sei mit Clarence Clemons zu sehen, weil die Platte von Freundschaft handele, so Springsteen. Clemons sagt, er habe diese Pose eingenommen, und Bruce habe sich auf seine Schulter gestützt.
Jungleland. In den schwarz-weißen Filmaufnahmen von den Sessions sieht man Springsteen in einer kleinen Kabine, unter einem Kopfhörer, wie er mit geschlossenen Augen die letzten Zeilen von „Jungleland“ singt.
Thunder Road. Er sammelte diese Titel von B-Movies, so Springsteen. „Born To Run“ ist die Apotheose der B-Movies.
Die Reise. In „Wings For Wheels“ fährt Springsteen durch New Jersey. Am Ende kommt er an den Ort, den er wirklich erreichen wollte, den Ort, dem er damals entkommen wollte: Freehold, seine Geburtsstadt. „Born To Run“ hören ist Nachhausekommen.