Break-A-Way
„The Songs of Jackie DeShannon 1961-67“
Ziemlich bizarre Momente erlebte Jackie DeShannon immer wieder im Verlauf ihrer Karriere- im Vorprogramm der ersten US-Tournee der Beatles genauso wie als Singer/Songwriter. Das von Sonny Bono und Jack Nitzsche geschriebene „Needles And Pins“ war für sie nur ein ganz kleiner Hit, für die Searchers umgehend danach einer von deren ganz großen. Mit der eigenen Single ihres Ohrwurms „When You Walk In The Room“ landete sie daheim abgeschlagen auf Platz 99 der Hitparade, während es die Cover-Version der Searchers sofort auf Platz 3 in England schaffte.
Schon als Teenager eine geschätzte Songlieferantin für prominentere Kollegen, schaffte sie es ein Jahr nach der Tournee mit den Beatles dann doch in die Top Ten der Hitparade- aber nicht mit einem eigenen Song, sondern dem Easy-Listening-Evergreen „What The World Needs Now“ von Burt Bacharach und Hal David! Dass die bei diesem Song Miss DeShannon den Vorzug vor Dionne Warwick gaben, beweist nur, wie sehr sie die als Sängerin schätzten.
In demselben Jahr bedankten sich auch die Byrds bei ihr. Genauer gesagt: Produzent Jim Dickinson, der seinen Jungs erklärte, dass sie für ihre Debüt-LP unbedingt einen Song aus der Feder von Jackie DeShannon aufzunehmen hätten. Dazu bedurfte es keiner großen Überredungskünste, alle waren umgehend einverstanden, die Wahl fiel auf „Don’t Doubt Yourself, Babe“ von einer von ihr für ihren Musikverlag aufgenommenen Demo-LP.
Dickinson später in den Liner Notes zur Remaster-Edition von „Mr. Tambourine Man“: „Jackie was the first professional person in rock’n’roll to risk her credibility by saying the Byrds were great and helping them to get work.“ Zum klassischen hier ausführlich zitierten „Mona“-Riff habe McGuinn aber, so Dickinson, nicht das Bo-Diddley-Original, sondern die Rolling Stones-Version inspiriert. Auf so einem phänomenalen Debüt neben Dylan als Songlieferant aufzutauchen, dürfte der jungen Dame- da gerade mal 21- vermutlich doch ein wenig geschmeichelt haben.
Von Rockabilly und Girl Group Pop bis zu Soul, Folk Rock, Gospel und Country Music hatte sie sich mittlerweile als firm in allen Spielarten von populärem Liedgut profiliert. Den ersten eigenen Millionenseller aber hatte sie mit „Put A Little Love In Your Heart“- Pop pur, aber so unkompliziert wie gefällig. Weit gewöhnungsbedürftiger war offensichtlich ihr „Bette Davis Eyes“. Das wollte niemand von ihr auf Single hören, es wurde erst später ein Hit, als Kim Carnes das 1981 aufnahm.
Ihre Originalaufnahme von „Bette Davis Eyes“ präsentiert „Break-A-Way“ so wenig wie ihre Hits. Die einzige eigene unter den gut zwei Dutzend Aufnahmen ist ein hübsches Demo von „Only You Can Free My Mind“, 1967 aufgenommen und nie an jemanden weitergegeben, hier erstmals aus ihrem Privatarchiv gehoben zu hören. Dass „Bette Davis Eyes“ in der Hit-Version fehlt, hat möglicherweise damit zu tun, dass dafür vielleicht mehr Lizenzgebühren verlangt wurden als für die restlichen 26 Aufnahmen insgesamt.
Kurios allerdings, dass die schön barock arrangierte Folk Rock-Version von „Come And Stay With Me“- ein Kleinod unter den Aufnahmen der blutjungen Marianne Faithfull- fehlt. Anstatt auch deren weit bessere Aufnahme von „In My Time Of Sorrow“ (einer von einem halben Dutzend Songs, das Jackie DeShannon Mitte der 60er Jahre mit dem noch unbekannten Session-Gitarristen Jimmy Page schrieb) auszuwählen, entschied man sich für die im Girl-Group-Sound arrangierte Aufnahme der obskuren Gay Shingleton.
Und im Fall von „Come And Stay With Me“ für die ziemlich lieblos routiniert produzierte von Cher. Byrds, Searchers und Irma Thomas sind dafür mit ihren klar überlegenen Interpretationen vertreten. Welch entscheidende Rolle Jackie DeShannon als Hebamme bei der Geburt des Folk Rock spielte, wird in den Liner Notes näher erklärt. (Ace/Soulfood)
Franz Schöler