Bon Iver

i,i

Jagjaguwar/Cargo

Opulenz, Wohlklang, Störsignale: Justin Vernon bündelt auf dem vierten Album all seine Talente

Die Klanglandschaft seines Projekts Bon Iver hat Justin Vernon mit den ersten drei Alben abgesteckt, neues Terrain erobert er auf dem vierten nicht. Lieber leuchtet er hier vertraute Gebiete aus, erkundet Bekanntes, klopft festen Boden ab. Fest ist der Boden aber nur, weil er bereits auf ihm gegangen ist, seine Fußabdrücke sind dort, niemandes sonst.

Vernon verbindet auf „i,i“ die introspektiven Klagelieder seines Debüts, „For Emma, Forever Ago“ (2007), mit den opulent arrangierten und gleichwohl wunderbar weichen Folk-Sinfonien seines Zweitwerks, „Bon Iver, Bon Iver“ (2011), und zerschießt diesen Wohlklang mit frickeligen Störsignalen, verfremdet seine Stimme, verschiebt ihre Tonhöhe, wie er es auf seinem letzten ­Album, „22, A Million“, getan hat. Wieder hat Vernon eine originelle Platte gemacht, die klingt wie nichts sonst, mit der Ausnahme eben, dass sie klingt wie die letzten drei Bon-Iver-Alben zusammen.

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An der Tendenz zu immer abstrakteren Albumtiteln – das neue heißt „i,i“, um Gottes Willen! – lässt sich der steigende Grad an Prätention in seinem Schaffen ablesen. Sicher ist Bon Iver ein leichtes Ziel für Parodien – jeder originelle Künstler ist das –, und man muss bereit sein, sich auf Vernons Ernsthaftigkeit einzulassen.

Ernsthaft einzigartig

Die ganzen sanft touchierten Becken, die krächzenden Kopfstimmen, das Zischen, Klackern und Brummen kann, wer will, für bemüht bedeutungsschwer halten. Über jeden Zweifel erhaben aber sind die Produktionswerte: Wie perfekt die Saxofone abgenommen sind, wie nah und warm und weich und luftig sie klingen, und Vernons Stimme erst, vor allem im tiefen Register, das ist höchste Aufnahmekunst!

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Liest man Vernons Texte – und man muss sie lesen, denn verstehen kann man ihn in der Regel nicht –, wird deutlich, dass er nicht weniger versucht, als die amerikanische Gegenwart mit Blick auf die Machtlosen zusammenzufassen, die Opioid-Opfer und die Obdachlosen, die Verlierer
der Verteilungskämpfe und der Hitzewellen.

Das vierte Album beschließt eine von Vernon implizierte Tetralogie – ein Album für jede Jahreszeit: „For Emma“ war der Winter, „Bon Iver, Bon Iver“ der Frühling, „22, A Million“ der Sommer. Jetzt ist es Herbst.

Mit „i,i“ zementiert ­Vernon seinen Status, drückt seinen Fuß noch fester in die Erde.