Bob Dylan
Christmas In The Heart
Smi Col (Sony Music) Für einen guten Zweck gibt Dylan den nostalgischen Santa Bob
Dylans Karriere – so die Legende – ist voller seltsamer, nicht erwartbarer Kehren. Erst wurde er elektrisch, dann Country, dann kurzzeitig Christ. Und jedes Mal gab es einen Aufschrei. So auch jetzt. Ho ho ho, macht die Gemeinde, denn Bob Dylan wird nun Weihnachtsmann. Bereits Anfang Oktober, in der Woche des jüdischen Laubhüttenfestes (in den USA ein paar Tage später), erschien „Christmas In The Heart“, ein Album, mit dessen Verkaufserlös der Künstler die Armen während der Festtage speisen will.
Schon vor drei Jahren hat Dylan, der sich, nach allem, was man hört, wieder dem jüdischen Glauben zugewendet hat, in seiner Radioshow zwei Stunden lang das Fest der Liebe zelebriert. Er verriet sein Plum-Pudding-Rezept, erzählte die Geschichte des Klassikers „White Christmas“, spielte Songs von Leadbelly und Sonny Boy Williams und Obskures wie „I Want A Casting Couch For Christmas“ von Kay Martin & Her Body Guards.
Dagegen scheint die Tracklist von „Christmas In The Heart“ nun recht uninspiriert. Gene Autreys Evergreen „Here Comes Santa“ eröffnet, später folgen „Winter Wonderland“, „Little Drummer Boy“, „Silver Bells“, Mel Tormes „The Christmas Song“, sogar „Adeste Fideles“. Von Nat King Cole bis Diana Krall haben viele Interpreten diese Songs wohliger, gesanglich präziser dargeboten als Dylan, der bei einigen Tracks stimmlich nicht gerade in Höchstform ist. Wenn man hört, wie er sich in „Hark The Herald Angels Sing“ vergeblich nach den Noten streckt, kriegt man selbst Halsschmerzen davon und muss zum lindernden Eggnog greifen. Doch Dylan ist – wie etwa bei der beschwingten Polka „Must Be Santa“ – mit viel Freude bei der Sache, auch wenn es andere sind, die bei vielen der Stücke die Höhepunkte setzen. Gitarrist Phil Upchurch etwa, der schon in den Fünfzigern mit seinen Jazz-Licks die Stücke von Jimmy Smith und Jimme Reed veredelte, oder David Hidalgo von Los Lobos, der bereits bei „Together Through Life“ dabei war, und hier Akkordeon, Mandoline und Violine spielt. Allen voran aber der siebenköpfige gemischtgeschlechtlichte Chor, der Dylan hier gesanglich unterstützt und dem Album mit Harmonien, von denen man dachte, sie würden so schon seit mindestens einem halben Jahrhundert nicht mehr hergestellt, eine herrlich nostalgische Zuckergussglasur verleiht.
Dylan selbst glänzt, wie schon auf den letzten Alben, vor allem bei den Balladen, „I’ll Be Home For Christmas“ und „Have Yourself A Merry Little Christmas“ sind anrührend, geradezu entzückend seine Darbietung von Lyle Moraines „Christmas Island“, das Band und Chor mit einem hawaiianischen Backing ausschmücken. In Momenten wie diesen gibt „Christmas In The Heart“ einem tatsächlich das Gefühl, Weihnachten sei eine exotische Insel irgendwo in der Vergangenheit. Dort lässt es sich gut überwintern. Egal, ob man auf Santa Claus wartet oder auf Hanukkah Harry.