Bob Dylan
Bootleg Series Vol. 9: The Witmark Demos
Smi Epc / Sony Music VÖ: 15.10.2010
Die frühen Aufnahmen - und die Klassiker in Mono-Fassungen
Die Songs, die Bob Dylan nach seiner Phase als Interpret von Folk-Klassik in den Clubs von Greenwich Village wie in einem schöpferischen Rausch zu schreiben begann, hätte keine Plattenfirma – auch Folkways nicht! – auf LPs publizieren können. Aber sein äußerst geschäftstüchtiger neuer Manager Albert Grossman sorgte dafür, dass er just neu geschriebene Kompositionen jederzeit im Studio des Musikverlags Witmark & Sons aufnehmen konnte. Von Kollegen wie Dave Van Ronk ob der Produktivität und der schieren Klasse der zunehmend immer noch besseren Songs bewundert, sah sich Dylan deswegen nicht in derselben Rolle wie die Lohnschreiber in Don Kirshners Brill-Building-Unternehmen, die maßgeschneiderte Vorlagen (möglichst bitte potenzielle Hits) für renommierte und neue Interpreten lieferten. Dass sich schon bald immer mehr Sangeskollegen der auf Azetaten vervielfältigen Demos annahmen, um von Ohrwürmern wie „Blowin‘ In The Wind“ oder „Tomorrow Is A Long Time“ eigene Aufnahmen zu machen, war ihm aber sicher nicht unangenehm. Das konsolidierte ganz beträchtlich das Selbstbewusstsein des Bob Dylan, der bekanntlich in frühen Jahren für Anerkennung und Bestätigung seitens anderer doch sehr empfänglich war.
Etwas ratlos darf man sich angesichts der jetzt erstmals offiziell vorgelegten knapp vier Dutzend Leeds- und Witmark-Demos fragen, wieso er manche der absolut hochkarätigen Songs wie „Mama, You Been On My Mind“, „Tomorrow Is A Long Time“, „Farewell“ oder „Only A Hobo“ nie auf Platte veröffentlicht wissen wollte. Den „Talking John Birch Paranoid Blues“ reichte man später immerhin als Mitschnitt von 1963 aus der Carnegie Hall nach, und ebenfalls auf dem „Bootleg Series Vol. 1 – 3“-Set von 1991 erschien dann doch noch das Studio-Outtake von „Only A Hobo“, das – obwohl dafür aufgenommen – es aus unerfindlichen Gründen nie auf seine dritte LP geschafft hatte. Die professionelle Aufzeichnungsqualität dieses Outtakes darf man von den Witmark-Demos nicht erwarten. Deswegen waren die Songs wie „I Shall Be Free“ trotzdem alles andere als Entwürfe. Letzterer kommt sogar mit einer kompletten Strophe, die er bei der Studio-Version für „Another Side Of Bob Dylan“ nicht mehr sang.
In verblüffend guter Qualität erhalten blieb über Jahrzehnte immer der Mitschnitt einer Sendung, bei der Folk-Sängerin Cynthia Gooding Dylan noch vor Veröffentlichung seiner ersten LP als Gast eingeladen hatte. Der schwindelte zwischen den Songs das Blaue vom Himmel runter, erfand eine Vergangenheit (als angeblicher Zirkusartist), die es nie gegeben hatte, und behauptete, er habe – obwohl gerade mal 20 – schon seit Jahren Songs geschrieben. Als Dokument seiner Folk-Anfänge ist „Folksinger’s Choice“ (++++, Leftfield/In-Akustik) locker von vergleichbarem Rang wie sein Columbia-Debüt.
Das Fest für die „Back to mono!“-Fraktion ist das endlich doch noch vorgelegte „Original Mono Recordings“-Box-Set (++++¿), also die jederzeit schon auf Multitrack-Maschinen aufgezeichneten Aufnahmen bis einschließlich „John Wesley Harding“ in den Mono-Abmischungen. Bis dahin, so Greil Marcus in den Liner Notes, wollten die Platten weit überwiegend so gehört werden. Tatsächlich besitzen die sehr sorgfältig produzierten Mono-Mixes der ersten vier LPs immer noch einen ganz eigentümlichen Reiz. Spätestens ab „Bringing It All Back Home“ behält man aber dann doch bei turbulenteren bis tumultartigen elektrischen Stücken wie „Subterranean Homesick Blues“ oder „Most Likely You Go Your Way And I Go Mine“ den musikalischen Überblick um einiges besser. Im Übrigen konzedieren selbst glühende Verfechter der Mono-Platten, dass eine Aufnahme wie „Love Minus Zero/No Limit“ in komplett remixed auf SACD vorgelegter Version entschieden live-haftiger klingt als die Mono-Fassung. Optimal überspielt wurden die Abmischungen letzter Hand, sprich „4th Time Around“ nicht mit Al Kooper an der Orgel, „Like A Rolling Stone“ in der gegenüber dem Stereo-Mix acht Sekunden kürzeren Version, kleine Mängel ausgemerzt usw. Es ist nach den 2003 veröffentlichten Hybrid-SACDs ein Hörvergnügen der nostalgischeren Art. (Sony Legacy) Franz Schöler
Quicksilver Messenger Service ++++¿
Happy Trails
Noch eine Neuauflage des Psychedelia-Blues-Klassikers
Dass sie als populärste Psychedelik-Rocker der Westküste diesseits von Jefferson Airplane zunächst ebenfalls ein großes Faible für folkloristisches Liedgut hatten, wusste man seit ihren Auftritten. Eher ungewöhnlich war dann trotzdem, dass Quicksilver Messenger Service die zweite LP mit einem einst populären Country-&-Western-Lied ausklingen ließen, das Dale Evans für ihren Ehemann, den „singenden Cowboy“ Roy Rogers, geschrieben hatte.