Blur
21 – The Box
EMI
Die praktische Komplett-Box - 21 Jahre nach dem Debüt "Leisure"
Schauen wir mal, wer die Zeitgenossen von Blur waren: Mansun. Gene. Cast. Shed Seven. Suede. Marion. Denim. Elastica. The Boo Radleys. Kula Shaker. Inspiral Carpets. The Charlatans. Ride. Pale Saints. Happy Mondays. Der Britpop der späten 80er- und frühen 90er-Jahre ist ein großes Grab von Aufgeregtheiten, Übertreibungen und Überspanntheiten. Manche Verlierer von damals werden damit belohnt, dass sie später zum „Kult“ erklärt werden.
Die Gewinner aber sind doppelte Gewinner: Sie dominieren die Gegenwart – und siegen noch, wenn es sie schon lange nicht mehr gibt. Oder, wie Blur, nur als gelegentliche Konzert-Band. Blur waren von Beginn an die Band des denkenden jungen Mannes (zu dem sich bald die denkende junge Frau gesellte). 1988 gegründet, veröffentlichten sie 1991 ihr Debüt „Leisure“, eine etwas zerquälte Angelegenheit zwischen Rave-Pop und Gitarrenkrach. 1993 erfanden sie sich als Camden-Town-Stänkerer mit Brillen: Auf „Modern Life Is Rubbish“ ging es gegen die Postmoderne und Amerika, Damon Albarn ätzte gegen die „Chemical World“ (Zucker-Surrogat im Tee) und solidarisierte sich mit dem schwierigen und erfolglosen Songschreiber Julian Cope („Pressure On Julian“ und „Coping“?). Sie klauten bei den Kinks, bei Madness, bei Ian Dury. Die Demos dokumentieren die Einübung der Britishness: Zunächst sollte XTC-Mann Andy Partridge das Album produzieren.
„Parklife“ (1994) ist eine der großen englischen Pop-Platten in der Wehmut, dem Spott, der Nostalgie und der Umarmung des einfachen Lebens – und mit „Girls & Boys“ war jetzt auch der eher untypische Hit da. Mit „The Great Escape“ traten Blur im Herbst 1995 gegen Oasis an, gewannen mit der schwachen Single „Country House“ gegen die schwächere Single „Roll With It“ die Schlacht und verloren langfristig den Krieg. Das Album ist voll satirischer Vignetten zwischen Charles Dickens und Ray Davies und auch noch sentimental.
Wie Pulp verabschiedeten Blur 1997 den Britpop: Sie hatten Pavement und das früher bespöttelte Amerika als Inspiration entdeckt, schrieben mit „Beetlebum“ ihren schönsten Song und mit „Song 2“ ihren berühmtesten, um dann knarzend und lärmend den Schönklang zu zerstören. Gitarrist Graham Coxon nahm schon schwerblütige, an Syd Barrett geschulte Soloalben auf, und Damon Albarn langweilte sich mit Pop. In dieser Spannung entstand „13“, eine Verbindung von Gospel-Inbrunst, Pop-Herrlichkeit und millenniumsmäßigen Space-Klängen zwischen Bowie, Kraftwerk und Schwachsinn („Trimm Trabb“). „Think Tank“ (2003) bündelte noch einmal die losen Enden – doch im Hintergrund lauerten schon die Gorillaz, die malinesischen Musiker, die Prätention und das Experiment.
„21 – The Box“ enthält – die DVDs mit drei Konzerten mitgerechnet – 21 Scheiben, die Vinyl-Single „Superman“ von 1989 und ein Büchlein mit Kommentaren der Musiker und vielen Fotos aus dem Erinnerungsalbum für kleine Pop-Bands. Jedem Album wurden reichlich B-Seiten, Raritäten und Demos zugeordnet. Die Songtexte allerdings fehlen.
Blur waren brillant, sie waren die Gewinner. Der Erfolg befeuerte ihre Kunst: vom Profanen zum Obskuren. (EMI) Arne Willander