Bjork

Vespertine

Die eigenwilligen Poeme werden von Pop-Strukturen durchlöchert

Ein neues Album von Björk. da war man gespannt „Selmasongs“, den grandiosen Soundtrack zu Lars von Triers grandiosem JDancer In The Dark“, wollte man gern als Wegweiser deuten, als den Anfang eines Wandels von den zuletzt arg unterkühlten Maschinenträumen, die noch Jrlomegenic“ dominierten, hin zur orchestralen Wärme der so grandios entworfenen Filmmusik. Was soll man sagen: alle Hoffnung erfüllt! Schon „Hidden Place“, das erste Lied auf „Vespertine“, ist eine Einladung ins Allerheiligste der Andersfrau Björk, eine auditive Zeitlupenfahrt aus den gewohnt skurrilen Musikcollagen und stockend gesetzten Halbmelodien. Da fahrt man gern mit!

Einen Kokon habe sie bauen wollen, sagt Björk, eine unmögliche Welt des Trostes und der Geborgenheit, und endang solcher Parameter entwirft die Isländerin ihre Klangräume mit der gewohnten emotionalen Genauigkeit. „Coccoon“ macht nackt wie nie den Zuhörer zum Voyeur, „Pagan Poetry“ schwelgt mythisch in marschierenden Beats und zirpenden Harfen, und das nur noch geträumte „Harm Of Will“ hätte auch Selma gut zu Gesicht gestanden.

Tatsächlich macht sich Björk, die diesmal auf die bislang obligaten Kooperationen mit potenten Kollegen verzichtete, auf „Pespertitie“ recht verletzbar. Manch sakraler Melodie und manch mit den allgegenwärtigen Knabenchören geheiligtem Klang könnten böse Menschen Sentimentalität oder noch Schlimmeres unterstellen, und die verwirrend transparenten Pop-Strukturen von beispielsweise „It’s Not Up To bu“ durchlöchern die mit den vorangegangenen Alben kunstvoll entwickelte Hermetik auf sehr gefährliche Weise.

Doch Verletzlichkeit und Intimität ist ja nun eben das Thema, das zu erkunden Björk jetzt auszieht, und also ist die fragile und ungebrochene Schönheit ein notwendiges Risiko. Ein Risiko, für das die Wagemutige (und mit ihr: wir) am Ende mit einem weiteren ganz famosen Album belohnt wird.