Bill Pritchard
Mother Town Hall
Der Gitarrenpop des Engländers kennt keine Bitternis oder Wehmut
Ach ja, stimmt, der war weg. Wo war der denn? Zum Glück ist er zurück, sein Kumpel Tim Bradshaw ermuntert ihn, ins Studio zu gehen. Der Engländer Bill Pritchard kam 2014 mit dem Album „Trip To The Coast“, nachdem er acht Jahre lang keine Songs veröffentlicht, aber nicht gefaulenzt, sondern philosophiert und Melodien gesummt hatte; Pritchard wird bald 60, das heißt, zehn Jahre bleiben noch bis zum Greisenalter, er zeigt keine Anzeichen von Bittternis oder Wehmut – das Jenseits ahnt er noch nicht. Er kann einen Mund machen wie Elvis und ähnelt inzwischen dem Schauspieler Ed Harris, hat aber mehr Haare auf dem Kopf.
Die Methode „sich immer wieder neu erfinden“: Darüber lacht Pritchard nicht mal, so ein Theater hat ihn noch nie interessiert, er kann sich selbst und seine Fans aber jederzeit überraschen. Sein Gitarrenpop, gern mit Bläsern, Banjo und Chorgesang ausgestattet, hat die gleiche Spitzenqualität wie 1987, als Pritchard anfing, CDs rauszubringen – mindestens die Hälfte der zwölf Lieder auf „Mother Town Hall“ (abgemischt in Berlin) würde oben in den Hitparaden stehen, wenn’s nur ein bisschen Gerechtigkeit gäbe.
Pritchard freut sich über Lob, die Verkaufszahlen sind ihm wurscht. Wie es sich für einen Sonderling gehört, handeln seine Texte von Vampiren und Katholiken, Planeten und Boutiquen, manche Geschichten sind passiert, manche Personen hat Pritchard sich in der Kneipe gemeinsam mit Bradshaw ausgedacht; ein Song, möglicherweise von Prince Charles beseelt, verherrlicht hier einen Mann, der nur eine Blume liebt und sie als seine Frau betrachtet. Bill Pritchard singt in mittlerer Tonlage und klingt ab und zu nach Michel Polnareff, dem französischen Nationalhippie – er bedauerte 1966 auch auf Deutsch, dass seine Puppe ständig „Nein, nein, nein!“ sagt.
Nur Spezialisten kennen Pritchard in seiner Heimat, viel mehr Japaner und Deutsche lieben seine Musik, in Hamburg leben Fans, die jedes Stück von ihm mitsingen können. Nicht wenige Franzosen handeln sogar gegen ihre Natur: Sie lernen Englisch, um ihren Bill Pritchard ganz zu begreifen