Anthrax
We’ve Come For You All
Nuclear Blast
Immer vielseitig groovend, jetzt aber auch ein bisschen erwachsen
Anthrax haben sich einen sicheren Platz im Götterhimmel der harten Musik erspielt, weil sie dem Heavy Metal gaben, was dem nun nicht gerade in die Wiege gelegt war: Humor, eine Fernfahrerportion Selbstironie und vor allem eine Genregrenzen ignorierende Experimentierfreude.
Als alle Welt noch in Leder und Nieten ging, zogen sich Anthrax Skater-Klamotten über, schrieben damit auch in gewisser Weise Metal-Stilgeschichte, arrondierten ihr Image mit einem eigenen Schlachtruf („Mosh!“) und klopften ihre Instrumente ab nach einem derart kosmopolitischen Thrash Metal, dass auch Punk, Hardcore, Power Metal etc. und nicht zuletzt der Rap damit harmonierte – beziehungsweise nicht harmonierte, aber auch das machte stets eine Menge Krach und Spaß. Live zumal!
Bereits 1987 demonstrierte die EP, „I’m The Man“, dass ein Rap/Metal-Bastard auch kommerziell funktionieren konnte, wenig später tourte man mit Public Enemy und bereitete so einem Crossover-Sound den Weg, mit dem sich immer noch einiges verdienen lässt. John Bush, der den einzigartigen, aber auch immer ein wenig neben der Spur singenden Joey Belladonna ersetzte, leitete Mitte der 90er Jahre die konservative Wende ein: Die Rap-Anleihen wurden nach und nach ersetzt durch Power Metal, in dem Thrashiges zwar noch Platz hat, aber nicht mehr absolute Priorität, wobei mit Beutezügen in den extremeren Spielarten allemal zu rechnen ist. So auf dem aktuellen Album „We’ve Come For You All“, das die fünfjährige Schaffenspause beendet und einen dienten Geräuschraum schafft, den Bush spielend zu dominieren scheint.
Die bekannten Stärken der Band, ihre rhythmische Vielseitigkeit und das geschlossene und zumeist auch hübsch groovende Zusammenspiel zwischen Schlagzeuger Charlie Benante und der Gitarrenfraktion, vor allem dem hart arbeitenden Riffworker Scott Ian, werden hier ergänzt durch erwachsenes, sich der Eingängigkeit nicht mehr um jeden Preis verschließendes Songwriting.
Und so gibt es auf dieser Produktion inmitten einer langen Reihe recht ordentlicher Stücke immerhin drei, die sich nachdrücklich für die nächste Best-Of-Compilation empfehlen: der piekfeine Midtempo-Wackeldackel „Refuse To Be Denied“ etwa, „Safe Home“ mit amtlichem Grölchorus und einem nachgerade poppigen, die Orthodoxie ziemlich sicher verprellenden Melodiesolo Rob Caggianos und das tadellose „Anyplace But Here“, das sich einen wunderschön altmodischen Akustik-Anfang leistet nebst Steigerung zum pumpenden Gesangsteil, ja, und da ist er auch schon, der retardierende Pre-Chorus, gefolgt von der ebenfalls ziemlich erwartbaren aber deshalb sind wir ja hier! – Chorus-Eruption. Und Bushs wiederholter Appell „Come on, come on, follow closely …“ ist wirklich einmal angenehm überflüssig, denn das tun wir doch längst!