Ani DiFranco

Binary

Mehr Funk, weniger Folk und immer noch viel Feminismus, diesmal garniert von Justin Vernon und Maceo Parker

Wenn Ani DiFrancos 20. Studioalbum, „Binary“, bereits 1995 erschienen wäre, hätten die Dance-Dadaisten von Das Modul ihre Single „1100101“ gleich in den Papierkorb verschieben können. Denn die Amerikanerin hätte die Nerdromantik des Lockrufs „Komm, lass uns wie Binäre sein!“ umgehend für immer gelöscht – mit ihrer Behauptung, es sei ohnehin alles binär und stehe stets in Relation. DiFrancos eigene Musik beweist diese These: Waren ihre Postschwangerschafts­alben, das 2008 veröffentlichte „Red Letter Year“ (Tochter) und „Allergic To Water“ aus dem Jahr 2014 (Sohn), noch mit Ecken- und Kantenschutz ausgestattet, kommentieren die jeweiligen Nachfolger, „¿Which Side Are You On?“ und nun „Binary“, wieder mit gewohnt feministischer Bissigkeit Politik und Gesellschaft.

Im Namen des wachen Geschlechts

Obwohl die elf Songs weit vor der jüngsten US-Wahl entstanden sind, haben sie die Entwicklungen schon vorausgeahnt. Lange bevor DiFranco beim Women’s March in Washington demonstrierte, komponierte sie die Pro-Choice-Nummer „Play God“, die auch Teil der Anti-­Trump-Kampagne „30 Days, 30 Songs“ war. In „Pacifist’s Lament“ präsentiert sie Deeskalationsstrategien, bastelt aus dem eingebildeten „Almighty“-Status eines Allmachtsfantasten mit Süffisanz und Weltmusik den Song „Alrighty“ und spottet im Namen des wachen Geschlechts: „Next time I’ll watch a man give birth.“

DiFranco gesteht der Spezies Mann aber immerhin Episoden­nebenrollen zu: Justin Vernon von Bon Iver darf bei „Zizzing“ mitsingen, Maceo Parker Saxofon spielen und Obama als Inspirations­quelle für „Deferred Gratification“ herhalten. Es gibt auf „Binary“ mehr Funk, weniger Folk, mehr Improvisation, weniger Introversion, viel Altbekanntes, aber auch ein paar Überraschungen: „Spider“ zeigt tiefe Punkbarkeit, ausgerechnet das Empathieplädoyer „Terrifying Sight“ erweist sich als DiFrancos poppigste Versuchung seit mindestens fünf Alben, und dann ist auch noch die langjährige Bowie-­Bassistin Gail Ann Dorsey mit an Bord. Nur der Binärcode fehlt. Denn auch wenn nicht alle Songs wie eine Eins dastehen – Nullen gibt es darunter nun wirklich keine. (Righteous Babe/Aveline)

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