Alejandro Escovedo

„Echo Dancing“

Yep Roc/Bertus (VÖ: 29.3.)

Ein überraschendes Wiedersehen mit alten Songs

Alejandro Escovedo ist ein erstaunliches Geschöpf. Seitdem er 2003 eine Hepatitis‑C‑Infektion überlebt hat – befreundete Musiker:innen wie Lucinda Williams und John Cale beglichen die Arztrechnungen des damals nicht Krankenversicherten –, wirkt der Songschreiber mit texanisch mexikanischen Wurzeln mit jedem Album eine Spur mutiger. Das nostalgische Alterswerk ist seine Sache nicht. Eine gediegene Americana-Rückschau bietet auch „Echo Dancing“ nicht, obschon das Konzept der Platte in diese Richtung weist. Escovedo widmet sich nämlich seinem eigenen Katalog. Dabei wärmt er nicht einfach alte Kamellen auf, sondern veranstaltet ein Wiedersehen unter unerwarteten Vorzeichen.

Manches klingt zu mutwillig modernisiert, aber meistens funktioniert Escovedos unsentimentaler Ansatz

Es ist, als würde man mit Bekannten aus dem Töpferkurs in einen Kellerclub gehen, um mit ihnen Electro‑Punk zu hören und Jägerbombs zu trinken. Escovedo begegnet seinen alten Songs aus verschiedenen Perspektiven; sein Blickwinkel verschiebt sich emotional, spirituell, intellektuell und geografisch. Es ist kein Zufall, dass der 73‑Jährige für die Aufnahmen nach Italien gereist ist. Dort hat er in Don Antonio und Nicola Peruch nicht nur die geeigneten Co‑Produzenten gefunden, sondern zwei junge Multiinstrumentalisten, die seiner Vision folgen. Manches klingt zu mutwillig modernisiert, aber meistens funktioniert Escovedos unsentimentaler Ansatz.

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Dem wankenden Acid Rock‑Patienten „John Conquest“ wird eine Uptempo‑Kur verabreicht. Das Blues transzendierende „Bury Me“ wird mit elektrischen Gitarren neu verschraubt. In „Too Many Tears“, das 2012 schon ein ziemlich harter Kanten war, machen sich jetzt Industrial‑Sounds und Gespensterfilm‑Streicher breit. Die Ballade „Sensitive Boys“ gewinnt mit Klavierbegleitung an Tiefe. Und durch die Feedback‑Ode „Thought I’d Let You Know“ pulst nunmehr der Schlag von Escovedos Abenteurerherz. Die Binsenweisheit, dass ein Song niemals fertig ist, hat selten jemand so beeindruckend ausgelebt wie Alejandro Escovedo auf „Echo Dancing“.