Albert Lee
Hiding/Albert Lee
Zwei frühe Alben des vielbewunderten Gitarristen Dave Edmunds war in Love Sculpture-Anfängen mal einer der flinkesten aller Flinkfinger. Aber bei einem Duell mit Albert Lee hätte er – wie so ziemlich jeder – den kürzeren gezogen. Der hatte es mit den Jahren zu einer so atemberaubenden Technik gebracht, daß er sicher auch seine Idole unter den amerikanischen Country-Gitarristen glatt an die Wand gespielt hätte. Sein Spiel erschöpfte sich nie in virtuosem Blendwerk. Stilistisch war der Mann so ungemein vielseitig, daß er den Wasserträger für so verschiedene Brötchengeber wie Jerry Lee Lewis und Joan Armatrading, Jackson Browne und die Hot Band von Emmylou Harris, Joe Cocker, Dave Edmunds und die von demselben 1984 bei ihrem Comeback produzierten Everly Brothers spielen konnte.
Neben dem eigenen „Country Boy“ bediente er sich im Song-Repertoire alter (die Louvin Brüder) und neuer Favoriten (Rodney Crowell, David Peacock, Mark Knopfler). Das Ergebnis war ein gediegenes Country/Country Rock-Album von der zu erwartenden handwerklichen Qualität, aber viel mehr auch nicht. Wenig später mit Eric Clapton auf Welt-Tournee zu gehen, war sicher lukrativer, als diese Platte mit Solo-Konzerten zu bewerben. Das von Paul Kennedy geschriebene Konzeptalbum „The Legend Of Jesse James“ (Lee mit den Kollegen Jesse Ed Davis, Charlie Daniels, Bernie Leadon und Emmylou H. an Gitarren, Prominenz wie Johnny Cash, das Ehepaar Rosanne Cash/Rodney Crowell und Levon Helm mit von der Partie, alles produziert von Glyn Johns, auch am Mischpult sitzend) wurde ein Jahr später auch kein nennenswerter Erfolg für A&M.
Aber dann erinnerte sich bei Polydor wohl doch jemand an sein virtuoses Spiel auf Claptons Budokan-Mitschnitt „Just One A Night“, der als Multimillionenseller noch mehr Geld in die Kassen der Firma gespült hatte als „461 Ocean Boulevard“, und gab ihm eine zweite Solo-Chance. Diesmal stimmte einfach alles: Produktion (Rodney Crowell), Arrangements, Tontechnik und vor allem die Songqualität, die durchweg makelloser und hochkarätiger kaum hätte sein können. Was Lee aus den süperben Vorlagen von John Hiatt, Hank DeVito, Rodney Crowell, Everly Brothers und auch Ivans „Real Wild Child“ machte, war (kon)genial. Emory Gordy, Billy Payne und Vince Gill leisteten gern Dienste als Wasserträger.
Die nette Zugabe hier ist das von Hank DeVito und Paul Kennerly geschriebene „Blue Side Of Town“, aufgenommen 1988 von Patty Loveless und Albert Lee wie immer makellos als Session-Mann. Er habe, behauptet er in den Liner Notes, seither viel dazugelernt. Mag ja sein. Aber viel besser als bei seiner zweiten LP geht es eh nicht. Daß diese Platten, als „twofer“ gekoppelt, ein Vierteljahrhundert später erstmals von einem (Australiens bestem) Oldies-Label vorgelegt werden, grenzt ans Absurde, (Sunda ZED)