Alasdair Roberts
„Spoils“
„The Amber Gatherers“ war vor zwei Jahren für Alasdair Roberts‘ Verhältnisse geradezu ein leichtes Pop-Album. Zumindest wenn man es mit dem Vorgänger „No Earthly Man“, dieser dunkel-geheimnisvollen Sammlung alter schottischer Balladen, vergleicht. Aber mit Pop hat das Werk des schüchternen Schotten natürlich eigentlich gar nichts gemein.
Um Künstlichkeit geht es ihm nicht, eher um die Fortführung alter Familien- und Folk-Traditionen. Seine eigenen Kompositionen klingen ebenso anachronistisch und mit der Scholle verwachsen wie seine Adaptionen alter Songs. Diese Wurzelbehandlungen können schmerzhaft sein, weil sie uns den Lauf der Zeit und den Zustand unserer Welt vergegenwärtigen.
Etwa wenn Roberts auf „Spoils“ singt, er habe geträumt, er wäre der alte englische Arbeiterklassenheld Ned Ludd. Natürlich klingt da die Folkballade „General Ludd’s Triumph“ ebenso nach wie das linke Kampflied „I Dreamed I Saw Joe Hill Last Night“, doch zugleich setzt Roberts zur Kulturkritik an: „The cosmos is desacralized and the world must be rebarbarised.“
Auch musikalisch mischen sich die modernen Zeiten an einigen Stellen sacht in die Arrangements, lugen zwischen Fiddle, Dulcimer und Hurdy Gurdy Synthesizer und E-Gitarre hervor, bringt ein variables Schlagzeug zusätzliche Dynamik. „You Muses Assist“ hat gar eine kleine 70s-Softrock-Hookline, „Hazel Forks“ wird von einem jazzartigen Interludium durchpflügt. Dass Roberts diese Brüche in seiner Folk-Ästhetik zulässt und zugleich mit Harmonien und Melodien so verschwenderisch wie nie umgeht (einige der acht länglichen Stücke sind regelrechte Suiten), macht „Spoils“ zu seinem bisher offensten und abenteuerlichsten Werk. (Drag City/Rough Trade)
Maik Brüggemeyer