Alanis Morissette

So-Called Chaos

Maverick (Warner)

Vorsichtig optimistische, mitreißende Songs, leider grausam produziert.

Man möchte dem Produzenten ordentlich eins auf die Nase hauen – oder den Menschen, die Alanis Morissette eingeredet haben, dass sie nicht selbst produzieren kann und einen wie John Shanks braucht, der jüngst Michelle Branch eine aalglatte Oberfläche verpasste.

Vielleicht knarzte Alanis‘ vorangegangenes Album, „Under Rug Swept“, ein bisschen zu sehr, war an mancher Stelle zu schwammig. Bei „So-Called Chaos“ geht das Pendel in die andere Richtung – und erschlägt einen. Viel zu viel Klimmblimm, Kladderadatsch, Geblubber und Gedröhne – oft verdirbt einen der verdaddelte Einstieg fast das Lied. Und man übersieht beinahe, dass dies sehr, sehr gute Songs sind. Ehrlich!

Vorbei die Tage, als sie vor allem von verletzten Gefühlen und enttäuschten Hoffnungen sang. Es geht jetzt aufwärts. Zumindest oberflächlich. Hinter dem optimistischen Ansatz kommt immer wieder Wut und Verzweiflung durch, aber genau das mag man ja an der Frau. Sie ist immer noch nicht 30, aber man hat dauernd das Gefühl, sie hätte schon alles Unglück mitgemacht, das die Welt zu bieten hat.

Gleich der erste Song, „Eight Easy Steps“, wankt zwischen Zorn und Selbstironie, den beiden Lieblingshaltungen der Songschreiberin, die sie auch diesmal ausreizt – allerdings mit etwas mehr Humor als sonst „I’m not threatened by every pair of legs you watch go by/ I don’t cringe when you stare at women/ It’s just a thing called guy“, erkennt sie in „Doth I Protest Too Much“, um dann doch zuzugeben, dass ein Großteil ihres neuen Selbstbewusstseins nur gespielt ist: „Tm not enraged/ Not in secure as much/ Not going insane/ Rational stays in touch/ Doth I protest too much?“ Wie sie das singt, ist wieder einmal rührend und mitreißend – und kein bisschen nervig. Das hat sie gelernt: ihre Stimme gezielt einzusetzen, nur in bestimmten Momenten alles reinzuwerfen. Diese Zeilen treffen einen dafür umso härter.

Niedliche Liebeslieder wie „Knees Of My Bees“ und Schwermütiges wie „This Grudge“ kann sie auch, aber die kräftigeren, treibenderen Rocksongs liegen ihr immer noch mehr: der Titelsong zum Beispiel, dessen schleppende Strophen in einem hymnischen Chorus aufgehen, oder „Spineless“, das alles aufzählt, was man im Leben falsch machen kann: sich bis zur Selbstaufgabe anpassen, alle Träume aufgeben und nur noch das Anhängsel des Geliebten sein. Aber nicht mit Alanis! Die will „Everything“ sein, Positives wie Negatives: „the moodiest baby“, „the bravest heart“, „the most gorgeous woman“. Wenn der Mann alles gesehen hat und am Ende noch da ist, wird er es wohl wert sein. Eine unwiderstehliche Logik.

Angeblich schreibt Alanis jetzt lieber Songs, als sich aufs Produzieren zu konzentrieren. Aber nächstes Mal, da schafft sie bestimmt beides. Ist doch eine starke Frau.