Review: „Game Of Thrones“, Staffel 7, Folge 6: So fängt man einen Zombie

Die glorreichen sieben Lebenden schnappen sich mühelos einen Untoten – aber damit geht der Ärger erst so richtig los. Aber auch in der Frage, wer Anspruch auf den Eisernen Thron erheben will, gibt es Bewegung.

Spoiler-Alarm!

Die White Walker stellen die größte Bedrohung dar, die jemals auf Westeros losmarschiert ist. Selbst die Männer der Nachtwache zittern beim Gedanken an die untoten Ritter. Sieben Kämpfer um König Jon Snow, plus deren Knappen, sind nach jenseits der Mauer aufgebrochen. Sie wollen einen der Untoten gefangennehmen, um ihn als Beweisstück zu präsentieren. Es heißt, gerade die Feinde in King’s Landing wollen nicht so recht an die Zombies glauben – zeigt man ihnen die zappelden Skelettmänner, demonstriert also deren Existenz, lässt sich vielleicht eine Allianz gegen sie schmieden.

Aber wie soll das Kidnapping bloß gelingen, es ist doch ein Ding der Unmöglichkeit, die übermächtige Teufelsbrut, ich meine, schließlich …  nun, schließlich ist das Unternehmen „fang den Zombie“ dann doch recht einfach, wie Snow und Freunde demonstrieren.

Wenn’s schnell gehen soll, geht alles recht einfach bei „Game Of Thrones“, wie auch in Folge sechs der siebten Staffel, „Jenseits der Mauer“. Es geht sogar sagenhaft einfach. Die glorreichen Sieben lauern einem Pfadfinder-Trupp der Walker auf, der gerade ein Lagerfeuer inspiziert (wer hätte gedacht, dass die Zombies überhaupt in Suchtrupps handeln können, in konkreten Einheiten statt als amorphe Masse, so menschlich?).

Schubst den Freak!

Snow weiß, was zu tun ist. Überraschung von hinten, den Boss ausgeschaltet – und alle anderen Untoten lösen sich flugs in Asche auf. Alle bis auf NATÜRLICH einen (warum bleibt einer übrig?), der wie ein Schulhof-Außenseiter von den Menschen im Kreis rumgeschubst und schließlich gefesselt wird. Das wird ihr Gefangener.

Damit erweisen sich die White Walker als ähnliche Rohrkrepierer wie die hyperagilen Skelette aus den Brendan-Fraser-„Mumie“-Filmen oder die Uruk-Hai aus dem „Herrn der Ringe“, fertiggemacht sogar von Hobbits. Aus der Distanz ehrfurchtgebietend, im Zweikampf Nieten.

Der gefangene Zombie ruft nach Verstärkung. Die kommt. Jon und die anderen schalten ganze Brigaden aus, erst dann schwinden ihre Kräfte.

In der vorangegangenen Episode „Ostwacht“ wurden die Glorreichen Sieben als Charakter-Ensemble zusammengeführt. Das war die Superhelden-Vereinigung einiger der stärksten Fighter, denen wir in Westeros begegnet sind. Snow, Thormund, Jorah, Berric und den „Hund“, dazu den Thor-Hammer-schwingenden Gendry. Während ihrer Kidnapping-Mission und der Schlacht mit den Zombies erhält jedoch keiner der sieben einen Moment, in der deren typischen Wesenszüge – die Rücksichtslosigkeit des „Hund“, die Impulsivität Thormunds – ausgespielt werden können.

Streng genommen wäre, wie das Ende des Battles zeigt, für den glücklichen Ausgang auch kein anderer Charakterkopf außer Snow nötig gewesen.

Während ihres Marschs durch die Eiswüste gibt es zwar die eine oder andere Naturbeobachtung („Habe noch nie Schnee gesehen!“), Eigenlob („Rothaarige sind wunderschön“) und Hard Targets („Brienne of Fucking Tarth“), aber die großen Schwanzvergleiche der Action-Figuren „Hund“, Thormund und Jorah, dessen Dreikämpfe sich Geeks in allerlei Foren-Untiefen längst ausmalten, bleiben aus. Wahrscheinlich hätte selbst Bronn kein Feuer in der Truppe entfachen können.

Und dann gab’s Bärgeheul

Für die Dynamik des Ensembles wäre es wichtig gewesen, wenn einer von ihnen gestorben wäre – also eine Hauptfigur, keiner der vier Bauernopfer aus dem Zusatztrupp, die keiner kennt, oder die Nummer zwei mit dem Flammenschwert, die zwar einen Namen hat, aber eben auch keiner kennt. Manch einer von den Namenlosen fällt, noch vor der Schlacht mit den Untoten, einem schrägen Mega-Bär-Angriff zu Opfer, der der Story nichts bringt.

Nach wenigen Minuten Schlachtübersicht drängt sich folgende Rechnung auf: 200 Dothraki + 200 Unbefleckte + Glorreiche sechs + 3 Drachen dürften reichen. Dürften reichen, um alle White Walker dieser Welt auszuschalten. Wenn die Untoten es überhaupt jemals bis hinter die Mauer schaffen. Der strategische Offenbarungseid der Zombies bedeutet auch, dass Königin Cersei, die Antagonistin der Drachenkönigin Daenerys, von nun an in Schwierigkeiten steckt. Denn zum zweiten Mal demonstrieren die Feuerteppiche legenden Drachen, dass gegen sie niemand eine Chance hat. Zumindest niemand, der nicht den entsprechenden Speer auf die Flugechsen werfen kann.

Roll the dice! Dank der cleveren Schlusspointe, bei der die White Walker unerwartet Hilfe aus dem gegnerischen Lager erhalten, verschieben sich die Kräfteverhältnisse dann doch. „Game Of Thrones“-Fanboys könnten aber schon vorher in Schnappatmung verfallen sein. Was für ein Setting: Daenerys. Auf dem Rücken eines Drachen. Nicht in der Wüste, sondern erstmals im Schnee. Streckt die Hand aus nach Jon. Um ihn zu retten. Ein echter Money Shot. Ein Postkartenmotiv, wie es die Serie lange nicht mehr erschaffen hat. Bewundernswert bleibt das Tempo, in dem die Figuren der sechsten „GoT“-Staffel von Kontinent zu Kontinent reisen können – die Kollegen vom „Musikexpress“ fragen sich zu Recht, ob Westeros lediglich die Größe des Saarlands hat.

Mit Drogon keine Sorgon

Die Drachenschlacht war nun die zweite in drei aufeinanderfolgenden Episoden. Mal sehen, wie oft es diese Art von Gefechte noch geben wird, bevor Zuschauer Ermüdungserscheinungen verspüren. Nicht unwahrscheinlich, dass die Serienmacher sich verpflichtet fühlten, die mystischen Kreaturen endlich als Kampfteilnehmer zu inszenieren. Den Druck haben die Produzenten sich selbst auferlegt, mit Drogon und Co. wird seit zwei Staffeln aggressiv in fast jedem Trailer geworben.

Als Jon mit nacktem Oberkörper im Lazarett liegt, nimmt die Khaleesi seine Hand, streichelt ihn. „Leider kann ich so vor Dir nicht in die Knie gehen“, sagt der Verwundete. Aber das war nur Vorspiel, denn er kündigt prompt seinen Verzicht auf den Thron an. Der König der Nachtwache stellt sich in den Dienst der Khaleesi.

Über die Gründe dafür darf man brüten. Beide haben ihre Opfer für den Sieg gebracht. Jon hätte sein Leben in der Schlacht gegeben, nur um den untoten Gefangenen, das Beweisstück, zur Nachtwache zu bringen. Sein Tod hätte Danerys’ Status als mächtigste Thronanwärterin zementiert. Die Königin wiederum verliert im Gefecht einen ihrer Drachen. Als sie im Gefecht ohne Jon losflog, hatte sie Trauer im Blick – keinen Gedanken daran, dass sie nun die Nummer eins ist. Es bleibt diskutabel, ob Daenerys für den Thron in diesem Gemetzel das stärkere Wagnis eingegangen ist.

Aber „Jenseits der Mauer“ irritiert auch durch krude Rollenbilder. Die Frauen geben in dieser Episode kein gutes Bild ab. Jon nennt die Königin „Dany“, die verschreckt anmerkt, dass sie zuletzt so von ihrem älteren Bruder angeredet wurde. Nun ist sie wieder Dany, das Mädchen. Als Jon seine Untertänigkeit anbietet, stehen ihr Tränen in den Augen. Königinnen kennt man eigentlich anders.

Zoffen sich Zwei

Nach ähnlich emotional diffusem Rollenmuster greifen sich die zwei aktuell beherrschenden Frauen von Winterfell an, die Schwestern Sansa und Arya Stark. Dass gerade ein Mann, Kleinfinger, die beiden gegeneinander ausspielt, macht es eben auch nicht besser (hier fällt erneut die eher gemütlich betriebene Arbeit der Drehbuchautoren auf: Streitpunkt der Schwestern wird ein alter Brief, also altes Story-Material, „die Vergangenheit fällt mir auf die Füße“, keine neu entwickelte Intrige).

Sie streiten sich darüber, wer dem Familienhaus mehr Schande eingebracht hat, wessen Opfer nicht groß genug gewesen ist. „Du, Du bist ja die ganze Zeit nur durch die Welt gereist!“, sagt Sansa. „Ich war im Training!“, schießt Arya zurück. „Du in Deinem schönen Kleid!“. So zoffen Jugendliche sich auch auf Facebook.

Arya hatte eine Kindheit, in der sie, durch etliche Verluste geprägt, selbst zur ausgebildeten Killerin wurde. Nun hält sie ein Messer vor den Bauch der größeren Schwester. Von einer Neigung zur Psychopathie darf längst ausgegangen werden.

Wer es sich auf dem Eisernen Thron gemütlich machen will, muss an Arya vorbei.

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