Review: „Game Of Thrones“, Staffel 7, Folge 4: „Come On, You Fucker?“ Ausschalten!
Überall wird „gefucked“, die Familientreffen der Starks lassen einen kalt wie eingeschlafene Füße – und Daenerys reitet den Drachen wie in der „Unendlichen Geschichte“ – Wo ist George R.R. Martin, wenn man ihn braucht?
01. Ohne George R.R. Martins literarische Vorlage fehlen die guten Dialoge
In Episode vier der siebten Staffel „Game Of Thrones“ heißt es immer wieder „Fuck“. Das „Ficken“ kann man im TV heutzutage natürlich inflationär bringen. Wirkt dann aber halt nicht mehr so, als gäbe es eine Buch-Idee, in der Konflikte so verhandelt werden, wie wir es von George R. R. Martin kennen.
Arya erbittet Einlass in Winterfell? Die Wachen am Tor-Eingang sagen: „It’s Cold, We’re Busy – So: Fuck Off“. Downsizing wie von Türstehern. Martin hätte solche Sätze, gäbe es das siebte „A Song Of Ice and Fire“-Buch schon, niemals geschrieben. Kein guter Job der Scripter Benioff/Weiss.
02. Wiedervereinigung? Welche Wiedervereinigung?
Die vierte Episode bietet gleich zwei wichtige Reunions, beide bleiben hinter den seit sechs (!) Staffeln geweckten Erwartungen zurück. Sansa und Arya treten nicht auf wie Schwestern, sondern wie Antagonisten. Dahinter steckt vielleicht die unausgearbeitete Voraussetzung der Autoren, dass beide Teenagerinnen mittlerweile zu verhärmt sind, zu tough, zu individualistisch, um Gefühle auszuleben.
Der von hinten gefilmte Dialog im Keller, als beide sich im Dunkeln über den getöteten Joffrey amüsieren, soll wohl Stärke demonstrieren, erarbeitete Schutzschilde. Wir Zuschauer werden auf Distanz gehalten. Okay. Es wäre aber kein Zeichen von Schwäche gewesen oder „Weiblichkeit“, hätten die zwei Kriegerinnen sich einfach umarmt. Mit Bran Stark hatte das ja auch funktioniert.
„Joffrey war der erste auf meiner Kill List!“, sagt Arya. Kill List, da war doch was, oder? Stimmt, ihre Liste hatte die junge Prinzessin seit x-Episoden nicht mehr erwähnt, längst nicht mehr im Schlaf aufgeflüstert – und die Zuschauer hatten sie längst vergessen. Arya soll nun als junge Frau gezeigt werden. Aber sind es denn immer nur Kinder, die sich mit Reimen selbst in den Schlaf wiegen?
03. Blöde Reunion, die zweite
Theon Greyjoy kommt aus dem Nichts mit dem Boot angetrudelt, schlägt an der Küste auf. „Eigentlich müsste ich Dich töten!“, sagt Jon Snow, der ihn, magisch angezogen, am Strand bereits erwartet. Ihn töten – warum eigentlich? Hat man in Folge der letzten 60 Episoden vergessen.
Der kastrierte Halbbruder muss etwas verbrochen haben, dass nicht mehr angesprochen werden soll. Lag es an den verbrannten Kindern? Dies ist die zweite Stark-Wiedervereinigung dieser Folge, die komplett hinter den Erwartungen zurückbleibt. Dabei war die Reunion der Winterfell-Familie alle Seasons lang DER Motor aller Sehnsüchte gewesen.
Flashbacks, Erinnerungs-Dialoge, um die Wut Jons für uns aufzufrischen – all das fehlt.
04. Für irgendwas muss Brienne ja gut sein
Brienne von Tarth hat nichts zu tun. Seit vier Episoden. Die wichtige, stolze, pflichtbewusste, natürlich Handlungs-tragende, durch „Star Wars“ aufgewertete Gwendoline Christie: Sie hat nichts zu tun. Sie gehört nun einfach zum Winterfell-Militär. In einer bemerkenswert unnötigen, aus dem Nichts eingeleiteten Kampf-Szene macht sie Schwertübungen mit der gefühlt zwei Meter kleineren Arya. Ein Fight, der im Unentschieden endet. Soll uns sagen: Brienne bleibt fit, auch ohne Storyline, aber Arya ist auch ganz gut drauf: minderjährig, doch im Gefecht voll einsatzbereit. Die vielleicht bescheuertste Trainingseinheit der gesamten Serie.
05. Immer schön in die Knie gehen
Das zukünftige Liebespaar Jon/Khaleesi begutachtet Steinzeit-Malereien auf der schönen Insel Dragonstone. Die Prinzessin fordert dabei zum zweiten Mal den Bastard auf, ihren Thron-Anspruch anzuerkennen und sich kleiner zu machen.
06. Drachen als Atombomben
„Diese Drachen schmelzen ganze Städte ein, sie lassen Schlösser in Flammen aufgehen!“ So werden Drogon und Co-Drachen beworben. Diese phantastischen Echsen sind wie lebende Totschlagargumente: Sie vermiesen jede Schlacht. Keine Taktik bedeutet mehr irgendwas, sobald die Feuerspeier in Aktion treten.
Dabei hatten sich alle Zuschauer auf die Drachen gefreut. Und das haben wir nun davon. Jetzt wird klar: Hätte es die Drachen schon seit etlichen Folgen mit dieser Feuerkraft gegeben, keiner der tausend Schlachtenkrieger hätte mehr auf den Feind vor sich geblickt, keiner hätte Formation gehalten, sondern nur noch Richtung Himmel geschaut. Die Fuchurs zerstören ja alles unter ihnen, jede Kampf-Linie.
Dass Danerys die Drachen auch noch reitet, ohne auch nur eine einzige (!) Anweisung zu geben, zerstört wiederum die Glaubwürdigkeit. Der „Battle Of The Bastards“ (Staffel sechs) ging noch halbwegs von Chancengleicheit aus, was Voraussetzung unterhaltsamer Gefechte ist.
07. Dothraki-Indianer
Das Indianer-Geschrei der Dothraki mag einen überraschen, aber es ist nicht das Problem im Kampf zwischen der Lennisters und der Targaryens. Das Problem ist der „Hobbit 3“-artige Einsatz der Super-Armbrust, die der vergessene, aber warum auch immer aus der Versenkung geholte Ser Bronn gegen den Drachen Drogon einsetzen darf. Sein Ausspruch „Come On, You Fucker“ könnten wir in „Transfomer“- und „Avengers“-Filmen hören wollen, aber ganz sicher nicht in einer Fantasy-Serie, die so tun will, als hätte George R. R. Martin die Vorlage zumindest erdacht. Come On,You Fucker: Das denken manche Zuschauer vielleicht vor sich hin. Aber das sagen Figuren, die wir verehren, nicht.
08. Cliffhanger
Der tonlose Abspann: Kennen wir aus der „Lindenstraße“ und „24“. Den gibt es immer dann, wenn eine wichtige Figur in den letzten Sekunden plötzlich verstirbt. Der tonlose Abspann ist eine Ehrung. In dieser „GoT“-Folge trifft es vielleicht Jaime Lennister, der im Wasser untergeht.
Stirbt er also? Niemals. Der Ritter, früher ein Königsmörder, befindet sich auf dem Weg der Läuterung. Bevor er also sterben darf, muss er noch einiges erleiden. Aber auch dieser Schluss zeigt, wie konventionell „Game Of Thrones“ geworden ist. Früher hätten die Serienmacher es nie gewagt, per Cliffhanger das Schicksal einer Hauptfigur im Unklaren zu lassen.
Nur schwache Serien nutzen Cliffhanger.
Eddard Stark, Shae, Robb Stark, Khal Drogo, Joffrey – sie starben halt, mittendrin, oder am Ende der Folge, aber ohne, dass für uns Ungewissheit über ihr Schicksal herrscht. Tot, Ende. Ohne: „Schaltet nächste Woche wieder ein, um mehr zu erfahren!“ Braucht die Serie also Quote?
„Game Of Thrones“ fehlt derzeit das Selbstbewusstein.