Retro Stefson aus Island: Brodelnd wie Grimsvötn
Für isländische Bands ungewöhnlich: Bei Retro Stefson und ihrem Debüt "Kimbabwe" geht es nicht um Geysire und Schwermut, sondern um, nun ja: Spaß. Ihr Stilmix brodelt ähnlich wie aktuell der Vulkan Grimsvötn.
Die isländische Band Retro Stefson debütiert auf „Kimbabwe“ mit einem faszinierenden Mix aus Disco-Pop, House, New Wave, Heavy Metal, Weltmusik und Hedonismus. Dass das zu gleichen Teilen dilettantisch und brillant daherkommt, ist in diesem Fall ausnahmsweise kein Widerspruch – Retro Stefson feiern die totale Inhaltslosigkeit und werfen den gehobenen Anspruch zugunsten von Spielfreude und Tanzbarkeit über Bord.
Vor zwei Jahren, als ein Großteil der Band noch nicht einmal volljährig war, erschien auf einem kleinen isländischen Label das in der Heimat der Musiker überaus erfolgreiche Debüt „Montana“. „Es ist leicht, innerhalb von Island eine musikalische Sonderstellung einzunehmen“, sagt Unnsteinn Manuel Stefánsson. „Selten gibt es zwei Gruppen, die dasselbe Genre bedienen.“ Der Sänger ist einer von drei Musikern des Septetts, die den Nachnamen Stefánsson tragen. Daher also Stefson, der zweite Teil des Bandnamens.
Kein Genre ist Retro Stefson zu obskur, um nicht ein paar charakteristische Töne davon ins Programm zu nehmen. Auf „Kimba“, einem der neuen Songs, vereinen sie scheinbar mühelos Afro-Pop, die Talking Heads und Thin Lizzy. Auch lyrisch denken die Isländer in anderen Dimensionen. Gesungen wird neben der Muttersprache in Englisch, Französisch und Portugiesisch. „Die Sprache passt sich dem jeweiligen Song an. Zu einem romantischen Stück könnte beispielsweise ein spanischer Text sehr gut passen“, erklärt Sänger Stefánsson.
Nichtsdestotrotz wundert man sich, dass derart optimistische und unbekümmerte Lieder ausgerechnet aus dem Land kommen, das zuletzt von Staatsbankrott und Vulkanausbrüchen bedroht war, und sonst mit Vorliebe melancholische Schwerenöter und Naturlyriker à la Sigur Rós hervorbringt. „Island ist ein lebensbejahendes Land“, betont Percussionist Haraldur Ari Stefánsson. Seit der Finanzkrise merke man, dass immer mehr Leute zu Konzerten gehen.
„Der Winter ist lang in Reykjavík. Da versucht man natürlich, das Beste draus zu machen und Spaß zu haben“, so Gitarrist Jörundsson. Bald kommt der Sommer und Retro Stefson ziehen nach Berlin. Ihrem eigenwilligen Disco-Crossover wird das sicher nicht schaden.
Das Album „Kimbabwe“ ist soeben erschienen. Hier gibt’s die Kurzkritik und das vollständige Album im Stream.
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