Remixer und Produzent DJ Thomilla half den besten hiesigen HipHop-Bands. Sein Debütalbum bringt nun alles auf den Punkt
Es war das Jahr des deutschen Hip-Hop – und keine Platte bringt die gewachsene Selbstverständlichkeit im Umgang mit Plattenspielern, Mikrofon und der heimischen Sprache so gut auf den Punkt wie “ Genuine Draft“, das Debütalbum des Stuttgarters DJ Thomilla. Er zeigt Skills, produziert fette „Reimemonster“ so gut wie den zarten R&B der Sängerin DaNaCeE. Er remixte die Hits von Fanta 4, half bei Hausmarkes Soloalbum mit und hat immer noch Zeit für schwyzerdütsche Rap-Talente und entspannte Abende als Club-DJ. In Thomilla zeigt sich DJ-Culture nicht als Dekonstruktions-Maschine oder Rekontextualisierungs-Automat, sondern als POP – und die Zeiten, in denen dieses Wort für HipHopper als Verrat an der Sache galt, sind spätestens jetzt vorbei.
„Benztown“, dein Debüt mit der Stuttgarter Band Die Krähen, war nicht gerade ein Verkaufsrenner…
Das stimmt, ich glaube, wir haben davon nur etwa 20 Stück verkauft.
Wie bitte?
Naja, vielleicht waren es auch 100 Stück…
Die Krähen war ja auch ein seltsamer Name für eine HipHop-Gruppe.
Mag sein. Aber damals gab es in Stuttgart auch andere Bands mit komischen Namen: die Massiven Töne etwa. Und Agit-Jazz, die sich später in Maxwell umbenannten und heute Freundeskreis heißen – Maximillian und sein Freundeskreis.
Warum wolltest du DJ werden?
Weil der Plattenspieler für mich ein wichtiges, vollwertiges Instrument ist, nicht nur beim Scratchen. Ich habe angefangen mit zwei alten Dual-Geräten vom Sperrmüll. Die hatten noch einen drehbaren Pitchregler, mit dem man die Lauf geschwindigkeit gerade mal um 15 Prozent variieren konnte – heute sind 8 Prozent üblich und 20 möglich.
Muss man lange üben, um den Plattenspieler zu beherrschen?
Allerdings. Zuerst war das wie Nachsitzen: Ich habe lange regelmäßig nach der Schule einen bestimmten Scratch geübt. Als ich den endlich konnte, war mir das Prinzip klar, und ich begann eigene Sachen zu konstruieren. Beim Mixen und Auflegen in einem Club ist das Taktgefühl sehr wichtig: Du musst immer mitzählen, am Besten 8 Takte und dann auf die 1 gehen.
Wieso kommt bei Konzerten vieler Hip-Hopper die Musik aber vom Band?
Das ist echt Scheiße. Sogar die Scratches kommen oft vom DAT. Da steht dann nur ein Rapper auf der Bühne, und damit es nicht zu einsam wird, hat er ein paar wild herum hüpfende Homies dabei. Ich finde, bei einem HipHop-Set sollte immer mit Plattenspieler gearbeitet werden – die Samples der Stücke kommen ja auch von Platte.
Ist das einigen DJs zu schwierig?
So schwer ist das nun auch nicht: Ich habe meistens links und rechts die gleiche Instrumental-Version eines Stücks laufen. Dann mixe ich mit dem Crossfader am Mischpult hin und her. Das ergibt dann Doppelungen – als wenn ein Drummer zweimal auf die Snare schlägt. Oder wie wir es bei Afrob machen: Die erste Strophe kickt er auf den einen Beat, beim zweiten Vers mix ich einen komplett anderen, beim dritten wieder einen neuen. Ich mag es, wenn es live so gut klingt wie im Studio.
Für „Genuine Draft“ hast du dir eine Menge Gäste ins Studio eingeladen: Afrob, DJ Hausmarke, Dendemann, Ferris MC, Gentleman, Walking Large, Massive Töne, Sorpio, Specializtz…
Als ich mit Hausmarke auf Tour war habe ich einen Haufen Leute kennengelernt. Als ich vor einem Jahr mit der Produktion von „Genuine Draft“ anfing, habe ich erst mal alle angerufen deren Telefonnummer ich hatte.
Freust du dich über den Boom, den der deutsche HipHop im Moment erlebt?
Ich sehe das nicht als „Boom“, aber es freut mich, dass gute Bands jetzt endlich ein Forum finden. Mir gefällt, dass die Deutschen überwiegend anders klingen als die Amis. Das zeugt von gesundem Selbstbewusstsein und Selbstverständnis im Umgang mit Musik. Aber bin ich nervös, wenn ich eine US-Band wie Outcast remixen soll: Ich möchte ja zumindest deren Level halten.
Sind denn diese Remixe lediglich für den deutschen Markt bestimmt?
Teils, teils: Der Remix, den ich für Rafael Sadiq und Q-Tip gemacht habe, hat den beiden so gut gefallen, dass er vielleicht in den USA erscheint.
Wie lange arbeitest du an so einem Track?
Selten länger als drei Tage. Kürzlich sollte ich einen Remix für die englische R&B-Gruppe Eternal produzieren – zwei Tage vor dem Urlaub! Den hab ich dann in vier Stunden durchgezogen.
Glaubst du, dem deutschen Rap könnte es so ergehen wie der Neuen Deutschen Welle: zu viel Masse, zu wenig Klasse?
Überhaupt nicht! Schau mal, seit im Frühjahr die neuen Platten von Fanta 4, Freundeskreis, Massive Töne, Afrob und Eins, Zwo erschienen sind, war keine miese HipHop-Platte in den Charts. Sachen wie Basis haben heute kaum eine Chance, denn mittlerweile wissen selbst Teenager, was the realshit ist.
Hat „Genuine Draft“ irgendetwas in deinem Leben verändert?
Ich habe beschlossen, mit dem Kiffen aufzuhören. Jede Woche kamen Rapper in mein Studio – und alle wollten nur das eine: pausenlos Joints rauchen. Da blieb mir nichts anders übrig als mit zu machen. Davon muss ich mich jetzt erst mal erholen.