Rednecks sind… süß!
Country-Star Gretchen Wilson ist stolz auf die Provinz-Heimat - erst recht, seit sie Nashville kennt
Was genau war noch mal ein Redneck? Ach ja: Jemand, der seinen Anus nicht von einem Loch in der Erde unterscheiden kann, wie Randy Newman einst textete. Aber das ist lange her, 30 Jahre. Für Gretchen Wilson, die selbsternannte „Redneck Woman“ des Jahrgangs 2004, war es jedenfalls „nie ein abwertender Begriff, einfach so was wie ein Hillbilly“. Und dann folgt schon das Wort, mit dem sie nicht nur in diesem Zusammenhang schnell zur Stelle ist: Stolz. Stolz auf sich, auf ihre Familie und Freunde, auf ihre Leute, die irgendwie ihr kleines, bescheidenes (Trailer Park-) Leben zu leben wissen.
Es ist der Stolz der Provinz. Weshalb jetzt auch der Ort Pocahontas sehr stolz auf sein Gretchen ist, die einen Song ihres Debüts „Here For The Party“ glatt „Pocahontas Proud“ betitelte. Neulich rief der Bürgermeister an, eine Straße soll bald ihren Namen tragen, das Hinweisschild an der Highway-Abfahrt zum 700-Seelen-Kaff in Illinois steht schon. St. Louis ist 35 Meilen weg, Belleville gerade mal 15 Autominuten, doch Unde Tupelo klingt für sie wie ein nach Elvis benannter Mondkrater. „Komisch, dass ich nie von ihnen gehört habe“, sagt Wilson, die von Oma und Mama nur mit Patsy Cline, Loretta Lynn und Tanya Tucker versorgt wurde.
ging sie ohne Kontakte oder Job-Aussicht nach Nashville, als große Naive, die glaubte, sie müsse mit ihrem Heim-Demo nur ein bisschen auf der Music Row flanieren und hätte schon einen Deal in der Jeans. „Es hieß immer nur: Unverlangt zugestelltes Material nehmen wir gar nicht an.“ Sie richtete sich in der Realität ein, kellnerte, bekam ein Kind, sang auf Demos und in ihrer Bar. Bis ihr John Rich über den Weg lief, der erst ihr Misstrauen durchbrach und sie dann als Songschreiberin in die „Muzik Mafia“ einführte, anfangs eine Art Geheim-Loge vom Nashville-Geschäft frustrierter Musiker, die jetzt aber doch ganz dankbar sind, dass das nach ein bisschen Belebung dürstende Geschäft auf sie aufmerksam wurde.
Auch für Gretchen Wilson fiel ein Vertrag ab, sechs Monate nachdem sie mit „Redneck Woman“ ihr Türschild und damit gleich einen Country-Hit geschrieben hatte. „Mir war klar, dass ich den Song selber singen muss, wenn er veröffentlicht werden soll“, sagt sie jetzt. „Ich kenne einfach keine andere Sängerin in Nashville, die das getan hätte.“ Classic Country, Southern Rock-Anleihen und eine Kapriole mit Gospel-Feeling und Rap-Einlage zieren weiterhin ein Erstlingswerk, das in Music City USA für einen Sturm im Wasserglas gut war.
Ob mehr draus wird, ist Gretchen egal. „Es war nie mein Ziel, etwas zu verändern. Ich wollte nur ich selbst sein und das möglichst erfolgreich.“ Spricht da die Stimme der schweigenden Mehrheit? ,Ja, das kann ich schon sehen. Musik im Radio hatte zuletzt oft nicht mehr viel mit dem Leben der Leute zu tun.“ Der Leute in Pocahontas und anderswo, die „Redneck“ sagen, ohne dabei rot zu werden.