Red Hot Chili Peppers live: Hallo Berlin, Stadt der Schulterpolster!

Wegen ihres Funkrocks im Hampelmann-Style gelten die Red Hot Chili Peppers als angestaubt. Aber was ist so schlimm daran seit 25 Jahren mit einem Sound aufzutreten, den keiner kopieren kann?

Chad Smith, Schlagzeuger der Red Hot Chili Peppers, hat innerhalb der letzten zwei Jahren Flea, den Bassisten der Red Hot Chili Peppers, als Witzfigur der Band abgelöst, und daran ist er selber schuld. Weil er wie der Komiker Will Ferrell aussieht – oder Ferrell wie er –, lieferten sich beide in Talkshows diverse „Drum Battles“ und verbale Schlagabtäusche. Auch beim Auftritt im Berliner Kraftwerk (nicht wirklich ein Club-Gig, hier passten rund 1.300 Zuschauer rein) sorgt Smith für einen Lacher, aber wohl eher unfreiwillig. Er stürmt alleine auf die Bühne, haut auf die Drums. Plötzlich Pause, als nicht die Band-Kollegen, sondern zwei Moderatoren der Telekom Street Gigs aufmarschieren und dann die Red Hot Chili Peppers ansagen.

Mehr zum Thema
Red Hot Chili Peppers: Flea antwortet auf 'Fox News'-Kritik - „sollen sie uns doch hassen!“

Smith, der den Abend eröffnen wollte, immer noch im Fokus, hört sich das, auf still gestellt, hinter seinem Schlagzeug an. Das ist noch besser als ein Will-Ferrell-Moment, das ist ein echter David-Brent-Moment. Sollte dieser leicht vergeigte Auftritt inszeniert gewesen sein, war er gelungen.

Mehr zum Thema
Red Hot Chili Peppers :: The Getaway

Dann endlich kommen „die Peppers“. Die seit 1984 aktiven Musiker sind – obwohl ihr letzter künstlerischer Erfolg mit „Stadium Arcadium“ zehn Jahre zurückliegt – noch immer eine Stadium-Arcadium-Band, eine Band für Rock am Ring, immer volles Haus. Bis heute ist es niemandem gelungen ihren Funkrock und die Hampelmann-Moves zu kopieren, und es haben etliche versucht. Deshalb ist es umso unfairer, dass manche ihnen diesen Signatur-Sound vorwerfen. Soll die Band damit doch besser werden – oder schlechter.

TelekomStreetGig_RedHotChiliPeppers_016

Dabei sind es nicht mal die Hits wie „Give It Away“ oder „Dani California“, die einen in den Sog ziehen, sondern das eher nostalgische, Sundowner-artige Material des neuen Albums, „The Getaway“; Melancholiker, die in Kalifornien beheimatet sind, erzeugen eben immer eine sanfte Irritation. Der Wechsel von Rick Rubin zum Produzenten Danger Mouse tat „RHCP“ jedenfalls gut, die Lieder klingen jetzt weniger prätentiös, geradezu vorsichtig tastend, wie auf der Single „Dark Necessities“.

Mehr zum Thema
Chad Smith im Interview: „Elton John war süß“

Wie sehr ihre Fans sich auf bestimmtes Material freuen würden, zeigt die erstaunlich hohe Anzahl von selbst gemalten Schildern mit Songwünschen, wie man sie sonst eher auf Open-Air-Konzerten sieht, aber immer seltener in Hallen. Eine schöne Tradition, die einen Kontrast bildet zu den hochgehaltenen Smartphones – und den vielen Kameras, die, wenn auch viel dezenter als vermutet, im Kraftwerk platziert wurden (der Telekom Street Gig wurde live im 360-Grad-Modus gestreamt, benötigt also eine bestimmte Anzahl von Geräten).

Der Tunnel von West nach Ost

Hit des Abends ist „By The Way“  – gehört fest zum Repertoire und muss nicht auf Pappen gefordert werden –, das wieder einmal zeigt, welche technischen Möglichkeiten den Red Hot Chili noch immer offen stehen, aber bislang selten genutzt werden. Anthony Kiedis‘ Einsatz der Roboter-Stimme ist stets genauso verstörend wie toll. Aber wird Gitarrist Josh Klinghoffer jemals richtig in der Band ankommen? Seit bald zehn Jahren ist er dabei, aber irgendwie noch immer „der Neue“, ein Nesthäkchen mit 37. Klinghoffer spielt die Soli seines Vorgängers John Frusciante exakt, aber vernachlässigt die neueren, selbst komponierten. Als arbeite er sich an fremder Vergangenheit ab. Dazwischen gibt es immer wieder diese High-Energy-Jams zwischen ihm, Flea und Smith, bei denen es den Anschein hat, die Musiker wollen darin eher Dampf ablassen als etwas kreieren.

Die vier „Chilis“ (bald haben wir alle Synonyme durch) reißen ja gerne ihre Witze, und zum Glück nehmen sie sich nicht allzu ernst. Flea sinniert über den Komponisten Irving Berlin, der ja mit der Stadt Berlin nicht so wirklich viel zu tun hat. Kiedis, der eine Graffiti-Hose wie aus dem Checkpoint-Charlie-Souvenirshop trägt und mit Stufenfrisur und Schnauzer aussieht wie Maybrit Illners Bruder, erzählt ebenfalls total verrückte Anekdoten. Wie er und seine Jungs Mitte der Achtziger aus Westberlin „gekickt“ wurden, durch den „Tunnel“ (?) von West nach Ost, weil seine Jacke Schulterpolster hatte. Diese Achtziger.

Flea macht noch ein paar Mal Handstand, und seine Sprünge sind, auch mit 53, derart raumgreifend wie unberechenbar, dass man sich wünscht er möge seine Anfälle niemals in kleinen geschlossenen Räumen kriegen, etwa auf einem Beifahrersitz.

Dies war ein „RHCP“-Konzert ohne Überraschungen, aber das muss nichts Schlechtes sein. Es eröffnete mit „Can’t Stop“ und endete mit „Give It Away“. Die Musiker zeigten ihre tätowierten Oberkörper und schwärmten von eben der Stadt, in der sie gerade spielen. Dass die Red Hot Chili Peppers damit seit 25 Jahren auf den Bühnen Erfolg haben, spricht für sie.

Telekom Street Gigs
Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates