Rebellisches Gemüt
Auch auf ihrer fünften LP verblüfft Holly Cole wieder mit recht eigenwilligen Coverversionen
In unserer Familie zu rebellieren, war einfach unmöglich. Alle sind so furchtbar tolerant. Nur wenn ich gesagt hätte: ,O. K., liebe Eltern, ich werde Rechtsanwältin‘, das hätte sie wahrscheinlich schockiert“
Die lieben Eltern von Holly Cole sind nun mal beide klassische Pianisten, das Haus voller Musikinstrumente. Ihr älterer Bruder studierte Piano und Komposition in Berklee/Boston. Während andere Familien in Halifax sich nach Feierabend um die TV-Fernbedienung stritten, schien es für den Cole-Clan das Natürlichste auf der Welt, allabendlich Hauskonzerte zu geben. Das ganze Repertoire, von klassischen Jazzstandards bis zu keltischen Volksliedern. Eine beneidenswerte, spielerische Ausbildung. „Ich dachte als Kind, das war in allen Familien so.“
Andere Eltern hätten sicher auch protestiert, wenn die 15-jährige Tochter beschließt, lieber keine Tierärztin zu werden, sondern es dem großen Bruder gleichzutun.
So gibt Holly bereits als Teenager in Begleitung des Bruders Brecht-Weill-Abende. Sie studiert in Toronto Musik und glänzt in Clubs mit einem Repertoire aus 40er-Jahre-Songs, Billie Holiday etc. Und sie entwickelt eine besondere Spezialität: Bei ihr klingt kein Song so wie das Original. Holly macht sich die Werke von Tom Waits, Paul Simon, Randy Newman oder den Beatles derart individuell zu Eigen, dass man meist zweimal hinhören muss. „Es gibt Leute, die sich darüber beschweren, dass ich ,ihre‘ Lieblingslieder so komplett anders interpretiere. In einem Song aber schlummern immer viele Möglichkeiten. Da gibt es oft erstaunliche Ebenen.“
Es sind meist die dunklen Ebenen der Moll-Skala, die Miss Cole aufspürt. Naive Popsongs klingen bei ihr wie laszive Verführung. „Meine Stimme habe ich mit dem Altsaxofon trainiert. Nichts ist besser für die Phrasierung.“ Und für ihr rebellisches Gemüt hat sie eine neue Leidenschaft entdeckt: das Schlagzeug. „Nur meine Hündin Rhoda ist etwas genervt, wenn ich mich zu heftig austobe. Als Trost habe ich ihr mein neues Album gewidmet“ Was Rhoda von „Romantically Helpless“ hält, weiß nur sie allein. Immerhin: Holly sagt, sie habe beim Vorspielen freundlich gewedelt In Hundekreisen gilt das als ein großes Kompliment