Realismus zum Tanzen
Nach einer Zeit der inneren Einkehr fanden Mando Diao zu neuen Vorsätzen.
Man hatte sich beim letzten Album von Mando Diao, „Never Seen The Light Of Day“ gedacht: Die Band braucht eine Pause. Wie sollte man die verhaltene Energie und die verlangsamten Tempi deuten- als kurzes Ausruhen oder als das Ende der wilden Jahre?
Björn Dixgård lässt beides gelten. „Natürlich waren wir erschöpft. Bis zu diesem Zeitpunkt war alles Schlag auf Schlag gegangen, irgendwann ist der Ofen dann aus.“ So erklärt sich auch, warum Dixgård im letzten Jahr allein auf Tournee ging. „Wir liebten die neuen Songs, aber wir hatten keine Kraft, nochmal die große Runde zu drehen. Trotzdem wollten wir diese Musik auf die Bühne bringen, also bin ich losgefahren. Beim nächsten Mal ist Gustav (Nóren, der zweite Gitarrist und Sänger) dran.“
Mit der Verschnaufpause begann für Mando Diao die Reflexion auf das Geschehene. Dixgård erzählt von schweren Monaten und schlussendlich einer Kurskorrektur. „Ich habe im letzten Jahr viel über den Tod nachgedacht. Es gab ein paar schlimme Situationen in meiner Familie, und ich rutschte in eine kleine Depression ab. Aber das musste ja passieren. Wir hatten sechs Jahre lang eine irre Zeit, in der alles gelang- dann kommt eine kleine Krise, und schon scheint alles zusammenzubrechen. Sechs Jahre obenauf, zwei Monate deprimiert, da kann man sich ja nicht wirklich beschweren.“
Offenbar kam nicht nur Dixgård ins Grübeln. „Wir begannen als Band, alles infrage zu stellen und sahen uns plötzlich als ganz andere Menschen. Das war schon ein bisschen seltsam.“ Dixgård wundert sich in der Rückschau selbst über die bis dato ungewohnte Nachdenklichkeit. „Es entstand ein guter Vorsatz: Wir möchten in Zukunft bessere Sachen machen, nicht einfach nur uns selbst feiern. Wir werden jetzt nicht die neuen Bonos, aber wir wollen ein paar positive Vibes versprühen. Auf der neuen Platte ist so eine Art sozialer Realismus- die Leute sollen sich selbst erkennen und Kraft daraus schöpfen. Sie sollen tanzen! So etwas hätten wir vor zwei Jahren noch nicht gemacht.“
Die neue Platte heißt „Give Me Fire!“– und ja, man kann tatsächlich zu ihr tanzen. Mando Diao überführen Soul, Disco und 80s-Wave in ihren Sound, der von zwei HipHop-Produzenten aufgemöbelt wurde. „Sie haben wenig gemacht“, beschwichtigt Dixgård, „aber sie kennen sich aus mit perfekten Tanztempi, und haben immer mal kleine Ideen eingestreut, auf die wir von selbst nicht gekommen wären.“
Tatsächlich erhöhen Mando Diao auf „Give Me Fire!“ die Trennschärfe zwischen ihren Songs und setzen ausgesuchte Stilmittel ein, ohne darüber jene naive Direktheit zu verlieren, die dieser Rock’n’Roll-Show von Anfang an das Leben einhauchte. „Wir wollten wie ein punkiger Elvis klingen -jeder der Songs hat etwas Filmisches. Manches sollte wie der Soundtrack zu einem 80’s-Horrorfilm klingen, anderes nach Tarantino.“
Wie das nun genau zusammengeht mit dem selbst erteilten Auftrag zur Volkserhebung, weiß Dixgård auch nicht. „Sicher geht das alles nicht sauber auf, das wäre zu langweilig. Aber auch in der Dunkelheit steckt etwas Wahrhaftiges. Man muss nur genau hinsehen.“
Jörn Schlüter