Das wetterleuchtende Gesicht: Zum Tod des großartigen Schauspielers Ray Liotta
Ray Liottas unheimliche Präsenz prädestinierte ihn dazu, finstere Gestalten zu spielen, dabei konnte er auch zum Fürchten komisch sein.
Es war die eine Rolle, die Ray Liotta berühmt machte, eine Rolle in einem Film von Martin Scorsese mit Robert De Niro, der nur die erste Nebenrolle spielte. Ray Liotta ist Henry Hill in „GoodFellas“, der Laufbursche, der sich in der Mafia-Hierarchie hochdient und in einem Rausch aus Wahnsinn, Paranoia und Drogen endet. Liotta, der aus Newark, New Jersey stammt, war damals 36 Jahre alt – zu alt für den jungen Hill, zu jung für den alten. Doch seine Darstellung überstrahlte auch die der großen Scorsese-Schauspieler des Films, darunter Joe Pesci und Paul Sorvino.
Als Baby war Ray Liotta adoptiert worden, seine leibliche Mutter lernet er erst mit 40 Jahren kennen. Schon auf der Highschool wollte er Schauspieler werden und bekam 1978 eine Rolle in der Fernsehserie „Another World“, die drei Jahre lief. Damals schloss eine Fernsehkarriere meistens Kinofilme aus. Dennoch hatte Liotta eine Rolle in „The Lonley Lady“ (1983) und dann den ersten typisch liottaesken Auftritt in Jonathan Demmes „Something Wild“ (1986): Melanie Griffith ist gefährlich, aber Ray Liotta ist gefährlicher. Manche sagen, dass Demme keinen besseren Film gedreht hat als diese Schrewball-Komödie auf der Flucht, in der die Feelies bei einem Klassentreffen aufspielen.
Ray Liottas Gesicht bleibt unvergesslich in „Feld der Träume“, der Baseball-Fantasie mit Kevin Costner, in der Liotta den legendären Shoeless Joe Jackson spielt, den Mann, der aus dem Maisfeld kommt. Wenn du das Feld baust, dann werden sie kommen! Und so geschieht es. Zusammen mit Burt Lancaster geht Ray Liotta in den amerikanischen Mythos ein.
Nach „GoodFellas“ trat Liotta in schaurigen Filmen auf – „Fatale Begierde“, „Flucht aus Absolom“, „Operation Dumbo“. In einer Episode von „Frasier“ (1995) war er schon Ray Liotta als Zitat, nämlich als Stimme. Dann, 1997, spielte er in James Mangolds elegischer Polizistenballade „Cop Land“ neben Sylvester Stallone, Robert De Niro und Harvey Keitel. Das Böse wetterleuchtete in seinem Gesicht.
Unheimliche Präsenz
Zwei Jahre später geisterte er durch „Die Muppets aus dem All“. In „Hannibal“ (2001), der Fortsetzung von „Das Schweigen der Lämmer“, ist er mit Anthony Hopkins in einer außerordentlich unappetitlichen Szene zu sehen, in „Blow“ aus demselben Jahr neben Johnny Depp. Liottas unheimliche Präsenz sieht man in der Episode „Todesstunde“ von „Emergency Room“ (2004), wo er im Krankenbett die gesamte Notaufnahme beschäftigt, indem er seine Lebensgeschichte erzählt. Dafür bekam er 2005 den Emmy.
Er spielte dann kleine und kleinste Rollen – in „Hannah Montana“, in einer Fortsetzung von „Feld der Träume“, in B-Movies und Fernsehserien. In „The Place Beyond The Pines“ (2012) hatte er noch einmal eine standesgemäße Rolle neben Ryan Gosling und Bradley Cooper. Es war die nächste Generation. Junge Menschen sahen ihn in einem Video von Ed Sheeran, in „Modern Family“, in „Young Sheldon“.
Noah Baumbach besetzte Liotta als Scheidungsanwalt von Adam Driver in „Marriage Story“ (2019) – den anderen Anwalt spielte Alan Alda. Noch einmal ist er zum Fürchten komisch. Seine Rolle in „The Many Saints Of Newark“ (2021), der Vorgeschichte der „Sopranos“, schließt den Kreis: Liotta kehrte nach New Jersey zurück.
Donnerstag (26. Mai) starb Ray Liotta im Alter von 67 Jahren bei Dreharbeiten in der Dominikanischen Republik. Lorraine Bracco, seine Partnerin in „GoodFellas“, sagt: „Wenn ich gefragt werde, was das Beste an ,GoodFellas‘ war, sage ich immer: Ray Liotta.“