Ray Charles: Ray Charles – Modern Sounds In Country & Western Music
Weiß Gott, das hier war ein Paukenschlag, mit dem nun wirklich niemand gerechnet hatte. Im Gegenteil, viele, die glaubten, etwas von der Sache zu verstehen, hatten Ray Charles heftig von seiner Idee abgeraten, ein Album mit Countrysongs aufzunehmen. Der Erfolg indes gab dem R’n’B-Sänger Recht: „Modern Sounds In Country & Western Music“ räumte 1962 ab wie keine Charles-Platte zuvor. Sie erreichte Platz 1 in den Pop-Albumcharts von Billboard, und die dazugehörige Single, der Evergreen „I Can’t Stop Loving You“, stürmte sogar die Pole Position in den Pop wie auch in den R’n’B-Charts. Womit ihm nicht nur der bis dahin größte Hit seiner Karriere, sondern auch eines der seltenen echten Crossovers zwischen den Genres gelungen war. Mehr noch: Mit dieser Platte integrierte Charles bis dahin für vollkommen unvereinbar gehaltene Stile wie Country, R’n’B, Jazz, Gospel und Pop zu einer einzigartigen Melange amerikanischer Popmusik, der er seinen ureigenen Stempel aufdrückte. Dazu bewies die geschickte Produktion mit attraktiven Arrangements auch gleich deren immenses kommerzielles Potenzial. Wohl auch, weil er auf dem Album, das Coverversionen von Don Gibson, den Everly Brothers und Hank Williams enthielt, ohne die Country-üblichen Zutaten Fiddle und Pedalsteel-Guitar auskam. Auch wenn „Modern Sounds In…“ zu den erfolgreichsten und interessantesten Platten von Ray Charles gehört, dieses Crossover ist es nicht in erster Linie, das ihn in die Annalen der Black Music eingehen ließ. Denn zu Recht gilt Brother Ray vor allem als Vater des modernen Soul. Das Unerhörte an seinen frühen Hits, darunter Klassiker wie „I Got A Woman“, „Hallelujah I Love Her So“ und natürlich „What’d I Say“ , war die Selbstverständlichkeit, mit der er die bislang allein dem Gospelgesang vorbehaltene Emotionalität auf den Rhythm’n’Blues übertrug. Seinerzeit sehr wohl auch eine moralische Frage, die tief religiöse Gospelsängerin Mahalia Jackson beispielsweise hatte es immer abgelehnt, auch weltliche Unterhaltungsmusik zu singen. Ray Charles also machte den Rhythm’n’Blues zum Soul. Dass er sich schon bald auch Country & Western, den Blues des weißen Mannes, einverleiben würde, zeigt im übrigen, dass die Beziehung zwischen weißer und schwarzer Musik durchaus auch eine von wechselseitigem Geben und Nehmen war.
Wer sich für Ray Charles‘ komplette Geschichte interessiert, dem sei Rhinos 4-CD-Boxset „Genius & Soul: The 50th Anniversar/ Collection“ ans Herz gelegt.