Rauschen an der Isar
Kleine Elserhalle, München.
White Rabbits -Bassist Adam Russell zog später ein versöhnliches Resümee: Er sei froh und glücklich, auf diese Weise überhaupt das alte Europa bereisen zu dürfen. Zudem herrsche auf der aktuellen Tour seiner Truppe generell ein gewisses Chaos, da laufend der Tour-Manager wechsle. Ein bisschen befremdlich dürfte der erste Eindruck der Letterman-Absolventen nach ausverkauften Konzerten in Amsterdam und Großbritannien trotzdem gewesen sein, als sich beim Deutschland-Debüt gerade mal eine Handvoll Leute vor die Bühne verirrt hatte. Der frühen Anfangszeit geschuldet, nutzten die restlichen Besucher den lauen Sommerabend wohl noch für einen vorbereitenden Besuch im Biergarten. Die an sich famosen White Rabbits spielten ihren enorm kurzen Set trotzdem mit gebotener Routine und Professionalität — die amerikanische Schule, leider nicht mehr.
Lobende Worte fand Russell indes für die besondere Atmosphäre, und wenigstens das war eindeutig keine Koketterie: Tatsächlich gelang es an jenem Abend, die viel gelobte Intimität, das (auch in unserem Bericht zum 25. Jubiläum des Festivals noch einmal beschriebene) „Haldern-Flair“ für einige kostbare Stunden nach München zu importieren. Obschon auch später nicht ganz voll, rekrutierte sich das freudvoll tanzende und johlende Publikum beinahe ausnahmslos aus glücklichen Menschen. Kein Witz. Zudem war die sonst übliche Barriere zwischen Musikern und Publikum weitgehend aufgehoben. Die immer noch Albumlose Web-Sensation der letzten Saison, Stephanie Sokolinski kurz: Soko, war überall zur gleichen Zeit und überzeugte die Zuschauer ebenso mit ihrem koketten Kleinmädchencharme und dem „I’ll Kill Öhr“-geschulten französischen Akzent, wie auch während ihres Anti-Folk-haften eigenen Auftritts oder später als Gast-Musikerin bei Loney Dears berückender Version unseres Single-Tracks vom April, „Ignorant Boy. Beautiful Girl“. Ohnehin passte die mit Inbrunst zelebrierte schwelgerische Melancholie der Loney Dear-Songs vielleicht am besten zur weihevollen Stimmung des Abends.
Für die ganz groß gedachten Entwürfe des Guillemot’schen Neo-New-Pop (oder wie man deren neuen Stil sonst nennen will) waren Bühne und Auditorium dann fast ein wenig zu klein (freilich genügen Garderobe und Aussehen zumindest der männlichen Mitglieder derartig pompösen Ansprüchen ebenso wenig). Ein würdiger Abschluss aber war es allemale: Derwisch Fyfe Dangerfield wechselte mit irre flackerndem Blick die Positionen, von Keyboard auf Gitarre auf Gesang, die gewagt gekleidete Kontrabassistin Aristazabal Hawkes brachte derweil etwas vom Glanz großer Show-Bühnen in die „Kleine Elserhalle“. Am Ende waren jedenfalls alle zufrieden: Soko notierte mit der ihr eigenen chronischen Verwirrtheit den langsamen Abmarsch des Publikums. Es bildeten sich Grüppchen vor der Halle, und selbst Russell und die White Rabbits-Kollegen wurden schließlich für die frühe Auftrittszeit entschädigt: Die Reise ins Hotel traten die einizgen Rock’n’Roller des Abends im Mini-Van mit zwei jungen Münchnerinnen an, von denen sie vorher bereits versaute deutsche Wörter gelernt hatten.