Raus aus dem alternativen Abseits
Diane Weigmann und Katy Matthies sind redselige Damen. „Wir dürfen immer die Interviews machen, weil wir so viel quasseln“, eröffnet Sängerin/Keyboarderin Katy den munteren Redeschwall anlässlich der Veröffentlichung des vierten Albums des Quartetts. „Now & Forever“ wird, glaubt man Plattenfirma und Management, die Lemonbabies hierzulande als Chart-kompatibles Pop-Ensemble etablieren – ein hehres Ziel, agieren die Damenbands der Nation doch meist eher im alternativen Abseits. Auch die Lemonbabies starteten im Off, griffen auf den Alben JPoeck It“ und „Pussy!-Pop“zu schrägen Anglizismen und waren mit hörbar viel Spaß dabei.
Inzwischen sind einige Jahre vergangen, die Lemonbabies entdeckten, so ihr Info, „Musik als Lebensentwurf“ – und schon wurden Songwriting und Attitüde bedeutsamer, ambitionierter. „Wir haben irgendwann eine generelle Entscheidung getroffen, unser Leben als Musikerinnen zu bestreiten“, erläutert Katy, „aus dem wilden Jugendlichen, der an seiner Persönlichkeit feilt, wird halt ein Erwachsener, der weiß, wer er ist.“ Mit solch plakativen Lebensweisheiten suchen Gitarristin Diane und ihre Kollegin Katy den Reifeprozess der einstigen Schülerband Lemonbabies zu belegen.
Nun ist viel die Rede von JBewusstsein“ und“Kontrolle“, das Wort „professionell“ fallt gleich mehrfach. Die Musik änderte sich entsprechend: „AW & Forever“ Ist also nicht mehr nur ungeschliffenes Randgruppen-Entertainment. Moderne Klangstrukturen und moderat fuzzige Gitarren vereinen sich mit zarten Gesängen, Streicher sorgen für das große Gefühl – der Wandel von Teenie-Schrammlern zu Profi-Popmusikern ist stringent vollzogen.
Katy und Diane haben jetzt keinerlei Berührungsängste mit dem Begriff Mainstream, lobpreisen gar Madonna und die Spiee Girls, wenn der Song stimmt. Jene Fans, die immer nur das Frühwerk mögen, dürften bald den Authentizitätsverlust beklagen. Jetzt werden die Damen echt böse: „So ein Quatsch“, echauffiert sich Diane, „wer uns wirklich zugehört hat, der wird das neue Album als logische Fortsetzung unserer musikalischen Entwicklung erkennen.“ JawohL „Wir laufen doch keinem Trend nach oder orientieren uns an irgendwelchen Vorbildern.“ Niemals! „Ich würde auch Songs schreiben, wenn sie keiner hören wollte“, beteuert Diane, „ich muss rauslassen, was in mir schlummert.“ Man glaubt ihr: Die eigene Kunst als Katharsis der Seele zu beschreiben, gilt hier als Indiz für Echtheit, ist weniger Platitüde als ehrliche Selbsteinschätzung.
Das Spezifikum Weiblichkeit ist ihnen ergo ein verhasstes Thema. Zwar räumen beide ein, es gäbe „wohl eine weibliche Herangehensweise an Musik“, aber das „Girlie-Ding“, so Diane, „haben wir so weit hinter uns gelassen wie Twens die Akne.“