Rare Trax Vol.28 – Blow your mind 2
Sex, Drugs und Rock'n'Roll, so die Legende, heiße die klassische Dreieinigkeit des Pop. Mitte der 60er Jahre kamen mindestens noch Spiritualität und Jazz hinzu, die zusammen mit bewusstseinserweiternden Drogen sowohl musikalisch als auch lyrisch die Popmusik inspirierten. Der Nachhall tönt noch immer.
Mitte der 60er Jahre wurde die LP, die im Jazz schon seit den frühen 50ern das bestimmende Format war, zu einer eigenständigen Kunstform innerhalb der Popmusik. Nicht länger gaben sich amerikanische Folkrock-Bands und die Kollegen der „British Invasion“ mit dem klassischen Strophe-Refrain-Strophe-Popsingleformat zufrieden. Unter dem Einfluss östlicher, meist indischer Musik und Spiritualität und Free Jazz-Alben von etwa John Coltrane, Cecil Taylor, Ornette Coleman, Archie Shepp sowie wohl auch bewusstseinserweiternder Drogen suchten sie im Studio nach neuen Ausdrucksformen. Aus den einfachen Songstrukturen wurden komplexe Soundgebilde, die von verzerrten Gitarren und traditionellen indischen Instrumenten wie der Sitar bestimmt wurden. Die Texte waren oft bis zur Unverständlichkeit anspielungsreich, die Songs lösten sich bei Bands wie beispielsweise The Grateful Dead ähnlich wie im Jazz häufig in langen Improvisationen auf.
Ein Soundpionier und Meister der Improvisation war sicherlich JIMI HENDRIX,der seiner Gitarre schon auf dem ersten Album ,yAn. You Experienced“ Klänge entlockte, die man bis dahin in der Popmusik nicht gehört hatte. Der Höhepunkt ist wohl „Purple Haze“ (die „Rare Trax“-Version stammt allerdings vom Soundtrack-Album „The Jimi Hendrix Experience“.) Der Song entstand aus einem Riff, das Manager Chas Chandler seinen Schützling spielen hörte, woraufhin er ihn ermutigte, daraus seine zweite Single – die erste war ein Cover von Dino Valentinis „Hey Joe“ – zu machen. Der Text stammt aus dem Gedicht „Purple Haze – Jesus Saves“, das Jimi angeblich im Drogenrausch schrieb.
Kann man sich auch gut vorstellen, denn der Fluch, der beim Erzähler des Songs eine mentale Schräglage auslöste, könnte durchaus von jener Substanz ausgelöst worden sein, die auch einen gewissen Jack „ins Wunderland“ führte. Jack nämlich ist der drogenbenebelte Freund von Mick Rowley, Sänger der britischen Band THE SMOKE, der „sugar lumps“ isst. Dumm nur, dass Zuckerwürfel zu dieser Zeit vor allem dazu benutzt wurden, um Lysergsäurediäthylamid (LSD) einzunehmen. Die Single „My Friend Jack“ gab’s in den USA dann auch nur unter der Ladentheke, dabei hatte Rowley den Text bereits im Studio entschärft, um nicht in Großbritannien der Zensur zum Opfer zu fallen. Auf der „Rare Trax“ hören wir jetzt aber die ursprüngliche Fassung mit dem Originaltext. Die geänderte Version schaffte es 1967 seltsamerweise nur in Deutschland auf Platz 1 der Single-Charts, so dass auch nur hier das Album , Jt ’s Smoke Time“ erschien.
Keine Ahnung, wer dieser Typ sein soll, den Steve Marriott von den SMALL FACES da getroffen hat. „He makes me feel like no one eise could/ He knows what I want, he’s got what I need/ He’s always there, if I need some sweet“, singt er auf der 1967er Single „Here Come The Nice“. Jedenfalls scheint der Mann eine karitative Ader zu haben. „You know you got to try to meet the man, the man/ This man’s gonna teach you all he can/ Ha! Yau don’t need money, money to open your eyes.“
Eine naiv-surreale Drogenmetaphorik findet man auch in „Hole In My Shoe“ vom TRAFFIC-Debütalbum „Mr. Fantasy“ von 1967. Kaum zu glauben, was für eine Märchenwelt ein Loch im Schuh evozieren kann. Der Song findet sich nur auf der britischen Pressung von „Mr. Fantasy“ – auf der amerikanischen, die zunächst „Heaven Is In Your Mind“ hieß fehlt er, weil Autor Dave Mason zwischenzeitlich die Band verlassen hatte.
Der schottische Songschreiber und Ersatz-Dylan DONOVAN trieb es mit der Bob-Nachahmung so weit, dass es selbst Joan Baez nervte. Doch 1968 hatte er sich anscheinend emanzipiert und lief nicht länger dem Mann mit dem Tambourin hinterher, sondern dem mit der Drehleier: „Hurdy Gurdy Man“ vom gleichnamigen Album ist mystischer Folk mit einer recht harten Gitarre und einem bescheuerten Text.
COUNTRY JOE & THE FISH machten auf „Section 43“ dagegen keine großen Wbrte. Die Band aus San Franzisko nahm das siebenminütige Instrumentalstück erstmals 1966 für eine EP auf, um es dann im nachfolgenden Jahr für das Album „Electric Music For Mind And Body“ noch einmal einzuspielen. Doch auf der „Rare Trax“ gibt’s die überlegene, weil spielfreudigere EP-Version.
Die erste Westküsten-Psychedelic-Rockband, die es zu nationaler Bekanntheit brachte, waren JEFFERSON AIRPLANE. „White Rabbit“ vom 1967er Meisterwerk „Sttnealistic Pittow“ schrieb die kurz zuvor eingestiegene Grace Slick schon, als sie noch bei The Great Society sang. Dass sie zu der Zeit Lewis Carrols „Complete Illustrated Works“ las, hört man der wunderlichen Bilderwelt wohl an.
Es müssen ja nicht immer Bücher sein: Einer der größten musikalischen Momente der 60er Jahre, „Eight Miles High“, wurde vom ersten Flug der BYRDS nach London inspiriert Da Songschreiber Gene Qark aber fand, „eight miles“ klinge besser als „six miles“ (normale Transadantik-Flugehöhe), wurde daraus ein Lehrstück in Psychedelik. Roger McGuinn versucht sich erfolgreich daran, John Coltranes Saxofon auf der Gitarre nachzuahmen. Als 1966 das zugehörige Album „Fifth Dimension “ erschien, war Gene Clark bei den Byrds bereits ausgestiegen. Flugangst. Roky Erickson, der Songschreiber der 13th FLOOR ELEVATORS, war ähnlich labil wie Clark, traute sich aber immerhin in die Acherbahn. „Roller Coaster“ stammt vom 1966er Debüt der Band „The Psychedelic Sounds Of The 13th Floor Elevators“, der Geburtsstunde des Arid Rock mit wahnsinnigen Texten und einem Sound zwischen Nirwana und Garage.
Jetzt verlassen wir die 60er und gehen für den nächsten Song nach Boston ins Jahr 1977. THE REAL KIDS waren mit ihrem drogeninspirierten, popinfizierten Rock’n’Roll die Band der Stunde. Bei aller Punkattitüde hatte ihr selbstbetiteltes Debüt auch psychedelische Momente, wie das elegische ,Just Like Darts“ zeigt Die Mischung aus Rock’n‘ Roll und dem, was man später Punk nannte, hatte wohl niemand besser drauf ab die FLAMING GROOVIES. Dumm nur, dass sie zu Beginn ihrer Karriere 1965 in San Franzisco zwischen all den Hippies musikalisch etwas deplatziert wirkten.
Aber Gitarrist und Chef Cyril Jordan hat, wie er im Begleittext zur Raritätensammlung „Slow Death “ erklärt, immerhin mit der halben Rockgeschichte Drogen konsumiert.
Mit Hippies hatten wohl auch THE VELVET UNDERGROUND nichts am Hut Lou Reed stand für Rock’n’Roll und Nihilismus, John Cale für die Avantgarde, zusammen mit der Nicht-Sängerin Nico und der Nicht-Schlagzeugerin Moe Tucker gab das auf dem 1966er Debüt „The Velvet Underground & Niko“ einen ebenso unerfolgreichen wie für spätere Generationen inspirierenden Gegenentwurf zur Flower Power.
Den Einfluss von the ‚Velvet Underground hörte man bis ins Glasgow der frühen 90er Jahre, denn dort entstand PRIMAL SCREAM „Screamadelica“. Wie hier auf „Loaded“ verband die Band um den Wirrkopf und Ex-The Jesus & Mary Chain-Schlagzeuger Bobbie Gillespie Acid House, Techno und Rave Culture mit BritPop.
Geladen waren beim über sechszehnminütigen „Silly Sally“ (hier gibt’s nur ein Exzerpt) von ihrem 70er Album JustA Poke“wU auch SWEET SMOKE, die das mit dem Hippiesein ernst nahmen und lange ein Kommunenleben in Deutschland führten. Humorig die Warnung auf dem Cover, diese Musik eigne sich nicht zum Kiffen.