Rare Trax
Zum Auftakt der Freiluftsaison: Wir satteln die Pferde und reiten der untergehenden Sonne entgegen, immer gen Westen - von Wichita bis nach Hollywood, der Heimat der singenden Cowboys.
Räumen wir zunächst einmal ein zeitliches Vorurteil aus: Der Cowboy-Song ist kaum älter als der Rock’n’Roll. In unserem kollektiven Bewusstsein scheint der Cowboy aus grauer Vorzeit zu stammen, aus der Zeit des großen Trecks, aus der Zeit von „Bonanza“ und „Wyatt Earp“, tief aus dem 19. Jahrhundert. Sicher, schon damals wurde am Lagerfeuer die Klampfe rausgeholt, doch die musikalische Verklärung fand erst später statt, als nämlich Tin Pan Alley, die Schlagerfabrik im Osten, und Hollywoods Filmindustrie im Westen die Massenwirksamkeit des Kuhhirten entdeckten – und obendrein neue Medien wie die Schallplatte und das Radio den Siegeszug des singenden Cowboys beschleunigten.
Hillbilly-Musik – ihrerseits basierend auf der Folk-Tradition, die Iren, Schotten und Engländer mit nach Amerika gebracht hatten – traf Anfang der 30er Jahre im Südosten der USA auf neue stilistische Impulse, integrierte Jazz aus New Orleans und Folklore aus dem nahen Mexiko, genehmigte sich eine Prise Polka und Gypsy Swing — und avancierte so zu einer neuen Musikmode, die erst in den Vierzigern auf den Namen „Western Swing“ getauft wurde (wohl als Pendant zu Benny Goodmans „King of Swing‘). „Western Swing“ war schnell und tanzbar – und feierte in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg seinen kreativen wie kommerziellen Höhepunkt. Und war mit der musikalischen Apotheose des Cowboys immer untrennbar verbunden.
GENE AUTRY sollte der erfolgreichste aller „singenden Cowboys“ werden. 1932 feierte er mit „Silver Haired Daddy Of Mine“ seinen ersten Mülionenseller, folgte dann schnell dem Ruf aus Hollywood, spielte – zusammen mit seinem Pferd Champion —in zahllosen Filmen und Fernsehserien, hatte gleichzeitig aberbis 1945 eine nicht-enden-wollende Hit-Serie. „Back In The Saddle Again“, mit dem unsere Rare Trax beginnen, stammt aus dem Jahre 1939.
Während Gene Autry als Pilot für Uncle Sam in den Krieg zog, stieg ROY ROGERS in seine Fußstapfen. Rogers, geboren als Leonard Slye in Ohio, zog mit 18 Jahren nach Kalifornien, wo er 1934 die Sons Of The Pioneers gründete. Wie Autry spielte er in über 100 Filmen, hatte seine eigene Radio- und (in den 50er Jahren) Fernsehshow- und mochte auch auf der Leinwand auf“Bullet“ (den Schäferhund) und „Trigger“ (das Pferd) nicht verzichten. Rogers, auch „King of the Cowboys“ genannt, machte seine Frau Dale Evans zur musikalischen Partnerin und „Queen of the West“ und galt seinen Landsleuten bis zu seinem Tod I998alsder archetypische „all American hero“.
„Don’t Fence Me In“ aus dem Jahre 1947 – ein Genre-Klassiker, der von vielen Interpreten gecovert wurde — war auch in textlicher Hinsicht symptomatisch: Der Ruf der Freiheit war das Motto, die Weite der Prairie—und die panische Angst, von den (oft weiblichen) Umständen in seiner Freiheit beschränkt zu werden. Dabei dokumentieren die Streicher im Background, dass der einsame Cowboy längst im gefühligen Mainstream angekommen war.
Die Popularität des Genres zog auch Sänger wie FRANKIE LAME an, der eigentlich im Jazz und Rhythra & Blues zu Hause war, mit seinen „stählernen Stimmbändern“ aber jedem Sattel gerecht wurde. Sein „Rawhide“ war die Erkennungsmelodie der gleichnamigen TV-Serie, die zwischen 1959 und 1966 zu den erfolgreichsten Sendungen des US-Fersehens zählte – und nebenbei die Karriere von Clint Eastwood auf den Wegbrachte.
„Wagon Train“ schaffte es in Amerika sogar auf neun Fernsehjahre, brachte JOHNNY O’NEIL, dem Sänger der TV-Erkennungsmelodie, aber keinen bleibenden Ruhm. Das gleiche Schicksal ereilte SHORTY LONG, der zwar die „Legend Of Wyatt Earp“ besingen durfte, danach aber wieder schnell aus der Schusslinie verschwand.
TEX RITTER, auf unseren „Bare Trax“ mit „Wichita“ vertreten (dem Soundtrack zu einem weiteren „Wyatt Earp“-Film, übrigens mit Sam Peckinpah in einer ersten Nebenrolle), war da aus einem anderen Holz geschnitzt. 1942 wurde der Mann mit dem vollfetten Bariton als erster Countrysänger von Capitol Records unter Vertrag genommen und durfte 1953 auch die Titelmelodie von „High Noon“ singen, die ihm selbst internationalen Ruhm einbringen sollte. Ritter wurde Mitglied der „Grand Ole Opry“ und eine feste Größe in Nashvilles Country-Establishment.
Musikalische Substanz muss man fraglos auch den SONS OF THE PIONEERS attestieren. 1934 von Gene Autry ins Leben gerufen, demonstrierten sie über fünf Jahrzehnte und diverse Besetzungen hinweg ein konstant hohes Niveau, was Vokal-Harmonien und Arrangements betrifft. Songs wie „Tumbling Tumbleweeds“ und „Cool Water“ gehören zum Kanon der amerikanischen Cowboy-Kultur. John Ford engagierte sie in seinem Western „Wagon Master“ für vier Songs, darunter den hier vertretenen Titelsong.
Die doppelte Karriere in Musik und Film strebte auch LORNE GREENE an, ursprünglich ein kanadischer Radiomoderator, der ob seiner kernigen Stimme „The Voice of Canada“ genannt wurde. Als Ponderosa-Patriarch Ben Carrwright präsidierte er nicht nur über eine der erfolgreichsten Serien der Fernsehgeschichte (allein 14 Jahre Laufzeit in den USA), sondern produzierte auch zahlreiche LPs, die noch heute gefragte Sammlerstücke sind. Auf unserer CD „singt“ er die Titelmelodie zu – natürlich – „Bonanza“.
Auch LEE MARVIN war nicht unbedingt zum Singen prädestiniert. In Filmen wie „Der Wilde“ (neben Brando) und „Das dreckige Dutzend“ hatte er sich vor allem als Filmschurke einen Namen gemacht. In „Paint Your Wagon“ spielt er einen singenden Goldgräber—und brummelt dazu den Song „Wandrin‘ Star“, in dem er über das Schicksal des lonesome riders sinniert. Trotz aller vokaler Defizite brachte es „Wandrin‘ Star“ auf Platz 1 der amerikanischen Charts und war weltweit erfolgreich.
Für den weiblichen Cowboy war die Zeit in den 50er Jahren definitiv noch nicht reif, doch zumindest die sehnsuchtsvolle Ode an den heroischen Einzelkämpfer durfte auch eine Frau anstimmen. PEGGY LEE tat das in dem Film .Johnny Guitar“ (1954, mit Joan Crawford) in eindrucksvoller Manier. Die frühere Sängerin der Benny Goodman Band, eigentlich eher in Jazz und Latin zu Hause, brachte eine gesangliche Finesse ins staubige Sujet, die das simple Strickmuster der Cowboy-Musik mit einem Schlag hinter sich ließ.
Mit stimmlichem Talent war ROBERT MITCHUM, ähnlich wie Lee Marvin, ganz sicher nicht gesegnet. Er lehnte es nicht nur ab, seine eigenen Filme zu sehen, sondern sang auch, was man ihm vorsetzte. Trotzdem besitzen seine Aufnahmen – wie hier „Foolish Pride“ von 1947 – eine Gebrochenheit, die sein Image als Macho-Raubein zu konterkarieren scheint. Man gewinnt fast den Eindruck, als gehöre das anfangs so eindimensionale Image des Cowboys bereits der Vergangenheit an.
Den Abschluss unserer „Rare Trax bildet ein Duett. Als solle die Symbiose zwischen Musik und Film noch einmal unterstrichen werden, hören wir zunächst JohnWayne, der in einem Trailer die Vorzüge seiner singenden Co-Stars DEAN MARTIN & RICKY NELSON preist. Der Film ist „Rio Bravo“—und der So ng heißt: „My Ritte, My Pony And Me“. „….and it’s a mighty pretty tune. Thought youll like to hear them.“