~ Rare Trax ~
Mit dem „Beat-Club“ begann in Deutschland die Ära des Musikfernsehens. Wir erinnern mit einer DVD-Edition unserer Serie „Rare Trax“ an die großen Momente.
Am „Beat-Club“ liest man Kultur- und Musikgeschichte ab: Beat wird Hippie, angepasst wird revolutionär, schwarzweiß wird farbig. Zwischen 1965 und 1972 kam nach Bremen, was in der internationalen Musikwelt Rang und Namen hatte. Beim Ansehen der alten Bilder versteht man als Nachgeborener besser, wie es damals wohl gewesen ist – alle anderen überkommt ein wohliger Schauer der Erinnerung. Und dann ist da ja noch Uschi Nerke! Die war eine Schau, genau wie die zusehends experimenteller werdende Lichtshow von Regisseur Mike Leckebusch, der sich ästhetisch am Swinging London orientierte.
Nachdem wir uns vor zwei Jahren im Rahmen einer „Rare-Trax“-DVD mit dem „Beat-Club“-Kanon befasst haben (Hendrix, The Who, Cream, Kinks u. a.), widmen wir diese zweite DVD weniger offensichtlichen, aber trotzdem spannenden Auftritten vor allem der Jahre 1971 und 1972. Sehen Sie sich zum Beispiel Kraftwerk an! So hatte man das nicht in Erinnerung.
01 Alles noch schwarzweiß: traffic spielten im „Beat-Club“ des 9. März 1968 ihre dritte Single „Here We Go Round The Mulberry Bush“. Das Lied ist so simpel und gefällig, weil es als Titelsong für den gleichnamigen Kinofilm von Clive Donner komponiert wurde. Der Soul, der Beat, der Artrock der frühen Jahre, alles in einem Lied.
02 Eric Burdon (kein sehr häufiger Gast im „Beat-Club“) erzählt zum Latin-Jam von einem Männertraum mit sagenhaften Frauen und allerlei rauschhaftem Vergnügen – „Spill The Wine“ ist einer der guten Momente in der nicht immer überzeugenden Diskografie von eric burdon & war. Damals war Burdon ein Sänger mit Autorität, auch wenn die ganz große Karriere vorbei war.
03 In der „Beat-Club“-Ausgabe vom 22. Mai 1971 waren The byrds zum ersten Mal im deutschen Fernsehen zu sehen. 13 Minuten „Eight Miles High“! Der Jazzrock fliegt himmelhoch, man ist ganz benebelt. Vorher hatte die Band das wesentlich gefälligere „Chestnut Mare“ gespielt, in dem McGuinn ein Pferd fängt, das irgendwie gleichzeitig seine Frau ist.
04 In derselben Sendung spielten Michael Rother, Florian Schneider-Essleben und Klaus Dinger alias Kraftwerk ihren hier mehr als elf Minuten langen, auch unter dem Namen „Ruckzuck“ bekannten Jam „Rückstoß-Gondoliere“, ein analoges, psychedelisches Ding aus dem Frühwerk der Elektropioniere. Nach sieben Minuten stoppt der monotone Blues-Jam, es folgen frei assoziierte Geräusche. Immerhin: Die Flöte wird schon durch den Synthesizer verfremdet, das elektronische Spiel beginnt.
05 can hatten im Sommer 1971 ihr drittes Album, „Tago Mago“, gemacht, für viele ist es das konsequenteste der Band. Im „Beat-Club“ vibriert der Krautrock, der Bühnenhintergrund leuchtet in Bonbonfarben. Haare, nackte Oberkörper, ekstatische Soli, dazu der schamanenhafte Gesang von Kenji „Damo“ Suzuki – Can waren angekommen, die internationale Konkurrenz staunte.
06 Kaum sechs Wochen alt war das Super-Glam-Album „Electric Warrior“, als T. rex Ende Oktober 1971 in den „Beat-Club“ kamen. Wie cool und diszipliniert Marc Bolan im Vergleich zu den Hippie- und Krautrock-Kollegen seiner Zeit wirkt! Das Lied „Life’s A Gas“ ist eine kompakte, vernünftige Komposition, die freilich nicht so dick aufträgt wie etwa „Jeepster“ und „Get It On“.
07 Im März 1972 führte Jeff Beck mit seiner zweiten jeff beck group im „Beat-Club“ den instrumentalen Jam „Definitely Maybe“ auf. Der Ton ist mellow und fluffig, Becks Slide-Einwürfe wie üblich königlich, auch wenn es der Performance etwas an Spannung mangelt. Regisseur Leckebusch lässt den Künstler mittels Video-Overdub mit sich selbst spielen, und Cozy Powells riesige Double-Bassdrum ist immer eine Schau.
08 Im Mai 1972 waren grateful dead auf Europatournee und sammelten Aufnahmen für ihr nächstes, im November desselben Jahres erscheinendes Triple-Live-Album „Europe ’72“. Auch das im „Beat-Club“ gespielte „One More Saturday Night“ wird auf diesem Album sein, jedoch in einer anderen Version. Das von Bob Weir verfasste Lied ist ein all american rock’n’roll ohne ausufernden Jam, dafür mit einer fabelhaft harmonierenden Band.
09 Jetzt war es sowieso egal: Der „Beat-Club“ war zum Minderheitenprogramm geworden und sah seinem Ende entgegen. Leckebusch, vom Druck der Quote befreit, zeigte (fast) eine ganze Sendung lang ein exklusiv aufgezeichnetes Konzert von johnny cash. Wir zeigen „A Boy Named Sue“.