~ Rare Trax ~
Ende der Siebziger etablierten The Slits und andere ein Frauenbild im Pop, das die Riot Grrrls später zuspitzten. Davon profitieren die Erbinnen bis heute.
Herausragende Frauen gab es im von Männern dominierten Musikgeschäft schon immer, Sängerinnen und Songschreiberinnen meist, aber auch Instrumentalistinnen. Doch erst Punk und die Do-It-Yourself-Ästhetik der späten Siebziger sorgten für einen Paradigmenwechsel. Nicht nur „Guitar Wankers“, sondern auch Macho-Attitüden galten plötzlich als Auslaufmodell. Girl-Bands wie The Slits, The Raincoats und Malaria etablierten eine neue feminine Musik, die sich das Recht nahm, anders zu klingen
01 Die am 20. Oktober an Krebs verstorbene Ariane Forster, besser bekannt als Ari-Up, war mit ihrer 1976 gegründeten Band the slits eine frühe Ikone der neuen Girl Power. Die schlammverschmierte Nacktheit der Musikerinnen auf dem Cover des Debüts „Cut“ wirkt so natürlich wie die verspielte, von Dub beeinflusste Musik. „Earthbeat“ ist das zentrale Stück des zweiten und letzten Studioalbums der Urbesetzung, „Return Of The Giant Slits“, am Schlagzeug saß Bruce Smith von The Pop Group. Die-se Zusammenstellung ist Ari Up gewidmet.
02 Die beiden Berlinerinnen Gina V. D’Orio und Annika Line Trost lieben als cobra killer exzessive Live-Auftritte und eruptiv krachenden Noise-Pop. „Schneeball in die Fresse“ enthält Samples von Die Prinzen und rüde Gitarrenriffs von Jon Spencer. Auf dem letzten Album „Uppers and Downers“ sind in weiteren Nebenrollen auch Thurston Moore und J Mascis zu hören.
03 „Wenn es nicht den Luxus gegeben hätte, die verkratzte Kopie des ersten Raincoats-Albums aufzulegen, ich hätte vermutlich keinen Frieden gefunden“, schwärmte Kurt Cobain ein Jahr vor seinem Tod. Auf der Neuauflage des Debüts findet sich auch die wunderbare, 1979 von Mayo Thompson und Geoff Travis produzierte erste Single „Fairytale In The Supermarket“.
04 Jolly Goods sind Tanja und Angy Pippi, zwei Schwestern, die aus dem Odenwald nach Berlin geflüchtet sind. Tanja singt und spielt Gitarre, Anja trommelt und singt im Hintergrund. Die rauen Riffs, der stoische Beat und der rotzige Gesang von „Girl Move Away From Here“ erinnern an den Sound der Toe-Rag-Studios, wurden aber von Moses Schneider abgemischt. Momentan arbeiten die Jolly Goods mit Dirk von Lowtzow am zweiten Album.
05 Bettina Köster und Gudrun Gut hatten Bands wie Mania D, Din-A-Testbild und die Ur-Version der Einstürzenden Neubauten bereits hinter sich, als sie 1981 das Quintett malaria gründeten. Mehr noch als „Kaltes klares Wasser“ steht „Your Turn To Run“ für den dunklen Sound der „Mauerstadt“ Berlin. Amerikaner liebten diesen deutschen Expressionismus, was zu einem legendären Auftritt im New Yorker Studio 54 führte.
06 Das Trio au revoir simone lebt in Williamsburg, Brook-lyn und spielt sehr bewusst mit gutbürgerlichen Mädchenbildern, die wirken, als seien sie geradewegs dem Film „Virgin Suicides“ entsprungen. Wie die meisten Songs der Band setzt auch das wehmütige „Trace A Line“ auf analoge Keyboardklänge und zart verletzlichen Gesang.
07 „Mind Your Own Business“, im Original von der frühen Rough-Trade-Band Delta 5, ist ein klares Statement gegen die Sorte Typen, die gerne mal am Eis lecken möchten und sich auch sonst mächtig aufdrängen. Die inzwischen zum Duo geschrumpften chicks on speeed vermeiden in diesem außergewöhnlichen Stück der EP „Eve Future“ die in der Elektronica so beliebten Science-Fiction-Welten.
08 The Ettes sind die weibliche Ausgabe der ultimativen Garagenband: Das mit verfeinerten 60er-Jahre-Zutaten angereicherte „I Can Be Your Lover (But I Can’t Be Your Baby)“ entstand zusammen mit Greg Cartwright, dem großen Zampano hinter Bands wie The Oblivians und Detroit Cobras.
09 Ebony Bones ist in jeder Beziehung ein bunter Vogel. Frisur, Klamotten, Make-Up − alles springt einem ins Gesicht. „The Muzik“ wedelt mit von The Clash ge-klauten Gitarren-Riffs, die Bassline pumpt den Funk von Pig Bag in die Gegenwart, doch der Gesang und die clevere Produktion setzen erfrischend eigene Akzente.
10 Mit dem Netzkunstwerk „Memory Loops − 300 Tonspuren zu Orten des NS-Terrors in München“ machte Michaela Melián zuletzt von sich reden. Sie ist aber auch die Bassistin von F.S.K. und hat drei Soloalben veröffentlicht. Das märchenhafte „Brautlied“ stammt vom Debüt „Baden Baden“ und verbindet zerbrechlich klingende Spieldosen-Folklore mit kraftvollen Electro-Beats.