Diese 50 Serienstars werden immer in unseren Herzen sein
ROLLING STONE hat gewählt: Dies sind die 50 größten Serienstars aller Zeiten.
20. Brit Marling
(The OA)
Die 37-Jährige verantwortet einige der visionärsten Fantasy-Konzepte für Kino („Another Earth“) und Fernsehen. Die zweite Staffel von „The OA“ enthielt derart viele Metaebenen über Leben in verschiedenen Dimensionen, dass selbst Netflix, bekannt dafür, viel Geld für mutige Konzepte auszugeben, den Stecker zog und die Serie absetzte. Ein Jammer! Marling alias OA alias „The Original Angel“ postulierte, dass Glaube tatsächlich Berge versetzen kann: Tote zum Leben zu erwecken sei allein durch körperliche und mentale Übungen möglich, genau wie Zeitreisen. Eine erfrischende Idee von Science-Fiction, die mehr mit Ausdruckstanz als mit Laserpistolen zu tun hatte, mehr mit der genialen Surrealität von David Lynch als mit der Weltraumoper eines George Lucas. SN
19. Benedict Cumberbatch
(Sherlock, Patrick Melrose)
Es soll Menschen geben, die Benedict Cumberbatch schon beim Lachen erwischt haben. Richtig lachend. Herzhaft, laut. Es soll ein Lachen sein, das nichts gemein hat mit diesem hämisch–bösen Grinsen, hochmütigen Lächeln, spöttischen Schmunzeln oder lauthals-höhnischen Verlachen seines Gegenübers, das der Brite immer wieder in „Sherlock“, aber auch in „Patrick Melrose“ so meisterhaft in Szene setzt. Fast immer muss dieser grandiose Schauspieler Kontrollfreaks, Psychopathen oder Schlauberger spielen, dabei wäre Cumberbatch bestimmt auch als Frauenheld in einem Actionkracher, als romantischer Narr in einer Herzschmerz-Schmonzette oder als Witzbold in einer Slapstick-Komödie unwiderstehlich. GR
18. Anna Paquin
(True Blood, The Affair)
Vermutlich bleibt Anna Paquin ein Leben lang in Erinnerung als feinfühlig-eigensinniges Mädchen in Jane Campions Filmwunder „Das Piano“ – dafür erhielt sie mit gerade einmal elf Jahren einen Oscar. Folglich spielte Paquin danach gegen die großen Erwartungen an. Die Befreiung kam mit Alan Balls vertrackter Vampir-Serie „True Blood“ und ihrer Rolle als übersinnlich begabte Serviererin Sookie Stackhouse. Mit cartoonesker Unschuld und zugleich latenter erotischer Energie spielt die in Kanada geborene Neuseeländerin geschickt mit den (durchaus auch schmutzigen) Erwartungen der Zuschauer. In der letzten Staffel von „The Affair“ schlüpft Paquin erneut in die Rolle einer Tochter. Diese forscht hier dem gewaltsamen Tod ihrer Mutter hinterher. MV
17. Hugh Laurie
(Dr. House, Chance)
Wenn es unter Seriendarstellern einen Renaissancemenschen gibt, dann ist es der Brite Hugh Laurie: In Oxford war er Ruderer und Theaterschauspieler, bildete dann mit Stephen Fry ein göttliches Komiker-Duo, er spielt Piano und singt, schreibt Romane – und er war von 2004 bis 2012 Dr. Gregory House, seine Lebensrolle. In 177 Folgen litt er als genialischer Diagnostiker an sich selbst noch mehr als an seinen Patienten, er trug seine Narben mit Würde und vergrub seine Verzweiflung unter Sarkasmus. Kein TV-Arzt war je so kaputt – und so menschlich. In „Veep“, „Night Manager“ und „-Chance“ zeigte Laurie, dass er noch viele andere Seiten hat, und demnächst gibt er in der Scifi-Comedy „Avenue 5“ einen Captain. Aber unser Herz wird immer House gehören. BF
16. Danielle Brooks
(Orange Is The New Black)
Jenji Kohan, die Erfinderin von „Orange Is The New Black“, hat die weiße, schlanke Hauptfigur Piper als das „trojanische Pferd“ ihrer Serie bezeichnet. Um eine Serie, die in einem Frauengefängnis spielt, überhaupt finanziert zu bekommen und um die Geschichten der mehrheitlich nichtweißen Insassinnen erzählen zu können, musste Kohan, sagte sie mal, eine weiße Identifikationsfigur in den Mittelpunkt des Geschehens stellen. Hartnäckig halte sich unter Entscheidungsträgern in Produktionsfirmen nämlich das Ressentiment, Geschichten mit Menschen dunkler Hautfarbe würden vom weißen Massenpublikum nicht angenommen. Kohan pitchte ihr Projekt also als eine Art kuriosen Gefängnis-Erlebnisbericht einer wohlsituierten New Yorkerin. Diese privilegierte Piper, gespielt von Taylor Schilling, wurde jedoch nach der ersten Staffel von der klaren Protagonistin zum einfachen Ensemblemitglied. An Erfolg büßte die Serie natürlich nicht ein – im Gegenteil. Und richtig aufdrehen und brillieren konnten dann Charakterdarstellerinnen wie Danielle Brooks.
Eigentlich nur für zwei Folgen eingeplant, wurde die von Brooks fulminant verkörperte Tasha „Taystee“ Jefferson zum Herzen der gesamten Serie. Taystee taucht gleich zu Beginn des Pilotfilms auf. Piper, das trojanische Pferd, duscht zum ersten Mal im Gefängnis, in der karg gekachelten, kaum Warmwasser spendenden Gefängnisdusche, und Taystee wartet ungeduldig hinter der als Trennwand dienenden Plastikplane darauf, dass sie endlich fertig wird. Schließlich tritt Piper hervor und hält sich ein Handtuch vor die Brust, das Taystee ihr sogleich wegreißt. „Damn, you got some nice titties!“, ruft sie aus. „You got them TV titties.“ (Ein kaum versteckter Verweis Kohans auf die Konventionen von Frauenkörpern in Fernsehproduktionen und darauf, wie diese nun von Schauspielerinnen wie Brooks unterlaufen werden.) Taystee amüsiert sich über die neue Insassin und deren selbst gebastelte Badelatschen. Zwar macht sie keine Anstalten, Piper irgendwie zu helfen, aber immerhin ist sie auch keine Bedrohung, und das ist im Gefängnis viel wert. „Now get the fuck out of the way!“, sagt Taystee, die endlich duschen will, und Brooks zieht die Augenbrauen hoch, macht die runden Augen ganz groß, zu einem maximal vorwurfsvollen, nahezu kindlichen Blick, in dem schon Taystees Essenz liegt: der Überschwang, die Selbstbehauptung, auch die Wärme. Später in der Serie wird Taystee zu einem Symbol für das aktivistische Amerika, für die Kämpfe der Black-Lives-Matter-Bewegung, auch für deren Verzweiflung und Resignation. Dass diese Bedeutungsschwere glaubhaft mit Taystees warmer Lässigkeit zusammengeht, zeugt von Brooks’ Talent und Charisma.
Sie war 23, als die erste „Orange“-Staffel 2013 bei Netflix erschien. Taystee war ihre erste richtige Rolle. Brooks war aus dem amerikanischen Süden, aus South Carolina, nach New York City gezogen, um dort an der renommierten Juilliard School Schauspiel und Gesang zu studieren. Sie hatte eine sehr christliche kleine Gemeinde und ein sehr christliches Elternhaus verlassen, um in der Metropole ihr Glück zu versuchen. Unmittelbar nach dem Studienabschluss sprach sie für die Rolle der Taystee vor. Göttliche Fügung, so glaubt die noch immer gläubige Brooks. Auf Instagram, wo sie, wie viele ihrer „Orange“-Kolleginnen, äußerst aktiv ist, dankt sie dem „Herrn“ für dessen „blessings“. Ihre erste Filmrolle im „Angry Bird Movie“ zählt sie heute wohl eher nicht mehr dazu, sicher aber ihre Rolle als resolute Sofia in der Broadway-Aufführung von „Die Farbe Lila“, für die sie 2016 mit einer Tony-Nominierung bedacht wurde, oder ihre Hauptrolle in der diesjährigen, viel beachteten, von einem rein afroamerikanischen Ensemble gespielten „Viel Lärm um nichts“-Aufführung im Central Park. Um die Hauptfigur Beatrice zu spielen, sagte sie sogar Filmangebote ab: „Ich wollte zeigen, dass nicht nur Emma-Thompson-mäßige Mädchen diese Rolle spielen können, sondern eben auch Danielle-Brooks-mäßige.“
Brooks lebt in Brooklyn, dreht vor allem in New York, hatte in den letzten Jahren Gastauftritte in New-York-Serien wie „Girls“ und „Master Of None“. Ihr nächstes Projekt, wieder eine Netflix-Produktion, dreht sich um eine andere Art „blessing“: „A Little Bit Pregnant“, eine vierteilige Reality-Serie, wird von ihrer kürzlich bekannt gewordenen Schwangerschaft handeln. Offensichtlich weiß man bei Netflix, was man an Brooks hat. Jan Jekal
15. Sandra Oh
(Killing Eve)
Die Mischung aus fassungslosem Staunen und erwartungsvoller Erregung in Sandra Ohs Gesicht kann niemand vergessen, der eine Folge von „Killing Eve“ gesehen hat. In dieser britischen, von Phoebe Waller-Bridge („Fleabag“) geschriebenen Thriller-Groteske kommt Oh als MI5-Agentin immer einen Schritt zu spät, um eine verführerische Auftragsmörderin (Jodie Comer) zu verhaften. „Killing Eve“ ist herrlicher Quatsch, so hanebüchen wie mitreißend. Und es ist ein später schauspielerischer Triumph für Sandra Oh, die sich oft mit Nebenrollen begnügen musste. Ex-Ehemann Alexander Payne besetzte sie für seine Beziehungsposse „Sideways“ (2004). Danach operierte sie sich als Cristina Yang in der Krankenhausserie „Grey’s Anatomy“ zum Erfolg. MG
14. Billy Porter
(American Horror Story, Pose)
Der Zeremonienmeister trägt den sprechenden Namen Pray Tell. Er kündigt die auftretenden Kostümierten bei jenen Bällen an, die von Trans- und Homosexuellen als sehr ernsthafte Konkurrenzen in Stil und -Mode in alten Fabrikhallen veranstaltet werden – jeweils mit einem Motto des Abends, „Militär“ etwa oder „Geschäftsmann“. Pray Tell ruft von seiner Kanzel: „Die Kategorie lautet …“ Verschiedene „Häuser“, Adelsgeschlechtern nachempfunden, treten gegeneinander an. Und dann heißt es: „Pose! Pose! Pose!“ Es gibt eine Jury, aber Pray Tells Revolverschnauze nimmt die Wertungen meistens vorweg. Der Zeremonienmeister ist auch der scharfzüngige Richter über die Schönen und Verkleideten der Nacht, ein Diktator des Geschmacks, der nur nach seinen eigenen Regeln urteilt. Wobei seine Kleidung mindestens so extravagant, flamboyant und glamourös ist wie die der Wettbewerber.
Murphys Serie „Pose“ handelt von der Subkultur im New York der späteren 80er-Jahre, geprägt von Reaganomics und Donald Trump, bedroht von Aids, Armut und Ausgrenzung: Hier träumen alle, die aus der Provinz, aus restriktiven und verständnislosen Familien und oft aus ihrem Körper ausgebrochen sind, von einem anderen Leben in der Devianz. Es geht um Identität, Behauptung, Gruppenzugehörigkeit und die Frage, wie man die Haare so hinbekommt wie Madonna in „Susan, verzweifelt gesucht“. Billy Porter als Pray Tell ist ein schwuler Mann, der in den Ballrooms und Diskotheken alles gesehen hat, dem seine Bühnenpersona zur zweiten (aber nicht einzigen) Identität geworden ist und der in der Gemeinde als Autorität gesucht wird. Sein Rat entgegen allen Anfeindungen ist stets derselbe: „Lebe!“ Pray Tell, HIV-infiziert, folgt dieser Maxime. Aber als er sich noch einmal verliebt, ist der Zampano der Schau ein schüchterner, vorsichtiger, verhemmter Zweifler.
Für seine Darstellung wurde Billy Porter im vergangenen Jahr mit einem Emmy ausgezeichnet. Schon einige Auszeichnungen hatte der Schauspieler und Sänger – 1969 in Pittsburgh geboren – für seine Rollen in Broadway-Musicals bekommen. Porter trat 1991 in „Miss Saigon“ auf, er spielte jeweils einige Jahre in erfolgreichen Inszenierungen von „Grease“ (1994) und „Smokey Joe’s Cafe“ (1995), und seit 2013 gehört er zum Ensemble des Musicals „Kinky Boots“ von Cyndi Lauper und Harvey Fierstein. Abseits des Broadways trat er in „Der Kaufmann von Venedig“ ebenso auf wie in „Hair“ – eine Spanne, die ungefähr die Möglichkeiten von Billy Porters Talent andeutet. Er nahm auch einige Alben mit Musical-Songs auf, darunter die des erstaunlichen „The Soul Of Richard Rodgers“ (2017), und einige eigene Lieder. In Filmen und Serien war er selten zu sehen, etwa in wenigen Episoden von „Law & Order“ – erst 2018 machte er doppelt Furore: einerseits eben in der neuen Serie „Pose“, andererseits in „American Horror Story“, ebenfalls erdacht und inszeniert von Ryan Murphy und Brad Falchuk und schon seit sieben Jahren im Programm.
In der Figur des Pray Tell vereint Porter die Ambivalenz von Anschein und Wesen, von Selbstvertrauen und Selbstzweifeln; er predigt den unsicheren Jüngeren, die um ihre Identität ringen, was er schmerzvoll gelernt hat: dass es eine Ausbildung braucht – und dass der Rückblick nichts nützt. Jeder Tag, sagt Pray Tell, ist zu leben. In einem durchaus herrschaftlichen Loft empfängt der Regent der Feste, der sich auch auf das Schneiderhandwerk versteht und selbst nähen kann, was er bei den Ballroom-Shows präsentiert und bewertet. Er ist Psychologe und Kummerkastenonkel, Ermutiger und Überlebender in einer prekären Welt, Diskriminierung und Enttäuschung ebenso gewohnt wie Neid, Zickerei und Krankheit. Noch im Krankenhaus inszeniert er eine Gesangssause, die Glamour und Rührung an den unwahrscheinlichsten Ort bringt.
Auf der Kanzel des Ballsaals ist Billy Porter ganz in seinem Element: Conférencier und Klatschmaul, Kritiker und Feierbiest, Moderator und Zuchtmeister. Wenn bei einer Show die Polizisten anrücken, weil die vorgeführten historischen Kostüme gerade aus einem Museum gestohlen wurden, so wird auch die Razzia ein Teil des Schauspiels: Sie tragen ja überzeugende Uniformen, Mützen und echte Handschellen. Billy Porter kommentiert begeistert weiter. Entzückend. Arne Willander
13. Phoebe Waller-Bridge
(Fleabag)
Sie stammt aus dem Londoner Stadtteil Ealing, der den britischen Komödien der 50er–Jahre den Namen gab. Mit 27 gründete Phoebe Waller-Bridge eine Theatergruppe, spielte 2011 in „Die Eiserne Lady“ und 2015 in „Broadchurch“, bevor sie „Crashing“ schrieb, sechs Episoden von drastischer und grotesker Situationskomik. Ihre Dialoge sind sogar für englische Verhältnisse schnell, schmutzig und schwer begreiflich. In „Fleabag“ hat sie ihren subversiven Witz noch weiter getrieben: Fleabag macht alles, was man gemeinhin nicht tut, und redet darüber – und dann verdreht sie die Augen und schneidet ein Gesicht. Jetzt überarbeitet Phoebe Waller-Bridge das Drehbuch des nächsten James-Bond-Films – man kann sich also auf bizarre Sprengkraft gefasst machen. AW
12. Bob Odenkirk
(Better Call Saul)
James McGill nennt sich Saul Goodman, weil der Name so vertrauensbildend klingt wie ein tröstendes „It’s all good, man“. Nicht ganz unwichtig, wenn man als Anwalt auch mal die eigenen Klienten über den Tisch zieht. Elf Jahre lang spielt Bob Odenkirk diesen liebenswerten Schurken: zuerst in „Breaking Bad“ und seit dem Ende der Serie im Spin-off „Better Call Saul“. Die Karriere des 57-Jährigen begann in den späten Achtzigern als Autor für „Saturday Night Live“. Später entwickelte Odenkirk mit David Cross die Comedy-Serie „Mr. Show“, in der er auch selbst mitspielte. Nach unzähligen Nebenrollen und Gastauftritten – von „Wayne’s World“ über „Seinfeld“ bis „Fargo“ – fand er 2009 seine wahre Bestimmung im Team von „Breaking Bad“-Showrunner Vince Gilligan. JZ
11. Natasha Lyonne
(Orange Is The New Black)
Als Nicky Nichols verarbeitet sie die Knast-Katastrophen in „Orange Is The New Black“ mit einer eigenwilligen Mischung aus Schlagfertigkeit und Heroin. Auch im Alltag der 40-jährigen New Yorkerin spielten Drogen zeitweise eine große Rolle. Nach ersten Erfolgen in Woody Allens „Everybody Says I Love You“ und „American Pie“ kippte, spritzte und schnüffelte Natasha Lyonne so ziemlich alles. Rufus Wainwright schrieb damals für sie den mitfühlenden Song „Natasha“. Seit „OITNB“ ist sie nicht nur wieder voll da – sie toppt den Erfolg sogar mit der von ihr kreierten und für 13 Emmys nominierten Netflix-Serie „Matrjoschka“: Die wilde Computerspiel-Entwicklerin Nadia erlebt die Nacht ihres 36. Geburtstags immer und immer wieder. Eine hinreißend transzendente Läuterung. JZ