Randy Newman

Lange vor scharfzüngigen Rappern und Standup-Comedians, lange bevor die Welt überhaupt für so viel hinterlistige Häme bereit war, porträtierte Randy Newman in seinen Songs bigotte Heuchler, Rassisten, Sadisten und ähnliche Schleimbeutel. Nun, auf seinem meisterlich desillusionierenden Album „Bad Love“, verschmilzt der 55jährige Mann am Klavier wieder Rock mit bluesigen Shuffles und klassischen Dissonanzen – und stellt uns auch wieder einen wilden Haufen seltsamer Existenzen vor: reiche ältere Gecken, die junge Mädchen umbalzen oder mit leeren Augen im Schatten eines Großbildfernsehers vor sich hindösen, pathologische Lügner, rachsüchtige Ex-Gatten, zerstrittene Paare sowie – in Jm Dead (But I Don’t Know It)“ – Rockstars, die trotz lang überschrittenem Haltbarkeitsdatum unbeirrbar weiter auf die Bühne gehen.

Autobiografische Bezüge sind da keinesfalls ausgeschlossen: „Es ist heute erheblich schwerer für mich, irgendeine Wirkung zu haben – eben weil ich so steinalt bin“, knurrt unser kauziger Rock-Onkel mit einem gespielten Seufzen. „Da haben wir doch Deine Schlagzeile schon: ,Ich bin alt, ich war weg -jetzt bin ich wieder da! Und kein Schwein hört hin‘.“

Dein neues Album heißt „Bad Lore“. Ist das nicht ein weißer Schimmel?

(Lacht) Ach, es gibt schon auch gute Liebe. Aber mit der schlechten kenne ich mich am besten aus, und über sie schreib ich am meisten. 50 Prozent aller Popsongs besingen die Wunder der Liebe, 48 Prozent handeln davon, wie schwer man’s mit ihr hat…

Und die fehlenden zwei Prozent?

Schreibe ich. (Lacht) Halt! Kinderschallplatten sind in den zwei Prozent auch noch dabei. Nein, stimmt gar nicht: Es sind mehr als zwei Prozent, seit es Rap gibt: Die Rapper, zumindest einige, haben der Musik den Humor zurückgegeben. Es gibt wieder mehr Augenzwinkern in den 90ern, mehr Leute, die bereit sind zu sagen: „Naja, 5000 ein toller Hecht bin ich nun auch wieder nicht.“

In „I Miss You“, geschrieben für Deine Ex-Frau, heißt es: „I wanted to write you one before I quit“ Denkst Du denn tatsächlich ans Aufhören?

Ja, ich denk viel drüber nach. War ich wirklich so wie der Bursche in „I’m Dead (But I Don’t Know It)“, würd ich sofort aufhören.

Aber weil Du’s nicht bist…

Wieso soll ich wissen, dass ich es nicht bin? Niemand wird McCartney stecken: „Paule, bei den Beatles warst Du aber besser.“ Oder Stevie Wonder zuflüstern: „Wieso hast Du dich bloß im Schnulzenland verirrt?“ Keiner verlässt freiwillig dieses wundervolle Showbusiness. Ich meine, falls Gary US. Bonds überhaupt noch lebt, spielt er garantiert – und wenn’s die Club-Tour in Alaska ist.

Ist es nicht ein seltsamer Trip, wenn bei den Heimspielen der L.A. Lakers Dein „I Love LA.“ gespielt wird?

Aber hallo. Wenn man in 200 Jahren auf diese Epoche zurückblickt, wird man vermutlich sagen: „Ach ja, damals hat doch der reiche weiße Mann dem reichen schwarzen Mann zugesehen, wie er hin und und her rannte, um einen Ball in ein Netz zu stopfen.“ Das ist wie bei den „Brot & Spielen“ im alten Rom. Aber auf eine gewisse Art kapieren die Leute in L.A. den Song schon. Sonniges Wetter, Autos, schöne Mädchen – es sind diese unschuldigen Vergnügungen, denen wir frönen. Wir sind hier ganz betont ignorant. Uns gefällt das.

Du bist um einen Song für Michael Jackson gebeten worden und hast daraufhin „Every Time It Rains“ geschrieben. Wie bist Du überhaupt zu der großen Ehre gekommen?

Ich hab mich ehrlich gefreut. Hab im Kopf schon die Tantiemen zusammengerechnet – natürlich basierend auf den Verkaufszahlen von „Thriller“. Nein, wenn andere Leute Songs von mir aufnehmen, dann immer von der undefinierbaren Sorte. So wie „I’ll Be Home“ – das kann irgendwie jeder noch ertragen. Aber niemand wagt sich an „Davy The Fat Boy“. Passiert halt selten, das jemand freiwillig einen bad guy verkörpern will. Passiert eigentlich nie. Aber gerade diese Sujets faszinieren mich halt am meisten. Hätte ich beispielsweise Just The Way You Are“ geschrieben statt Billy Joel. hieße es am Schluss garantiert „…you stupid cunt“. Irgendwie wäre es einem Deppen wie mir bestimmt gelungen, den schönen Song zu verschandeln. Wenn mich aber heute jemand um einen Song für Shania Twain bitten würde – ich würde zusagen. Und mir jedes shit -piss -fuck – damn ganz fest verkneifen.

In den 70ern hast Du sechs Alben veröffentlicht, in den 80ern zwei – und in den 90ern gerade mal eines. Fängt der kreative Motor langsam an zu stottern?

Furchtbar. Der Song „My Country“ ist autobiografischer als jeder andere Song von mir. Ich hab tatsächlich einen großen Teil meines Lebens vorm Fernseher verplempert. Geradezu lächerlich! Ich schäme mich dafür. Ich hab mir selber im Weg gestanden. Ein paar Jahre lang nahm ich Kodein, saß am Pool und plauderte mit dem Gärtner.

Du siehst in der Menschheit ja nicht gerade die Krone der Schöpfung. Könnte das auch an Deinen schlechten Augen liegen?

Aber so seh ich die Menschen doch gar nicht! Ich meine, wie viel abgrundtief schlechte Menschen kennst Du? Ich kenn vielleicht drei. Mag sein, dass Menschen mit schlechten Augen Angst vor der Welt haben. Ich etwa hab Angst, zu unbekannten Orten zu fahren, weil ich regelmäßig die Abzweigungen verpasse. Ich brülle andere Autofahrer an und steige schon kampfbereit aus – bis meine Frau sagt: „Es war Dein Fehler.“

Für alle, die von Dir gehört haben, aber Deine Platten noch nicht: Wie würdest Du Deine Botschaft an die Welt zusammenfassen?

Vielleicht: Schluss mit der Gewalt? Hm. Rettet die Eichhörnchen? Nee. Sie heißt nämlich: „Liebt mich, liebt mich, liebt mich.“

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