Rammstein: War Kamerateam von „Compact“ wirklich im Olympiastadion?
Deutungskämpfe und Kontrollverlust im vorpolitischen Raum. Zur Missbrauchscausa kommt nun unverlangter Flankenschutz aus der rechten Ecke
Popmusik und Popkultur im so genannten „vorpolitischen Raum“ ist ein alter Hut. Vom „Street Fighting Man“ der Rolling Stones in den 1968er-Tagen bis hin zu den „Oi“-Skins von Skrewdriver, Rechtsrock in Lederjacken und Neo-Folkern, die Heimat-tümelnd durch feuchte Forste stapfen.
Die politische Debatte um die Brachialo-Ästhetik von Rammstein war zwischenzeitlich verflogen, als Debatten-Gespenst der Nuller-Jahre. Die Kulturkritik einigte sich irgendwo zwischen „Provokation“, „Inszenierungs-Pathos“ und „ironisierender Indifferenz“. Die Band veröffentlichte einen Song namens „Links 2 3 4“, der auch als politische Verortung verstanden werden sollte.
Manche ein arrivierter Autor wie etwa Alexander Gorkow, Theodor-Wolff-Preisträger und Co-Feuilletonchef der „Süddeutschen Zeitung“, avancierte gar zum Rammstein-Fanboy und Herausgeber der Lindemann-Gedichte und Vorwort-Verfasser beim Verlag Kiepenheuer & Witsch; der bekanntlich die Zusammenarbeit nach den Vorwürfen von Vilnius mit dem Sänger-Poet für beendet erklärt hatte.
Nun zieht die aktuelle Rammstein-Debatte, bei der es im Wesentlichen um Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs geht, auch wieder politische Zaungäste an.
Anlässlich einer aktuellen Online-Sendung des Magazins „Compact“ mit Reportage-Beiträgen vom Rammstein-Konzert im Berliner Olympiastadion grummelt es dazu heftig im Pop-Umfeld. „Compact“ wird seit 2020 vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet. „Das Magazin bedient sich revisionistischer, verschwörungstheoretischer und fremdenfeindlicher Motive“ heißt es in einer Meldung vom März 2020. Seit Dezember 2021 lautet die Einschätzung „erwiesen rechtsextrem“.
In der Sendung von Magazin-„Host“ Paul Klemm und Pop-Fachkraft Maximilian Pütz (im Danzig-Shirt) auf dem Online-Kanal von „Compact“ geht es neben den Reportage-Einspielern auch um Deutungen des Deutschland- und Heimat-Begriffs im Ouevre von Rammstein.
Dazu meldet sich via Twitter der emeritierte Berliner Konzertveranstalter Berthold Seliger: „Fällt schwer zu glauben, dass bei einem Konzert dieser Größenordnung Kameraleute mit professionellem Equipment durch die Security kommen würden ohne Akkreditierung. (Beigefügtes Engelchen-Emoji) Würde bei mir nicht mal bei Club-Konzerten klappen …“
Ebenfalls auf Twitter äußert sich dazu ein Mensch namens „Locki Leon“: „Das rechtsextreme Compact Magazin hat gestern bei #Rammstein übrigens auf dem Konzertgelände mit Kamera und Mikrofon Fans interviewt. Laut AGB für die Rammsteinkonzerte der MCT Agentur GmbH ist das Mitführen und Nutzen derartiger Geräte, außer für akkreditierte Presse, untersagt.“
Besagte Fan-Statements wurden in erster Linie auf dem Olympischen Platz vor dem Stadion eingeholt. Die angemahnten Restriktionen gelten erst ab der Kontrollzone an den Kassenhäuschen.
Doch selbst wenn die Rammstein-Agentur keine Presse-Akkreditierungen für „Compact“ erteilt hat, wird deutlich, welche Dimensionen die Debatte um Lindemann, Flake und Co mittlerweile zieht.
Das System „Row Zero“ wird inzwischen nach altbekanntem Muster umgedeutet. Rammstein werden als Opfer einer politisch-korrekten Woke-Blase präsentiert. Falsche Freunde streben nach Deutungshoheit. Eine Debatte auch, welche die Bandmitglieder und ihre Anwalts-Army vielleicht nicht mehr kontrollieren können.