Pop-Tagebuch
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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Radfahren auf dem Mond oder Neo-Psychedelia für die Haarspray-Generation

Eric Pfeil erkundet das Wunderland der 80er-Neo-Psychedelia und bespricht die besten fünf Platten einer vergessenen Ära. Mit dabei: Dukes of Stratosphear und Mercury Rev.

MEAT LOAF IM WELTRAUM

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Zum Schluss noch ein Werk, das mithalf dem schönen Neo-Sixties-Kitsch mit seinen indischen Flöten und Backwards-Tapes ein Ende zu bereiten und die Fenster in Richtung einer psychedelischen Zukunft aufzureißen. Gewiss, es gab auch schon in den Achtzigern Bands, die Psychedelia nicht als Nachstellung der Sechziger begriffen. Spacemen 3 und ihr an Velvet Underground geschulter Dröhn-Minimalismus sind hier etwa zu nennen. Was aber der amerikanische Produzent Dave Fridmann im Jahr 1990 zu veranstalten begann, war krachiger, bunter und irrer als alles, was die Musikwelt bislang gekannt hatte. „Yerself is Steam“ von Mercury Rev (1991) ist das Schwesteralbum der ein Jahr zuvor entstandenen Flaming-Lips-Platte “In A Priest Driven Ambulance“. Auf beiden Platten wird Psychedelia als Feedback-Wall-of-Sound gedeutet. Auch wenn mir persönlich „Priest“ besser gefällt, ist „Steam“ die buntere und beklopptere Platte. Das liegt weniger an Jonathan Donahue, der kurz vor Aufnahmebeginn zu diesem Album bei den Flaming Lips ausgestiegen war. Auch nicht am bereits zitierten Wunder-Producer Fridman, in dessen New Yorker Studio in den nächsten zehn Jahren zahllose epochale Alben entstehen sollten. Es lag vor allem an Sänger David Baker, einem eher ungefestigten Charakter, der bei Konzerten einen Eindruck davon gab, wie es wohl hätte aussehen können, wenn Meat Loaf in einen Kübel Acid gefallen wäre. Der Mann macht keine Gefangenen: Baker lässt auf „Yerself“ die Freakfahne im Wind einer neuen Ära flattern und proklamiert mit theatralischer Burgtheaterstimme fortwährend den wildesten Mumpitz. „Bloody actor“, soll Wayne Coyne mal in einem Interview, auf Baker angesprochen, gesagt haben. Nach anderthalb weiteren Platten mit Mercury Rev war der Irre dann auch weg vom Fenster und Donahue übernahm wieder das Ruder, um die Band auf dem festlichen Jahrzehntalbum „Deserter’s Songs“ klingen zu lassen, als hätte Brian Wilson gemeinsame Sache mit The Band gemacht. Auch Donahue ist ein exzentrischer, wenngleich freundlicher Typ. Ich durfte ihn mal zum Gespräch treffen, dass er indes erst zu eröffnen bereit war, nachdem ihm harter Alkohol gereicht worden war: „No drinks, no talk“ lautete die Devise. Guter Mann.

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So, für heute war’s das mit der Neo-Psychedelia. Mal schauen, vielleicht gibt es ja eines Tages einen zweiten Teil. Kaufen Sie bis dahin alle besprochenen Platten, gründen sie selbst 47 Psychedelic-Bands und werden Sie glücklich.

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