Rachael Yamagata: Herzblut auf Tonspuren
Nach einer Trennung schrieb die Songwriterin Rachael Yamagata wie im Rausch neue Lieder.
Das war jetzt nicht unbedingt zu erwarten von dieser Frau, die da in der ersten Hälfte ihres zweiten Solo-Albums „Elephants“ so beharrlich die Schmerzensamazone gibt und dazu auf dem Cover vermeintlich tiefsinnig an ihrem Freund, dem Baum, lehnt. Auf der Bühne der Hamburger Prinzenbar entpuppt sich Rachael Yamagata jedenfalls auch als patente Ulknudel, die auf Kosten ihrer vier Bandjungs sehr naheliegende Witze, wenn nicht schon: Zoten über den nahen Kiez reißt und das alles auf, nun ja: mörderischen High Heels, die auch eine Leihgabe einer Dame des umliegenden Gewerbes sein könnten…
Andererseits: Zum Darling von Internet-Klatschgrößen wie Perez Hilton avanciert frau ja auch kaum als nur introvertierte Grüblerin, die Empathie sogar für echte Dickhäuter entwickelt und in den Wäldern und Hügeln von Woodstock aus einem Trennungsdrama ihre Songs destilliert. Und zwar nicht weniger als etwa 160 in rund neun einsamen Monaten. „Seitdem habe ich auch keine Zeile mehr geschrieben“, sagt Yamagata am Nachmittag vor der Show und schickt dieses schnelle, gackernde Lachen hinterher. „Ich hab sie rausgehauen wie sie kamen. Aber es waren schon fertige Songs, Demos mit allem Drum und Dran, Piano, Schlagzeug, Streicher.“
Die Spreu vom Weizen konnte sie dabei „nur manchmal“ sofort trennen. „Es kommt oft drauf an, wie sie entstehen. Es braucht einiges, um mich zum Weinen zu bringen. Wenn das passiert, dann weiß ich, dass ich genau das getroffen habe, was ich sagen wollte und sagen musste. Aber manchmal hält man etwas auch nur für brillant, weil es gerade neu ist. Und Songs wie ‚Elephants‘ waren eher eine metaphysische Erfahrung als intellektuelle Überlegung- ich wusste gleich, das ist was Besonderes. Aber ich kann auch zehn Songs über eine Sache schreiben – und dann bleibt nur einer davon hängen.“
Hängen blieben die Songs der 31-jährigen Tochter eines Anwalts japanischer Abstammung aus Arlington, Virginia vom Solo-Start „Happenstance“ (2004) weg nicht zuletzt in überproportional vielen Filmen und TV-Serien. Yamagata zuckt mit den Schultern. „Irgendwie scheinen meine Songs zugleich universell, individuell und visuell genug zu sein, um sich in die Geschichten einzufügen.“
Das Glück mit der ersten Plattenfirma hielt dennoch nicht lange, nachdem Yamagata darauf beharrte, „Elephants“ konsequent in zwei sehr unterschiedlichen (CD-) Akten zu erzählen. „Das war anfangs nicht meine Absicht. Denn ich mag eigentlich keine langen Doppel-Discs. Aber nachdem ich mich selbst erstmal davon überzeugt hatte, musste es das auch wirklich sein. Zum Glück hat RCA mir das Album ohne großen Stress zurückgegeben.“
Wie das Album klingen würde, hätte Yamagata die Ebenen nicht so radikal getrennt, lässt sich heute mit einem schnellen i-Pod-Shuffle beliebig konstruieren. Oder mit dem Kauf der Japan-Version von „Elephants“. Doch möchte die Ryan-Adams-Co-Autorin („Cold Roses“) gern weiter an den Zauber gnadenloser Selbstversenkung glauben. Auch wenn der wohl nur sehr dosiert wirken kann.
„Sie sagen immer, ich soll das nicht sagen. Aber die erste Hälfte ist so düster und introspektiv, dass man sie kaum öfter als einmal im Jahr hören kann. (lacht) Es verlangt dem Hörer viel ab, kann aber eine magische Erfahrung sein. Und das ist mir lieber als beliebige Background-Musik. Funktioniert auch die japanische Version? Klar. Aber die Intensität hat nicht dasselbe Potenzial. Auf der Bühne kann ich damit spielen, es mehr mischen, auf die Stimmung im Raum reagieren. Oder zwischendurch einen Schluck Wein trinken und dabei einen Witz erzählen.“ Man hätte es mindestens ahnen können.
Jörg Feyer