R. E. M.
Der Titel ihres 15. Albums, „Collapse Into Now“, ist wörtlich zu nehmen: Bei R.E.M. zählt nur die Gegenwart. Eine Bestandsaufnahme anhand der neuen Songs – Rück- und Ausblicke inklusive.
„Wir können alles machen – oder nichts!“ R.E.M. über das neue Werk, ihre besten Karriere-Entscheidungen und die ungewisse Zukunft. Seite 50
Fabeln, Hymnen, Zauberlieder. Die 40 größten R.E.M.-Songs. Seite 56
„Wir können alles machen – oder nichts!“
Die Zukunft von R.E.M. ist wieder einmal ungewiss. Es wird keine Tournee zum neuen Album geben, dafür vielleicht das eine oder andere Solowerk. Alles ist offen, also sprechen wir über das, was jetzt zählt: die Musik.
Fotos von Anton Corbijn
Draußen tobt ein Schneesturm, und in der New Yorker Wohnung von Michael Stipe funktioniert die Heizung nicht richtig. Der Sänger kommt zu spät zu den Interviews. Viel Lust zu reden hat er auch nicht. Eigentlich tut er das zurzeit nur für Titelgeschichten, gesteht er gleich zu Beginn freimütig, aber für uns macht er eine Ausnahme. Dankbarkeit erwartet er allerdings nicht. R.E.M. sind nicht arrogant, sie wissen nur ganz genau, was sie wollen – und vor allem: was nicht. Das war schon 1980 so, als sie in Athens, Georgia ihre ersten Songs schrieben, und das ist immer so geblieben. Man kann diese störrische Haltung bewundern oder auch nicht, sie hebt sich auf jeden Fall ab von der heute gängigen Vorstellung, dass Stars jederzeit für alles zur Verfügung stehen müssen.
Nur ein kleines bisschen haben sich R.E.M. gerade an den Zeitgeist angepasst: Ihr neues, 15. Studioalbum „Collapse Into Now“ war zur Hälfte schon vor der Veröffentlichung am 4. März zu hören; etliche Stücke stellte die Band als Videoclip mit dem kompletten Songtext ins Netz. „Wir leaken lieber Einzelnes selbst, als plötzlich das gesamte Album im Internet zu finden“, sagt Bassist Mike Mills. Im besten Fall, denkt Stipe, wächst die Vorfreude bei den Hörern dadurch sogar noch: „Das war keine konzertierte Aktion, aber diese Lieder sind ja sehr unterschiedlich: ein langsamer, ein trauriger, ein atmosphärisch sehr dichter, ein Rock’n’Roll-Song. Eigentlich ist für jeden was dabei, so dass jeder sagen kann: Das sind die R.E.M., die ich mag! Und wenn sie dann das ganze Album hören, werden sie doch noch einige Überraschungen erleben.“
Aufgenommen wurde in New Orleans und Nashville, aber auch in Berlin (ROLLING STONE berichtete im Oktober 2010), wieder mit Jacknife Lee als Produzenten. Kurioserweise konnten sich die Label-Chefs in den USA, England und Deutschland nicht auf eine Vorab-Single einigen, es wurde überall eine andere veröffentlicht. Der Band ist das nicht so wichtig – „solange wir nicht glauben, dass sie einen Fehler machen“, so Mills. Selbst können sie potenzielle Hits kaum erkennen, das haben sie immer wieder feststellen müssen. „Wir sind halt eine Album-Band, die nur zufälligerweise einige Single-Hits hatte. Wir haben keine Ahnung, wie man Hits schreibt.“
Zur Zeit ihrer größten Hits, Anfang der 90er-Jahre, entschieden sich R.E.M., sehr viel Geld auszuschlagen und nicht auf Tournee zu gehen. Ihnen stand einfach nicht der Sinn danach. Und – Fans müssen jetzt stark sein! – diesmal bleiben sie auch lieber zu Hause. Mike Mills setzt ein betrübtes Gesicht auf. „Wir werden nicht touren. Mich macht das traurig, aber die letzte Tournee war anstrengend – 2008 war ein sehr langes Jahr. Momentan wollen wir das nicht. Ich liebe das Touren, und ich wüsste natürlich auch das Geld zu schätzen, aber zurzeit wäre es nicht das Richtige für uns.“ Solche Entscheidungen, ergänzt er, treffen R.E.M. immer zu dritt: Gitarrist Peter Buck, Mills, Stipe. Natürlich sprechen sie auch mit ihrem Manager darüber und mit anderen Vertrauten, aber am Ende kommt es auf die drei an. Und da war besonders einer diesmal nicht bereit. Stipe hat kein Problem damit, sich selbst als Schuldigen zu outen: „Wir haben doch gerade erst getourt. Ich mag einfach nicht. Natürlich haben wir es diskutiert, aber man muss auf seinen Instinkt hören. Wir hatten 2008 viel Spaß, aber zurzeit konzentriere ich mich auf andere Sachen.“
Stipe hat eine originelle Foto-Website – confessionsofamichaelstipe. tumblr.com – ins Leben gerufen, außerdem plant er, zu jedem neuen Song einen kleinen Kunstfilm drehen zu lassen. Damit ist er erst mal gut beschäftigt, findet er. „Wohlgemerkt Filme, nicht Videos! Der erste, für, Mine Smell Like Honey‘, wurde in Berlin aufgenommen, im Treppenhaus des Hansa-Studios. Es sind herrliche Fotografien von Dominic DeJoseph, die dann zusammengeschnitten und so zum Leben erweckt wurden, mit einem wunderbaren Sinn für Humor. Ich habe etliche Künstler kontaktiert. Leute, denen ich vertraue, die den richtigen Instinkt, das richtige Auge, das richtige Herz haben. Ich lasse sie machen und werde dann sehen, was herauskommt. Hoffentlich etwas Wildes und komplett Anderes. Aufregend!“ Wie das Gesamtkunstwerk veröffentlicht wird, muss er noch mit seinen beiden Kollegen besprechen.
Man muss sich keine Sorgen um R.E.M. machen, höchstwahrscheinlich. Es gab bei ihnen schon immer Phasen, in denen sie eine Weile Abstand voneinander nahmen, Mills findet das nur natürlich: „Bei uns ist das wie bei jeder Familie oder bei jeder Beziehung oder bei jedem Unternehmen: Man muss sich immer wieder überlegen, wo man steht. Denn egal wie lange man sich kennt: Chaos passiert, und Entropie gehört dazu, und die Dinge bewegen sich voneinander weg. Also muss man immer wieder zurückfinden und den Fokus suchen. Wir sind drei sehr unterschiedliche Menschen, und wir sind nicht ständig zusammen. Wenn wir nicht arbeiten, leben wir sehr getrennte Leben.“
So sitzt Buck, während Mills und Stipe in New York Interviews geben, schon wieder zu Hause in Seattle. Der Gitarrist arbeitet immer an verschiedenen Projekten (The Minus 5, Tired Pony), gerade hat er außerdem beim neuen Album der Decemberists mitgespielt. Und demnächst wird wohl auch von Mills außerhalb von R.E.M. etwas mehr zu hören sein, wie er ganz nebenbei erzählt. „Mir persönlich macht es immer am meisten Spaß, den Background einzusingen und mit Michael daran zu arbeiten. Ich weiß, dass ich eine tolle Harmonie-Stimme habe, doch ich weiß auch, dass sie für ein ganzes Album vielleicht nicht interessant genug wäre. Aber eines Tages werden wir das herausfinden!“ Werden wir? Auf einem eigenen Album also? „Oh ja, da bin ich ganz sicher. Bisher habe ich nur an R.E.M.-Songs gearbeitet, aber irgendwann werde ich ein Soloalbum machen.“
Und wie sieht die Zukunft für R.E.M. aus? Mills tut gleich gar nicht so, als ob er das wüsste. Es beunruhigt ihn aber auch nicht sehr – die Band hat viele Möglichkeiten. „Wir machen keine Pläne. Jetzt ist erst mal dieses Album fertig. Außerdem läuft unser Plattenvertrag aus. Wir wissen also nicht, wie es weitergeht. Eine seltsame Situation. Das Musikgeschäft, wie wir es kannten, ist gestorben. Wir können alles machen – oder nichts! Eine eigene Plattenfirma gründen? Das ist eine Option. Eine arbeitsintensive freilich. Wir werden sehen.“
Was vorerst bleibt, ist das Jetzt. Und deshalb passt der Albumtitel so perfekt zu R.E.M., dass sogar Stipe davon begeistert ist: „Patti Smith hat die Zeile aus, Blue‘ als Titel vorgeschlagen. Sie hat ihre Arme verschränkt und darauf bestanden. Und weil Albumtitel sowieso immer das Schwerste für R.E.M. sind, haben wir sehr gern auf sie gehört.“ Dass die wichtigste Zeit im Leben immer die Gegenwart ist, gehört seit jeher zu den Grundsätzen der Band – „Collapse Into Now“ darf also durchaus als Statement verstanden werden. R.E.M. haben ihre Songs stets aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, sich nie selbst in den Mittelpunkt gerückt. Und doch erzählen all ihre Alben viel über die Arbeitsweise und Dynamik der Band. Ein Blick auf das Dutzend neue Lieder und ihre Entstehungsgeschichte:
„Discoverer“
Mills: Der Song schließt vielleicht insofern an „Accelerate“ an, als er dreckige, krachende Gitarren hat. Wir fangen gern mit einem Rocker an. Nicht immer, aber oft. Wir wussten ganz früh, dass wir das Album damit beginnen wollen. Die Reihenfolge der Stücke festzulegen war diesmal überraschend leicht.
Stipe: „Up“ war zum Beispiel zu lang, da hätten elf, zwölf Songs auch gereicht. Wir waren damals am Ende der Aufnahmen einfach nicht auf einer Kommunikationsebene, auf der wir das noch besprechen und ändern hätten können, also ist es so passiert, and that was that. Aber diesmal haben wir auf so vielen Ebenen kommuniziert, Mike, Peter und ich, dass klar war, was aufs Album soll und was nicht. Das war gut. Einige tolle Songs haben’s jetzt nicht geschafft, aber egal.
„All The Best“
Mills: Ich weiß komischerweise gar nicht mehr, was wo aufgenommen wurde. Eigentlich wurde fast alles überall aufgenommen – in New Orleans, Berlin und Nashville. Nach Berlin waren wir ziemlich sicher, wie das Album klingen soll. Michael musste aber noch recht viel einsingen, unter anderem dies hier.
„Überlin“
Mills: Wir konnten gar nicht fassen, dass dieses Wortspiel nicht häufiger verwendet wird! Der Protagonist im Song – das ist zumindest meine Deutung – hatte viel Ärger, viele Probleme und geht nach Berlin, um da rauszukommen. Ich kann mich immer noch sehr gut in Menschen hineinversetzen, die normale Jobs haben und mit dem Alltag kämpfen und auf den Abend warten. Ich habe Toiletten geputzt, Pferdeställe ausgemistet, bei McDonalds gearbeitet. I remember the daily grind, genau wie Peter und Michael. Wer das vergisst, hat ein Problem. Außerdem haben wir ja erst recht spät in den 80er-Jahren wirklich Geld mit der Musik verdient – also habe ich von 15 bis fast 30 gearbeitet, auch wenn ich schon in der Band war.
Stipe: Ich wollte eine fast stumpfe Außenseiter-Perspektive darstellen – die Erfahrung eines Typen, der gerade durch eine Stadt läuft, die ganz neu ist für ihn und noch sehr fremd. Ich habe diese beiden Wörter kombiniert, um das auszudrücken. Ich gebe nicht vor, ein Deutscher zu sein oder ein Berliner. Überhaupt nicht. Ich habe nur versucht, die Psyche dieses Außenseiters zu ergründen. Die Stadt könnte auch New York sein. Man kann in jeder dieser großen, großartigen Städte völlig allein sein. Das ist der Typ bis zur letzten Strophe, wenn er jemanden findet und sagt: „Let’s try to make something happen. Tonight. Right now.“
Ich schreibe fiktionale Lebensberichte. Es geht um Gedanken und Gefühle und Ängste, die Menschen haben. Erwartungen und Optimismus und Verlangen. Das ist nicht schwer. Die Leute projizieren immer viel auf öffentliche Figuren und denken vielleicht, dass ich nur mit Eddie Vedder und Patti Smith und Gwyneth Paltrow rumhänge, aber so ist das nicht. Mein Leben ist anders. Ich kenne gar nicht viele Leute, die sich so vom sogenannten normalen Leben abheben. Und selbst diese Leute kommen aus normalen Verhältnissen und sind zufällig und glücklicherweise so berühmt geworden. Aber ich sehe mich nicht so. Ich fahre U-Bahn wie jeder andere auch.
„Oh My Heart“
Mills: Das ist die Fortsetzung von „Houston“. Es ist unser Blick auf New Orleans und wie die Stadt mit der Hurrikan-Katastrophe umgegangen ist und versucht hat, sich zu erholen. „Collapse Into Now“ ist allerdings gar kein politisches Album – vielleicht, weil es momentan weniger Grund zum Wütendsein gibt. Wir haben jetzt einen Präsidenten, den wir mögen, das ist schon mal gut. Natürlich gefällt uns manches nicht, aber insgesamt hat sich die Situation verbessert. Und was man nicht vergessen darf: Selbst die wütendsten Songs hatten bei uns immer eine optimistische Wendung, spätestens am Ende. Wir sind einfach so. Wir hoffen immer, dass sich alles zum Guten wendet.
Stipe: „Accelerate“ wurde während dieses absurden, irrsinnigen Moments in der amerikanischen Geschichte veröffentlicht, als George W. Bush Präsident war. Leider wirkt das immer noch nach, aber trotzdem sind die Zeiten jetzt freudvoller, und dass, obwohl viele Leute es wegen der Depression gerade viel schwerer haben. Aber zumindest haben wir einen Präsidenten, dem man vertrauen kann, der schlau ist und keine Angst hat vor seiner eigenen Intelligenz.
„It Happened Today“
Mills: Eines meiner Lieblingslieder! Es hat so ein kraftvolles Ende: just voices lifted in the joy of singing. Joel Gibb von den Hidden Cameras singt bei der Bridge mit, Eddie Vedder am Ende. Eddie drängt sich nie auf. Aber am Ende hört man ihn doch durch, er singt diesen Chorus so schön, zusammen mit Michael und mir. Er kam in Berlin im Studio vorbei, weil Pearl Jam gerade dort auf Tour waren, und eigentlich wollte er nur zuhören. Er will ja nie der Star der Show sein.
Stipe: Manchmal geht es um den puren Gesang. Da muss einem die Sprache gar nicht in den Weg kommen, es ist einfach purer Gesang. Es wäre aber komisch gewesen, Eddies Stimme zu sehr hervorzuheben. Man soll so was nicht ausnutzen. Die Kraft seiner Stimme vermittelt sich auch noch, wenn sie mit anderen Stimmen gemischt wird. Es geht bei dem Song nicht um Eddie Vedder oder um Michael Stipe, es geht um den Song. Vielleicht enttäuschen wir damit manche Erwartung, aber so ist es viel stärker.
„Every Day Is Yours To Win“
Mills: Ein wunderschöner Song, an dem wir brutal lange gearbeitet haben. Manchmal bin ich einfach ein langsamer Schreiber. Jetzt ist es fast ein Schlaflied geworden, das war gar nicht so geplant. Wir wollten den Song einfach nicht aufgeben. Das passiert manchmal, wenn man sich zu lange mit einem kleinen Stück beschäftigt. Dann jagt man am Ende wie ein Hund seinem eigenen Schwanz hinterher, und es wird gar nichts mehr. Hier haben wir gerade noch die Kurve gekriegt.
„Mine Smell Like Honey“
Mills: Wer hätte gedacht, dass ein Song mit diesem Titel eine Single in den USA werden könnte? Ich habe ehrlich gesagt immer noch keine Ahnung, worum es da geht. Ich denke mir meinen Teil, wie alle anderen Fans. Musikalisch würde ich sagen: So macht man einen Song mit kaskadierenden Chorus-Stimmen, genau so. Und wenn sich ein Song dann nicht nach Arbeit anhört, sondern nach reinem Vergnügen, ist man recht gut in seinem Metier.
Michaels Texte überraschen mich immer. Das ist mit der größte Spaß bei dieser Band: Peter und ich schreiben die Stücke, und dann warten wir ab, was von Michael zurückkommt. Das ist immer spannend. Bei seinen Texten gab es ja niemals die klassischen Pop-Themen: boy dog car girl love. Wir haben den Leuten die Bedeutung niemals auf einem Tablett serviert, es geht ja nicht um Lesestoff für die erste Klasse. Ein bisschen anstrengen darf man sich schon.
„Walk It Back“
Mills: Das habe ich eines Nachts auf einem Piano in meinem Hotelzimmer in New Orleans geschrieben, als ich gerade vom Abendessen zurück war. Wir schreiben ja dauernd, auch wenn wir schon 15 Songs für ein Album zusammenhaben. Manchmal muss man dann um Songs kämpfen, allerdings kann das bei mir auch ein Stück von Peter sein, und umgekehrt. Wenn wir ein Album machen würden, auf dem keines meiner Stücke ist, wäre das ein Problem, aber das ist noch nie passiert. Wir zählen unsere Songs nicht, wir wählen einfach die besten aus.
„Alligator Aviator
Autopilot Antimatter“
Mills: Das ist einfach ein Spaß-Song mit der wunderbaren Peaches. Michael und sie hingen in Berlin zusammen rum, und er fragte, ob er sie ins Studio einladen soll. Hell yeah! Bring sie her, wir mögen Peaches schon lange. Man muss allerdings immer aufpassen, wen man wozu einlädt. Man muss schon recht sicher sein, dass einem gefällt, was sie machen. Und auch, dass man den Song behält, sonst ist die Aufnahme verloren. Lenny Kaye spielt übrigens das Solo in der Bridge.
Sogar Menschen, die R.E.M. sehr gut kennen, übersehen oft unseren Humor. Wir sind eigentlich recht lustige Typen. Aber wir lächeln auf den Fotos nur selten. Wir sind auch selten auf dem Cover zu sehen, außer diesmal. Auf „Around The Sun“ war nur dreimal Michael zu sehen – aber so verschwommen, dass alle dachten, das sind wir drei. Haben wir extra gemacht, um euch zu foppen!
„That Someone Is You“
Mills: A little ditty, das zuerst länger war, dann wurde es immer kürzer, jetzt sind es nicht mal mehr zwei Minuten. Aber egal, wir haben uns noch nie an die Standards gehalten, wie lange ein Song zu sein hat. Wenn die Geschichte in weniger als zwei Minuten erzählt ist, soll das so sein.
„Me, Marlon Brando, Marlon Brando And I“
Mills: Diese Zeile – „the heroes and all their fatal flaws“ – trifft es genau. Ich mag das Wort „heroes“ eigentlich gar nicht, weil es zu oft gebraucht und oft missbraucht wurde. Letztendlich sind alle nur Menschen. In den USA tun wir gern so, als wären wir alle Superhelden. Aber keiner ist perfekt, und all diese Ikonen haben auch ihre schmutzigen, dunklen Geheimnisse, die nur noch nicht bekannt geworden sind.
Ob wir selbst gern bewundert werden? Solange es aus den richtigen Gründen geschieht! Ich finde schon, dass wir sehr bewundernswert sind wegen unserer Musik und der Art, wie wir unsere professionelle Karriere gestaltet haben. Unser Privatleben geht keinen was an, aber was das Geschäft betrifft, da haben wir meiner Meinung nach immer vorbildlich gehandelt. Wenn ich ein Musiker wäre, dann würde ich denken, dass R.E.M. einen guten Weg gefunden haben. So wie die kann man als Musiker gut leben.
Stipe: Es geht um die Fehler, die ein Mensch machen kann, der als Held angesehen wird. Der Song ist ein Gespräch, das ich mit Neil Young hatte. Das gab es nie, ich hab’s mir ausgedacht. Aber ich wollte jemanden haben, den man sich als weisen Menschen vorstellt, und jemanden, der in seiner Arbeit schon mal Marlon Brando erwähnt hat. Und ich hoffe, dass ich beiden mit dem Song Ehre erweise. Aber es geht vor allem um menschliche Fehler. Und um Menschen, die versuchen, etwas zu erreichen, das so unerreichbar ist. Um das Verlangen und den Mut, etwas Unerreichbares trotzdem anzugehen – das ist so entscheidend, und vielleicht steckt darin tatsächlich etwas Heldenhaftes.
Wenn man diese These unbedingt auf uns anwenden will: Wir haben viele Fehler gemacht, aber ich bin sehr stolz darauf, dass wir auch die Fehler selbst gemacht haben. Wir können nur uns selbst die Schuld geben, keinem anderen. Das gehört dazu, wenn man eine öffentliche Figur ist: Man triumphiert öffentlich, und man versagt öffentlich. Wenn man beides selbst verantwortet, ist das etwas Besonderes. Was wir von Anfang an mit aller Kraft angestrebt haben – dass wir alles selbst entscheiden wollen und uns nichts sagen lassen -, das war eigentlich unerreichbar, aber zum Glück haben wir es doch erreicht. (lacht)
„Blue“
Mills: In Berlin dachten wir noch, dass „Blue“ gar nicht aufs Album kommt. Das war kein Song, nur ein bisschen Krach. Dann packte Michael diese Rezitation drauf, und Jacknife Lee fummelte ein bisschen daran herum, und ein Teil von „Discoverer“ wurde eingebaut, und Patti Smith sang in Nashville etwas dazu – und plötzlich war es ein tolles Lied. Das Irre an dem Track ist: Wir haben ihn nur einmal gespielt. Ich hatte ihn vorher gar nicht gehört. Peter sagte: Ich habe hier was, hier sind die Akkorde, mach mal. Und das war’s dann. Das ist uns vorher nur bei „Chorus And The Ring“ von „Reveal“ passiert. Und dass Anfang und Ende zusammenpassen, gab es vorher bei uns noch nie. Man erlebt also immer noch Überraschungen.
Stipe: Eine Art von Endlosschleife gab es schon bei „Fables Of The Reconstruction“ (das auch „Reconstruction Of The Fables“ heißen könnte) – etwas, das weiter und weiter geht … Musikalisch haben wir das noch nie probiert. Aber wenn man Popmusik genauer ansieht, geht es nur um diese Endlosschleife. (kurze Pause) Ich weiß gar nicht, was eine Endlosschleife ist. Vielleicht rede ich von etwas ganz anderem, aber es klingt gut. (Noch eine Pause) Das ist wie bei „I wanna hear the caged bird sing“, diese Zeile, die ich in einen Song eingebaut habe, und von der ich gar nicht wusste, dass es ein Maya-Angelou-Gedicht ist. Welcher Song war es noch mal? Dieser Song, den Thom Yorke liebt. (Er meint „Be Mine“.) Ach ja. Jedenfalls kannte ich das Gedicht gar nicht, aber es passierte einfach so.
Das macht Popmusik doch aus: Es geht nur um Wiederholung. Um einfache Dinge, die immer und immer wieder wiederholt werden. Das ist andererseits auch die Herausforderung: dass man sich nicht dauernd selbst wiederholt. Wir haben alle unsere blinden Flecken, aber das darf kein Grund sein, nicht weiterzumachen. Im Gegenteil: just go right the fuck through it, why not? Let’s just jump in, feet first. Es lohnt sich immer, etwas zu wagen.
Fabeln, Hymnen, Zauberlieder
Der ROLLING STONE hat gewählt: die 40 größten R.E.M.-Songs. Von Birgit Fuß, Max Gösche, Torsten Groß, Joachim Hentschel, Rüdiger Knopf und Arne Willander
Wenn das kein Zeichen für konstante Qualität ist: Bei den 40 liebsten R.E.M.-Songs der ROLLING STONE-Redaktion kommt jedes der bisher 14 Alben der Band mindestens einmal vor. Die meisten (sieben) Lieder stammen vom ewigen Favoriten „Automatic For The People“, doch auch „Murmur“ und „Up“ sind gut vertreten. Mike Mills und Michael Stipe freuten sich jedenfalls über das Ergebnis. „Find The River“ sei eine sehr gute Wahl, befand der Sänger, wenn auch eine ungewöhnliche: „Vielleicht liegt in der Melodie etwas, das die deutsche Seele anspricht? Oder es erinnert an ein Volks- oder Kinderlied?“
01 Find The River
Automatic For The People 1992
Das letzte Stück auf „Automatic“, die Fortsetzung von „Nightswimming“ – und ein Abgesang auf die Kindheit. Stipe beginnt die Reise sanft mit „Hey now, little speedyhead“, die große Stadt wartet. Es sind die letzten Momente der Unschuld, die hier beschrieben werden – ein Sujet, aus dem später ein ganzes Album wurde („Reveal“). Der Sommer als kleine Ewigkeit, die doch enden muss. Die fließende Melodie, der aufmunternde Background-Gesang von Mike Mills – „Find The River“ ist so elegisch wie mitreißend. Keine Ahnung, was ein „bayberry moon“ ist, auch der Gang durch den Duftgarten – „bergamot and vetiver“, später dann „ginger, lemon, indigo/ Coriander stem and rose of hay“ – ist ein Rätsel, aber das Finale versteht jeder, der weiß, wie sich ein Aufbruch anfühlt: „Strength and courage override/ The privileged and weary eyes/ Of river poet search naivete/ Pick up here and chase the ride/ The river empties to the tide/ All of this is coming your way.“ Es gibt kein tröstlicheres Lied.
02 Losing My Religion
Out Of Time 1991
In den 90er-Jahren der wohl am häufigsten von todtraurigen Teenagern an Lagerfeuern missbrauchte Song. Heute hört man ihn in jedem Kaufhaus, in jedem Supermarkt, sogar am Pissoir in der Stammkneipe. Doch beweist all das nur die Unzerstörbarkeit dieser meisterlichen Miniatur. Den Unterschied zum gewöhnlichen Mainstream macht natürlich Stipes gebetsmühlenartiges Lamento: „That’s me in the corner/ That’s me in the spotlight/ Losing my religion“. Dazu erklingt Bucks unverkennbares Mandolinen-Picking. „Losing My Religion“ ist vieles: perfekter Popsong, sehnsuchtsvolle Ballade und unverstelltes Manifest. So formvollendete vier Minuten sind R.E.M. danach nicht wieder gelungen. Aber vielleicht wollen sie auch bloß nicht im Einkaufsradio laufen.
03 Man On The Moon
Automatic For The … 1992
Waren die Amis wirklich auf dem Mond? Ein ganz großer, wüstenpanoramahafter Song über Täuschung, Spiel, Imitation. Die Steel Guitar klingt wie weit entfernt, gibt dem Stück die unwirkliche Note, während Stipe feierlich durch die Weltgeschichte blättert: Petrus, Moses, Darwin. Und Elvis, dessen Stimme er sich ausleiht: „Hey, baby!“ Als er klein war, sah der Sänger den Komödianten Andy Kaufman, wie er im TV auf einem Kinderplattenspieler das „Mighty Mouse“-Lied laufen ließ. Diesem frühen Rock’n’Roll-Moment zollt Stipe hier Tribut: Andy, der lustige Rebell, ist gerade beschäftigt. Er ringt mit Bären. So konkret und rätselhaft zugleich waren R.E.M. selten.
04 Drive
Automatic For The … 1992
Die Single, die das größte Album von R.E.M. eröffnet. Im Jahr nach „Smells Like Teen Spirit“ setzten sie dem Stück von Nirvana eine majestätische Hymne der jugendlichen Orientierungslosigkeit entgegen, von Bucks zirpender Gitarre, dem irisierenden Akkordeon und flirrenden Streichern getragen. Die Anfangszeilen gehören sogar unter Stipes vielen merkwürdigen Formulierungen zum Kryptischsten und Amüsantesten: „Smack, crack, bushwacked/ Tie another one to the racks, baby.“ Dann gönnt er der nächsten Generation eine Bestandsaufnahme von wunderbarem Zynismus: „Hey, kid, rock and roll/ Nobody tells you what do do, baby.“ Der Vers wird dann in „Nobody tells you where to go“ abgewandelt. Der sardonische Witz der elegischen Ballade scheint auch in den anderen Strophen auf: „Maybe you did, maybe you walk/ Maybe you rock around the clock/ Tick-tock. Tick-tock.“ Ein Meisterstück des Defätismus und des Surrealismus.
05 So. Central Rain (I’m Sorry)
Reckoning 1984
Georgia lag unter einer Gewitterglocke, als Peter Buck vom Tourstopp in L.A. aus zu Hause anrufen wollte – die Leitung war tot, schöne Metapher für die Einsamkeit des Unterwegsseins. Das davon inspirierte Stück brachte R.E.M. so nahe an eine Hit-taugliche Single, wie es der Zufall damals selten wollte: Die raffinierte, psycho-folkige Strophe mündet in einen ungeheuer eingängigen Refrain, dessen Slogan für die 7-inch zum Songtitel hinzugefügt wurde, zur leichteren Identifizierung. Wenige Konsumenten merkten es: „So. Central Rain“ kam nur bis Platz 85 der Charts. Fürs Video sang Stipe den Song übrigens neu ein. Er wollte nicht zum Playback mimen.
06 Nightswimming
Automatic For The … 1992
Damals gab es ja noch MTV, und bisweilen lernte man Songs durch Videos kennen. So auch hier: Plötzlich erklangen Mills‘ mächtige Klavierakkorde, die flirrenden Streicher von John Paul Jones, der vor Ergriffenheit heisere Gesang von Michael Stipe. Auf dem Bildschirm: Fragmente der Einsamkeit, die Stipes Ballade über den Verlust der Unschuld trefflich illustrieren. Aus einer Gruppe von Freunden, die einst nach durchfeierter Nacht zusammen schwimmen gingen, war eine der größten Bands der Welt geworden. „These things they go away/ Replaced by everyday“. Atemberaubend.
07 Talk About The Passion
Murmur 1983
Über Leidenschaft zu sprechen, wirkt ja meist eher leidenschaftslos. Nicht so hier: Die eindringliche Hingabe, mit der Stipe über Hunger und Armut singt, wirkt in jeder Sekunde wahrhaftig: „Empty prayer, empty mouths, Talk about the passion/ Not everyone can carry the weight of the world.“ Natürlich gehört der Textdichter durchaus zu jenen, die das Gewicht der Welt bisweilen schultern können. Aber man hörte und spürte eben auch immer, wie sehr ihn die damit einhergehende Last beklemmt. Vielleicht ist es diese Aufrichtigkeit, die die besondere Klasse dieses Mannes ausmacht. Michael Stipe wirkte zu keinem Zeitpunkt seiner Karriere überlebensgroß oder berauscht von der eigenen Bedeutung.
08 You Are The Everything
Green 1988
„Sometimes I feel like I can’t even sing/ I’m very scared for this world, I’m very scared for me/ Eviscerate your memory/ Here’s a scene …“ Und dann entwirft Michael Stipe eine Szene, die so gut wie jeder nachvollziehen kann: wie man als Kind auf dem Autorücksitz hockt, aus dem Fenster guckt und denkt, dass einem die Welt absolut nichts anhaben kann – so auch später zu Hause: „Late spring and you’re drifting off to sleep/ With your teeth in your mouth.“ Hat jemand mal gezählt, wie oft Zähne in Stipes Songtexten vorkommen? Nicht ganz so prominent wie Schwerkraft und Mond oder Furcht und Hoffnung, aber doch erstaunlich häufig – und hier als Zeichen dafür, das alles in Ordnung ist: Zähne noch da, Tod weit weg.
09 It’s The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)
Document 1987
Ist es nicht die ultimative Hedonismuskritik mit hedonistischen Mitteln? Ein bisschen Nonsens, ein bisschen Poesie, ein bisschen Kunst, ein bisschen Punk, dargeboten in diesem irrwitzigen Sprechgesang. Die Trommel kündet einen Marsch an, „that’s great, it starts with an earthquake, birds and snakes, an aeroplane, Lenny Bruce is not afraid“, tönt Stipe. Man kann versuchen, seine kryptische Phrasierung zu entschlüsseln, man kann den Endzeitszenarien viel Bedeutungsschwere beimessen – oder man kann sich einfach der durchgeknallten Partystimmung hingeben. Inzwischen der Rausschmeißer bei R.E.M.-Konzerten.
10 (Don’t Go Back To) Rockville
Reckoning 1984
Auf der Dauertour nach „Murmur“ schwitzte R.E.M.s musikalischer backbone Buck, Mills und Berry neue Songs förmlich aus. „Rockville“, 1980 als Postpunk-Knaller fabriziert, geriet nur deshalb auf „Reckoning“, weil Band-Anwalt Bertis Downs die Nummer so mochte. Text und Musik stammen von Mills, der so Lynda Stipes Freundin Ingrid Schorr überreden wollte, Athens doch nicht zu verlassen. Im Studio bremste die Band ihren alten Heuler ein und versetzte ihn mit einer Portion Countryfolk.
11 Walk Unafraid
Up 1998
Fast stakkatoartig erzählt Stipe die Geschichte eines Außenseiters, der sich nicht geschlagen geben will: „Everyone walks the same/ Expecting me to step/ The narrow path they’ve laid/ They claim to/ Walk unafraid/ I’ll be clumsy instead/ Hold my love me or leave me high …“ Da fanden sich natürlich viele R.E.M.-Fans wieder, denn dies ist ja die Band für die Nerds – für die, deren Frisuren immer schlecht saßen, die in der Schule ausgelacht wurden und doch wussten, dass sie sich nicht zu schämen brauchen. Celebrate the contradiction! R.E.M. gaben den Uncoolen eine Stimme. Sie hatten nur ihr Talent und keine weiteren Rockstarqualitäten, und doch titelte der US-Rolling Stone im Jahre 1989: „America’s hippest band“! Die offizielle Bestätigung, dass man es auch ohne Oberflächlichkeiten schaffen kann.
12 Country Feedback
Out Of Time 1991
Die Vorsätze, die Stipe für „Out Of Time“ hatte, setzte er bei „Country Feedback“ vorbildlich um: 1. Liebeslieder schreiben. 2. Nichts Politisches. 3. Singular statt Plural. „Durch das, we‘ klang immer alles so hymnisch“, befand er. Hier erzählt er nun aus der Pespektive eines verzweifelten Liebhabers, der nicht fassen kann, wie alles so schiefgehen konnte: „We’ve been through fake-a-breakdown/ Self hurt, Plastics, collections/ Self help, self pain, EST, psychics, fuck all/ I was central/ I had control/ I lost my head …“ Wenn er immer wieder „it’s crazy what you could’ve had“ singt und die Stimme vor Verzweilfung fast kippt, zerreißt es einem das Herz. „Country Feedback“ war lange Zeit Stipes liebster R.E.M.-Song, und er ist auch ein klassisches Beispiel für R.E.M.-Pragmatismus: Im Studio hieß das Stück immer nur „Country Feedback“, weil man keinen passenden Titel fand. Am Ende blieb es dann einfach dabei.
13 Maps And Legends
Fables Of The Reconstruction 1985
Die dicht und müde schimmernden Gitarren verleihen dem Song etwas Einlullendes, Schweres. Stipe besuchte damals in Athens gerne Senioren, führte Gespräche, ließ sich bewirten. Ein ehemaliger Erdkundelehrer, der ihm bei den Altennachmittagen oft auf der Orgel vorspielte, soll der Hauptdarsteller des Liedes sein – das der Sänger auf der Bühne aber auch anderen Zeitgenossen widmete. Auf der abenteuerlichen „Fables“-Platte ein eher konventionelles Stück, umso größer der Ohrwurm. Und umso dramatischer der Backgroundgesang von Mills, der wie ein ganzer Kirchenchor klingt.
14 Fall On Me
Lifes Rich Pageant 1986
Nein, kein Hit, es reichte lediglich für US-Platz 94. Dabei besteht die berauschende Hymne selbst den direkten Vergleich mit „Losing“ oder „Everybody Hurts“. Knapp drei Minuten pure Schönheit sind das, beseelt vom Sixties-Gefühl der Byrds und der Mamas & Papas. Und wenn sich Stipes Stimme zum Refrain emporschraubt, wenn Mills seine Gegengesänge sanft einklinkt, dann möchte man den Atem anhalten. Nun, thematisch wäre das nicht nötig, in der nach vielen tief reichenden Metamorphosen aufgenommenen Fassung handelt der Song nun nicht mehr von saurem Regen, sondern indifferent von Unterdrückung und einem Kerl, der Federn und Gewichte vom Schiefen Turm von Pisa schmeißt. Aber in allem Ungefähren entwickelt der Song eine Mut machende Kraft wie kaum ein zweiter.
15 At My Most Beautiful
Up 1998
Eine sonderbare Mischung aus Resignation und Hoffnung durchtränkt diesen außergewöhnlichen Lovesong. Das schleppende Piano, das scheppernde Tamburin, die zögerlichen Beats, der leise Gesang, das sehnsüchtige „Dip-dip-dip-dip“ des Beach-Boys-Chorus‘ – all das klingt wie ein einziges ausgedehntes Seufzen, wie widerwilliger Abschied nach langer Gegenwehr. Dabei erzählt dieser Song doch eine tröstliche, nach vorne weisende Story. Eine emotionale Doppelbödigkeit, die sich aus der Entstehung von „Up“ erklärt. Nach dem Abschied von Bill Berry war den Hinterbliebenen noch unklar, ob der „dreibeinige Hund“ R.E.M. jemals laufen lernen würde.
16 These Days
Lifes Rich Pageant 1986
Eine der ersten unverschämt eingängigen R.E.M.-Hymnen auf dem Album, das Buck später einmal „die Bryan-Adams-Platte von R.E.M.“ nannte. Ein ungerechtes Urteil, denn auf „Lifes Rich Pageant“ war bei allem Pop nichts billig oder anbiedernd, und „These Days“ ist das beste Beispiel dafür. Ein paar Zeilen daraus fassen zusammen, was R.E.M. bis heute ausmacht, auch wenn Stipe das „we“ vielleicht universeller angelegt hatte: „We are young despite the years/ We are concern/ We are hope despite the times.“
17 Everybody Hurts
Automatic For The … 1992
Spätestens für diesen Song hat Stipe die versponnene Lyrik der Frühphase abgelegt, um sich voll und ganz und unironisch der existenziellen Seelenpein zu widmen, der Ausweglosigkeit aus dem Alltag, den Widrigkeiten, mit denen wir alle zu kämpfen haben, und in letzter Konsequenz den Suizidgedanken. Seine Botschaft ist so universell wie zeitlos: „When you’re sure you’ve had enough of this life, well hang on/ Don’t let yourself go, ‚cause everybody cries and everybody hurts sometimes.“ Und wenn dann das Schlagzeug einsetzt und die Streicher anschwellen – wer fühlt sich dann nicht für einen Moment erhaben?
18 Catapult
Murmur 1983
Vielleicht ist „Catapult“ der allerwichtigste R.E.M.-Song überhaupt. Ihr Label IRS wollte bei seinem neuen Act auf Nummer sicher gehen und engagierte den Pop-Produzenten Stephen Hague. Der diagnostizierte rhythmische Unsicherheiten und jagte die Band zur Therapie immer wieder mit Metronom durch „Catapult“, bis vor allem Drummer Berry völlig entnervt war. Die Folge: R.E.M. meuterten, forderten und bekamen „Chronic Town“-Mixer Mitch Easter – und durften die Nummern von „Murmur“ im geheimnisvoll-düsteren Folkrock-Sound aufnehmen, der ihren Ruhm begründen sollte. Ohne klickende Fessel wurde „Catapult“ ein energisch vorgetragener und druckvoll pulsender Track mit wuchtigem Bass und Beat, dem die Ambition der Band anzuhören ist.
19 Electrolite
New Adventures In Hi-Fi 1996
Es dürfte ein Treppenwitz sein, den sich Labelchefs erzählen, wenn sie mal wieder der Meinung sind, eine Band sei nicht massenkompatibel genug: „Electrolite“ ist der charttauglichste Song auf „New Adventures In Hi-Fi“ – und es ist tatsächlich der letzte auf diesem Album, Nummer 14. Nichtsdestotrotz ist er zu einem echten Klassiker gereift. Das klimpernde Piano, Berrys wattenes Schlagwerk, die schwerelosen Geigenharmonien – das zeigt Buck und Mills noch einmal auf dem Höhepunkt ihrer kompositorischen Fähigkeiten. Und Stipe pflegt sein so unnachahmliches melodisches Raunen in wunderbaren Versen. Wer könnte jemals solche Zeilen singen: „Twentieth century go to sleep/ Really deep/ We won’t blink“? Die Antwort kennen auch die schärfsten Kritiker.
20 Driver 8
Fables Of The … 1985
Das klassische Motiv der Züge kommt bei R.E.M. mehr als einmal vor. Bei „Driver 8“ symbolisieren sie wieder einmal die Sehnsucht: „We can reach our destination, but we’re still ways away.“ Man sieht einfache Leute auf ihren Verandas sitzen und dem Southern-Crescent-Zug in der Entfernung lauschen, die große Welt ist da draußen, aber wird man jemals losfahren? Ein Thema, das auf „Fables“ auch bei „Can’t Get There From Here“ und „Maps And Legends“ eine Rolle spielt. Laut Buck das Lied, das mit seinen Akkordfolgen, Melodien und Harmonien damals „quintessential R.E.M.“ war.
21 The Great Beyond
Man On The Moon OST 1999
Neben „Wolves, Lower“ das einzige Stück in unseren Top 40, das nicht von einem regulären Studio-Album stammt. Es erschien 1999 auf dem Soundtrack zu „Man On The Moon“, Milos Formans Film über den Komiker Andy Kaufman – der seinen Titel wiederum dem R.E.M.-Lied entlieh. „The Great Beyond“ ist einer von diesen R.E.M.-Songs, die sich steigern und steigern und fast unerträglich eingängig werden, bis man sie nie wieder aus dem Ohr bekommt. „Das Unmögliche versuchen“, darum geht es, sagt Stipe – und R.E.M. haben das ja mehr als einmal getan.
22 Belong
Out Of Time 1991
Eine beiläufige Szene, hinter der Gewaltiges stecken muss: Die Frau schlägt ihre Zeitung zu, macht das Radio aus. Bleibt ruhig, aber man spürt, wie sie bebt. Sie nimmt ihr Kind auf den Arm, geht zum Fenster, öffnet es. Nicht, um zu springen, betonte Stipe später: Es gehe um Krieg und Freiheit in „Belong“. Und obwohl das ein odd one ist, mit nur zwei Akkorden, einem Beatnik-Gedichtvortrag und einem dreistimmigen Refrain ohne Worte, wird eine zutiefst spannende Geschichte daraus. Der komische Klang der Stimme kommt daher, dass Stipe die Strophen auf einem Walkman in der Garage ihrer Mietunterkunft aufnahm. Im Studio klang’s viel zu eindeutig.
23 Star Me Kitten
Automatic For The … 1992
Unter den dunkel glänzenden Kleinoden von „Automatic For The People“ ist dieses kurze Stück ohne Refrain ein enigmatisches Juwel. Zu einer der traumwandlerischsten Weihnachtsmelodien von Buck und Mills wispert Stipe mit allergrößter Vorsicht und Zärtlichkeit einen verschlüsselten Text: „I’ve changed the locks/ And you can’t have one/ You, you know the other two.“ Metapher für das Verenden der Liebe sind die Bremsen des Autos: „The brakes have worn so thin that you could hear, I hear them screeching through the door from our driveway.“ Haben wir den Verstand verloren? Wird das jemals enden? Schließlich resigniert der Erzähler: „No gasoline/ Just fuck me kitten/ You are wild and I’m in your possession/ Nothing’s free, so fuck me kitten.“ Mancher, der sich Dichter nennt, hat im Leben nicht etwas so Geniales geschrieben.
24 Monty Got A Raw Deal
Automatic For The People 1992
Das schönste Lied, das je über einen Schauspieler geschrieben wurde, erzählt an keiner Stelle die Geschichte von Montgomery Clift, der Marlon Brando und James Dean voranging, 1946 bei „Red River“ dem mächtigen John Wayne die Stirn bot und dessen rechte Gesichtshälfte bei einem Autounfall 1957 fast entstellt wurde, woraufhin er dem Alkohol verfiel, kaum noch Rollen bekam und 1966 im Alter von 46 Jahren starb. Clift war hypersensibel und homosexuell, ein Freund von Elizabeth Taylor, mit der er in „Ein Platz an der Sonne“ (1951) eine denkwürdige und tödliche Liebschaft einging. Bucks spielt auf der Gitarre eingangs ein Memento mori, bevor Stipes Gesang einsetzt: „Monty this seems strange to me/ The movies had that movie thing/ But nonsense has a welcome ring/ And heroes don’t come easy.“ Dann setzen Akkordeon und Schlagzeug ein, die Geheimwaffen auf „Automatic For The People“. Selten gewürdigt, aber ebenbürtig „Kathleen“ von Townes Van Zandt und „River Man“ von Nick Drake.
25 Suspicion
Up 1998
Krise? Welche Krise? Im Studio herrschte wohl eisiges Schweigen, und trotzdem wurden die in Einzelsessions, mit Drum-Maschinen und prähistorischen Analog-Synthies aufgenommenen „Up“-Lieder am Ende keine seelenlosen, sterilen Etüden. Zum Beispiel „Suspicion“. Die watteweichen Beats und die schwebenden elektronischen Sounds in Dauerschleife machen aus der unterschwellig bedrohlichen Obsessionsstory ein hypnotisches musikalisches Mantra. „,Everybody Hurts‘ mit einem Steifen“, urteilt Stipe.
26 Leave
New Adventures In Hi-Fi 1996
Der montröse Song und das Herz von „New Adventures In Hi-Fi“ – wahrlich ein Abenteuer. Nach „E-Bow The Letter“ spielen Orgel und akustische Gitarre ein Präludium, dann ertönen irre Sirenen, die eher nach Computerspiel denn nach Feuerwehr oder Polizei klingen, und Bucks elektrische Gitarre dräut. „Nothing could bring me closer/ Nothing could bring me nearer“, singt Stipe. „Where do I go when the land touches sea? There is my trust in what I believe.“ In alarmistischer, paranoider Schönheit manifestiert sich Stipes Credo, nach dem er sich an die Dinge am liebsten auf seine Weise erinnert und seiner Vorstellungskraft traut. „I’ll dream my dream/ I lost myself in nothing/ The heartache calling me/ Memory, leave, leave, leave.“ Am Ende, sagt Stipe, werden wir sogar aus der Erinnerung treten müssen, denn sie ist es, die uns in Abhängigkeit hält. „I’ve waited for the calling to leave.“ Eine schmerzende Katharsis.
27 Living Well Is The Best Revenge
Accelerate 2008
Das schnelle, kurze, wütende „Accelerate“ beginnt standesgemäß mit einem wuchtigen Rocksong, dessen Titel sich R.E.M. von dem britischen Dichter George Herbert ausgeliehen haben. Angeblich hat es genau 25 Minuten gedauert, bis das Stück aufgenommen war. Peter Buck drischt auf seine Gitarre ein, Bill Rieflin trommelt wie ein Wilder, Stipe spuckt seinen Frust heraus: „It’s only when your poison spins into the life you’d hoped to live/ That suddenly you wake up in a shaking panic – wow!“ Aber nein, Aufgeben ist auch hier keine Option. Das können all die „sad and lost apostles“ machen, der Hauptdarsteller nicht. Er bleibt der Held in seinem Leben, weil er weiß, dass er seine Gegenspieler so am besten ärgern kann: einfach ignorieren und sich trotzdem ein schönes Leben machen. The future’s ours.
28 Let Me In
Monster 1994
Man mag nicht darüber nachdenken, was hätte entstehen können. Kurt Cobain, größter Bewunderer von R.E.M., hatte mit Stipe ein gemeinsames, eher akustisches Musik-Projekt in Planung, bevor er sich im April 1994 die Pumpgun in den Mund schob. Dieser Schuss löschte alles aus. „Monster“, R.E.M.s krachendes Album über Tod und Vergänglichkeit, war zu diesem Zeitpunkt fast fertig. „Let Me In“ ist Stipes Tribut an seinen Freund, ein bedrückender, dröhnender Monolith. Nur eine schwer hallende Gitarre, Tamburin, etwas Keys und diese heulende Stimme.
29 Leaving New York
Around The Sun 2004
„Leaving New York, never easy“: einer der zarteren Momente des „deutlich“ gewordenen Stipe. Drei Jahre nach dem Anschlag auf das World Trade Center denkt er an all die Abschiede aus der Stadt, die den Jugendlichen aus Athens einst rettete, indem sie ihm Patti Smith und Tom Verlaine, die Ramones und Robert Mapplethorpe brachte. Die ersten Zeilen gehören zu Stipes erstaunlichsten Sentenzen: „It’s quiet now/ And what it brings/ Is everything/ Comes calling back/ A brilliant night/ I’m still awake.“ Als Single hatte „Leaving New York“ nicht den verdienten Erfolg, und „Around The Sun“ – ein zauberisches Werk voll blühender Melodien und blutender Empathie – wird noch immer unterschätzt.
30 Daysleeper
Up 1998
In der Verarbeitung von Schlaf- und Traumerlebnissen war Stipe schon immer ein Meister. Das Video zu „Daysleeper“ ist ein einziges rapid eye movement. Heute schwer vorstellbar, war der Song 1998 sogar ein kleiner Hit. Viel las man damals über writer’s block, dem Trio fiel angeblich nichts mehr ein. Buck und Mills experimentierten in ihrer Not mit teils ungewöhnlichen Arrangements. So ist „Daysleeper“ ein aus ingeniösen Versatzstücken bestehendes Kleinod, das trotzdem als homogener Song funktioniert. Das Verschachtelte, Verkantete spiegelt sich in Stipes Lyrik – und er singt er mit hingebungsvoller Schläfrigkeit, ohne jeden Manierismus.
31 Radio Free Europe
Murmur 1983
Am 10.6.1983 gaben R.E.M. ihr TV-Debüt bei Letterman. „Murmur“ hatte für Aufregung gesorgt, führte landauf, landab die Bestenlisten an – ein Traumstart. Und nun also ein Auftritt in der wichtigsten TV-Show des Landes mit der ersten R.E.M.-Single überhaupt, „Radio Free Europe“: Stipe als wuscheliger Lockenkopf, selbstvergessen und mit geschlossenen Augen, während Buck und Mills mit ihren staksigen Ausfallschritten durchaus noch als schlacksige New-Wave-Coverboys durchgegangen wären. Die Band wirkte kraftvoll, bis in die Fingerspitzen motiviert – und ziemlich aufgeregt. Dass der Text wenig Sinn ergibt, hat Stipe später selbst zugegeben. Very American underground.
32 Life And How To Live It
Fables Of The Reconstruction 1985
Auf den frühen R.E.M.-Alben tummeln sich die wunderbarsten Weirdos, wie sie in klassischen Südstaaten-Geschichten gern vorkommen. Neben „Old Man Kensey“, „Wendell Gee“ und „Oddfellows Local 151“ ist Brivs Mekis einer der erstaunlichsten Charaktere im R.E.M.-Universum: Der offensichtlich schizophrene Schriftsteller aus Georgia hatte sein Haus in zwei unterschiedliche, jeweils komplett ausgestattete Hälften aufgeteilt, sodass er je nach Stimmung in der wohnen konnte, die ihm gerade gefiel. Nach Mekis‘ Tod fand man in seinem Haus tatsächlich ein wirres Manuskript mit dem Titel „Life: How To Live“.
33 King Of Comedy
Monster 1994
Der am meisten unterschätzte Song auf dem am meisten unterschätzten Album. Kopfhörer auf und sich einfach einlassen auf dieses grimmig geifernde Biest. Der Sänger klingt technoid wie nie zuvor, Mills bedient einen Bass-Synthesizer, und ansonsten haben die Maschinen klar die Macht. „Yes, I’m Fucking With You“ sollte die Nummer zuerst heißen. Mit beißendem Sarkasmus wehrt sich „Spaßvogel“ Stipe gegen die zugemutete Verbindlichkeit sexueller Identitäten („I’m straight, I’m queer, I’m bi“) und mediale Aneignungen („I’m not commodity“). Peter Buck mag „King“ nicht.
34 E-Bow The Letter
New Adventures In Hi-Fi 1996
Die Band, gerade von Warner mit einem bis dahin beispiellosen 80-Millionen-Dollar-Vertrag ausgestattet, bestand auf die seltsam elegische Folk-Ballade als erste Single aus „New Adventures“. In Charts-Kategorien gedacht, fiel die vom Cello-artigen Gitarrendröhnen des E-Bogens, eines eher obskuren Artrock-Requisits, eingeleitete Nummer dann durch. Dennoch bereitete sie dem Album prächtig den Boden. Patti Smith, Stipes und Bucks Heldin, gab dem Song mit ihren gelassenen und geerdeten Vocals besondere emotionale Intensität.
35 The Outsiders
Around The Sun 2004
Die USA in einem fragwürdigen Krieg, eine Regierung mit skrupellos partikularen Interessen – und ein noch wie benommen schweigendes Volk. „The outsiders are gathering, a new day is born“ und „I am not afraid“ schleudern Michael Stipe und Gast-Rapper Q-Tip (A Tribe Called Quest) Präsident Bush am Ende seiner ersten Amtszeit entgegen. Der Song lebt mit softem TripHop-Puls, langsam, unaggressiv, aber zugleich unbeirrbar und unaufhaltsam, zärtlich und entschlossen.
36 World Leader Pretend
Green 1988
Das erste – und weitere zehn Jahre lang einzige – Lied, zu dem R.E.M. den Text im Booklet abdrucken ließen. Es geht hier nicht um Machtfantasien, sondern um den Wunsch, wieder mit der Außenwelt in Kontakt zu treten – die Mauern (eine weitere Lieblingsmetapher von Stipe) einzureißen und die Freiheit zu nutzen: „This is my world/ And I am world leader pretend/ This is my life/ And this is my time… / I raised the walls, and I will be the one to knock it down!“ Nach der ersten Gesangsaufnahme weigerte sich Stipe zum Leidwesen von Produzent Scott Litt, eine weitere zu machen. Er hatte schon alles in den Song gelegt, was er zu geben hatte. Mills war zunächst enttäuscht, dass seine Melodie mit diesem schwierigen Text wohl kein Pop-Hit werden würde, fand dann aber doch, dass das Ergebnis gut war – „nur anders“. Wie immer eben.
37 Wolves, Lower
Chronic Town EP 1982
Wie sehr wünscht man sich, dabei gewesen zu sein. Die „Chronic Town“-EP schon im August 1982 aus dem Stapel gezogen zu haben und vom Sound von „Wolves, Lower“ bezirzt und verstört worden zu sein. Wölfe stehen vor der Tür, Jangle-Punk, die Band klingt ungeduldig. Der Song musste zweimal produziert werden. Beim ersten Mal wurde er zu schnell.
38 Disturbance At The Heron House
Document 1987
Damals nannte Stipe „Disturbance“ den „politischsten Song, den ich je geschrieben habe“. Tatsächlich klangen R.E.M. selten so resigniert wie bei dieser Orwell-artigen Fabel. Die Revolution der Tiere beginnt verheißungsvoll – und dann geht doch wieder alles schief: „When feeding time has come and gone/ They’ll lose their heart and head for home/ Try to tell us something we don’t know.“ Wenn Stipe und Mills am Ende gemeinsam „everyone allowed“ singen, wirkt das wie blanker Hohn – ein Sarkasmus, den sich R.E.M. nicht oft erlaubten. Die Melodie klingt außerdem ein bisschen wie „Gardening At Night“ in langsam, aber das macht ja nichts.
39 Perfect Circle
Murmur 1983
Der Zauber des Anfangs liegt hier darin, dass Bill Berry und Mike Mills gleichzeitig zwei unterschiedliche Klaviere spielen. Die Melodie hatte Berry auf dem Keyboard entworfen, das Thema stammt allerdings von Peter Buck, der sich von Stipe einen Text über Jugendfreunde wünschte. Mit wenigen Worten evoziert der Sänger ein Gefühl von Geborgenheit – das jedoch schon in der ersten Zeile aufgekündigt wird: „Put your hair back, we get to leave …“ Was bleibt, ist Sehnsucht.
40 I’ll Take The Rain
Reveal 2001
Dieser kontemplative Herbst- und Wintersong sollte das Sommeralbum „Reveal“ beschließen, am Ende bekam „Beachball“ den Vorzug. Dabei hätte „I’ll Take The Rain“ den Hörer mit einer wunderbar ermutigenden Umarmung in die Kälte verabschiedet. Die akustische Gitarre taucht in sanftes Keyboard-Flirren ein, der Bass pocht, und über allem verspricht der Sänger, es zu nehmen, wie es kommt, wenn es denn anders nicht geht.