R.E.M.

KÖLN, RONCALUPLATZ

Manche Dinge sind so schön, dass man kaum Worte dafür findet. „Wow, that’s a pretty big church“, stammelt Michael Stipe angesichts des Kölner Doms. „A beautiful monument“ fiel ihm später noch dazu ein, und dass er glücklich sei, daneben und vor 70 000 „beautiful people“ spielen zu dürfen. Die hübschen Leute waren ob des kostenlosen Konzerts von R.E.M. ihrerseits genauso sprachlos. Selten sah man so viele Menschen lächeln wie nach diesen 90 Minuten. Dass R.E.M. glücklich machen können, wusste man. Dass sie solche Massen dermaßen euphorisieren können, ist schon ein bisschen überraschend, auch für das Trio selbst. Es muss an Stipe liegen. Musikalisch war die Band ja schon immer über jeden Zweifel erhaben, aber früher war es bisweilen doch quälend, dem Sänger zuzusehen – wie er sich hinter dem Mikro verstecken wollte, widerwillig ein paar Sätze nuschelte und dem Publikum gerne auch mal den Rücken zudrehte. Und jetzt das: Stipe tanzt die ganze Zeit, er lächelt und breitet die Arme aus. Vor „Walk Unafraid“ sagt er: „Ich schaue euch an und sehe mich selbst in euch.“ Kein Ironie. Es stimmt ja. In dem Song geht es schließlich darum, dass man auch als Tolpatsch gut durchs Leben kommen kann, dass Anderssein okay ist und Widersprüche nicht Negatives sind. R.E.M. haben uns gezeigt, dass man unglaublich uncool sein kann und doch erfolgreich. Dafür werden sie geliebt – und weil sie sich so un-amerikanisch alle Jahre wieder für ihren Präsidenten entschuldigen.

„Wir sind froh, aus den politisch widerwärtigen USA raus zu sein“, betont Stipe, Mike Mills und Peter Bück nicken heftig. Viel mehr Aktion sieht man von den beiden und ihren drei Begleitmusikern an diesem Abend nicht. Stipe hat sich an seine Rolle als Frontmann gewöhnt, er braucht keine visuelle Unterstützung mehr. Mills muss sich nicht mehr in glitzernde Anzüge zwängen, Bück wechselt seine Lieblingsposition nur äußerst selten. Es stört niemanden.

Ein schlauer Mensch hat die Stimme extrem in den Vordergrund gemischt, weil der Rest-Sound nicht so einwandfrei klingt wie bei normalen Konzerten. Und Stipe singt um sein Leben, bei „Find The River“ oder „At My Most Beautiful“, beim fast antiken „Cuyahoga“ oder der jüngsten Hymne „TU Take The Rain“. Die sechs Songs vom neuen Album Jleveal“ werden so begeistert aufgenommen wie die 13 anderen. Nach einem irrwitzig schnell gespielten „It’s The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine)“ ist Schluss. „Danke sehr und schlaft gut“, sagt Stipe auf deutsch. Wie soll man schlafen, nach so einem Erlebnis.

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