40 Jahre „The Works“ von Queen: Superstars im Oma-Fummel
Mit Mega-Hits wie „Radio Gaga“ und „I Want To Break Free“ läuteten Queen ihre Stadion-Ära ein.
Mühelos 70.000 Menschen und mehr in Ekstase zu versetzen, das ist ein Bild, das von Queen auch über den Tod von Freddie Mercury hinaus geblieben ist. Ohne die eigene Wiederbelebung durch einen die Errungenschaften der 80er-Produktionsprotzereien einverleibenden Vintage-Sound wäre dies aber wohl nicht gelungen. Dafür sorgte „The Works“, am 27. Februar 1984 erschienen und ausgestattet lediglich mit neun Songs, die aber allesamt zu Singles und B-Sides wurden.
Recht eigentlich wäre der Erfolg von Live Aid, mit dem die Band nur ein Jahr später allen anderen Teilnehmern die Show stahl, ohne das Gerüst dieser erneut von Reinhold Mack in München produzierten, aber zu großen Teilen in den USA aufgenommenen Back-To-Rock-Platte gar nicht möglich gewesen. Und das liegt nicht daran, dass mit „Radio Gaga“ und „Hammer To Fall“ später lässig die Massen zum Mitklatschen gebracht werden konnten, sondern weil sich Queen mit infektiösen Smashern wie „I Want To Break Free“, schroffen ACDC-Rockern („Tear It Up“) und einer Rückkehr zu den Power-Balladen alten Stils wie „It’s A Hard Life“ auf ihre Stärken besannen.
Queen wollten Superstars sein (und zeigten es auch)
Das war auch nötig. Das Funk-Disco-Trauerspiel „Hot Space“ mag zwar heute vergeben sein, damals mäkelten aber nicht nur die Kritiker, auch viele Fans wollten sich nicht mit der smoothen Seite der Gruppe abfinden oder fanden die Hinwendung zum damaligen Mainstream unglaubwürdig. Dass dennoch selbst das mittelprächtigste Queen-Album noch Perlen wie „Under Pressure“ hervorbrachte, festigte den Ruf, zurecht ein Teil der Titanen-Gruppen-Liga zu sein, auch wenn die Konkurrenz mit U2 und The Police immer größer wurde und „The Works“ auch zuweilen die Sehnsucht nach der Wundertütenzeit der 70er nicht verhehlen kann.
Der amerikanische ROLLING STONE urteilte dann auch prompt, das Album sei so etwas wie das „Led Zeppelin II“ der 80er. Häme von Seiten der Pop-Kritik begleiteten Queen aber sowieso seit ihrem Debüt. Doch diese überraschend kurze Platte (gerade einmal 37 Minuten) markierte auch eine gleichsam selbstironische wie selbstbewusste Metamorphose zu einem nicht angreifbaren Superstar-Modus. Freddie Mercury wandelte sich vom quecksilbrigen Leader einer von Pomp getriebenen Hard-Rock-Formation, die nie so recht einen einheitlichen Stil fand, dafür aber immer genügend Flashlights setzen konnte, zu einem Dirigenten der Massen.
Das von „Metropolis“-Aufnahmen und Leni-Riefenstahl-Ästhetik angetriebene Video zu „Radio Gaga“ verdeutlichte dies souverän. Die sentimentale Kritik an der heraufziehenden MTV-Ära wurde aber schon dadurch untergraben, dass Queen gleich mit zwei Videoclips ein Millionenpublikum fanden – wenngleich die „Coronation Street“-Parodie von „I Want To Break Free“ in Stockings und mit queerem Muttchen-Style später dafür verantwortlich gemacht wurde, dass die Briten in den USA an Boden verloren. In der Tat verkaufte sich die Platte dort so schlecht wie keine zuvor.
Es blieb ein Makel, der Queen egal sein konnte. Wohl auch, dass ihr frivoler Umgang mit schwulen Codes von vielen nicht verstanden wurde. Bei einem Auftritt in Rio, einem ihrer größten und legendärsten überhaupt, kam es wegen der Travestie-Klamotte auf der Bühne sogar fast zu einem Mini-Aufstand. Mercury hatte seine Sexualität aber auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht öffentlich klargestellt.
Oper im Mixer mit Eurodisco-Flair und ACDC-Wucht
Als ideologisches Kraftzentrum von „The Works“ gerierte sich indes ein symbolischer Kampf der Menschen gegen Maschinen (oder: Queen gegen den Fortschritt), überdeutlich gemacht in der indiosynkratischen Collage „Machines (Or Back To Human)“, bei der die ganze Palette der 80er-Studiotechnik angewandt wurde und in der die von der Band mutig angestrebte, aber doch etwas faulig anmutende Symbiose zwischen Kraftwerk und Rockabilly-Pastiche so deutlich aufgeht, dass man lieber nicht zu lange zuhören mag.
Klangexperimente dieser Art, die auch einmal das Single-Kostüm abstreifen, fanden sich ja noch fast auf jeder Queen-LP, wie etwa der „Prophet’s Song“ auf „A Night At The Opera“. Aber hier muss sich niemand trotz Robo-Filters und üblem Vocoder schämen. Ein wenig aber dann doch für die heute vielleicht als Mental-Health-Nummer durchgehenden Plattitüden von „Keep Passing The Open Windows“. Queen sind Kümmerer, sie geben ihren Hörern eine Anleitung, wie man trotz Trübsal weitermacht. Entweder mit unbekümmertem Headbanging wie in „Hammer To Fall“ oder mit dem Hinweis darauf, dass sich jemand um Mutter Erde kümmern möge, bevor sie von all den Zynikern und Superreichen zerstört wird („Is This The World We Created…?“, natürlich schon die weise Voraussicht auf „We Are The World“).
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Queen haben sich mit „The Works“ neu erfunden, ohne dass sie sich dafür zur Decke strecken brauchten. Sie schrieben dafür einfach manche ihrer Songs noch einmal („Man On The Prowl“/„Crazy Little Thing Called Love“) und Freddie Mercury erhitzte seine Vorliebe für Opern-Fantastereien mit Eurodisco-Brimborium. Nicht alles sitzt, wenn man sich die Platte heute noch einmal mit offenen Ohren und ohne Fokus auf die ewigen Hits anhört. Aber trotz all der Bemühungen um die große Geste, das Versöhnen der künstlerischen Exzesse des Vorjahrzehnts mit den Herausforderungen der angstumspannten Thatcher-Ära, gelang vieles, weil die Band die Details nicht außer acht ließ.
Und sei es nur, dass John Deacon für sein von ihm geschriebenes „I Want To Break Free“ darauf bestand, dass Brian May sein Gitarrensolo für die Konzertversion des Stücks aufheben sollte, um für den Studio-Job lieber mal den früher verpönten Synthesizer ranzulassen.
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