A Kind Of Live Magic: Das sind die besten Live-Alben von Queen
Von „Live At The Rainbow“ bis „Return Of The Champions“ – alle Live-Platten von Queen im Ranking und bewertet.
Es ist kein Geheimnis, dass Queen erst auf der Bühne zu Höchstform aufliefen. Das vielleicht etwas zu ausgiebig gefeierte Biopic „Bohemian Rhapsody“ verfestigte diesen Eindruck, in dem es den spektakulären Auftritt bei „Live Aid“ im Jahr 1985 – Freddie Mercury und Co. stahlen in nur 20 Minuten allen übrigen Teilnehmern die Show – zum großen Rock-Orgasmus und zur Wiedergeburt einer nun erneut verschworenen Einheit ans Ende stellte.
In der Tat: Im Vergleich zu den Überraschungstüten, die selbst die besten LPs der britischen Band stets gewesen waren (nach „Queen II“ enthielt eigentlich jede Aufnahme mindestens einen Mega-Hit, aber eben auch zuverlässig einen Füller), gab es bei Queen-Konzerten eigentlich keinen Moment zum Luftholen. Ein Highlight jagte das nächste. Die Musiker wussten, welches Material live funktionierte. Zugleich entfaltete die Power Mercurys, später auch in großen Arenen, einen Sog, der schwer zu beschreiben ist und sich dann doch sehr stark von jener auf den Studioplatten unterscheidet.
Obwohl das Werk an Live-Platten Queens noch immer vergleichsweise überschaubar ist, was vor allem Anhänger des 70er-Materials der Band auf die Palme treibt, gibt es auf Scheibe einen starken Eindruck von dem, welches Rock-Feuerwerk Mercury, May, Taylor und Deacon in der Halle oder unter freiem Himmel zu zünden in der Lage waren.
Alle Live-Alben von Queen bewertet und im Ranking
9. Return Of The Champions ★★
Man kann zur ersten Rentner-Rückkehr von Queen stehen, wie man möchte. Paul Rodgers ist eine kraftprotzende Blues-Maschine, seine Stimme gräbt so sehr in die virilste Tiefe wie Mercury in seinen letzten Jahren in die Opern-Höhe. Das Programm, aufgezeichnet in der Hallam FM Arena in Sheffield am 9. Mai 2005, ist natürlich ein Nummer-Sicher-Set mit vielen Gitarren-Kolossen („Hammer To Fall“, „I Want It All“) und ausgewählten Sentimentalitäten („These Are The Days Of Our Lives“).
Rodgers darf ein paar Sachen von Bad Company beisteuern, auch sein Free-Hit „All Right Now“ fehlt natürlich nicht. Er überzeugt hörbar auch die Besucher im Stadion. Aber wenn es dann doch um die Subtilitäten und das Filigrane geht, das nun einmal Freddie Mercury wie von selbst beisteuerte, etwa in „I Want To Break Free“, natürlich vor allem in „Bohemian Rhapsody“, dann wirkt der Sänger wie eine krasse Fehlbesetzung. May-Taylor haben sich trotz cleverem Konzept die Sause so zurechtgelegt, dass sie glänzen können, ihr Sprachrohr ist nur ein besserer Verstärker. Zur Sicherheit wurde der Klang so großspurig bearbeitet, dass hier nichts mehr scheppert oder schief verleppert.
8. Live Magic ★★1/2
Gleich drei Konzertmitschnitte der „Magic Tour“ brachten Queen im Laufe der Jahrzehnte auf den Markt. Diese war die erste – und nach „Live Killers“ erst die zweite Live-LP der Band. Keine Frage: Von Queens „Imagine“-Moment „One Vision“ bis zum erhabenen „We Are The Champions“ zeigten sich die Musiker auf dem Höhepunkt ihrer Bühnenmöglichkeiten. Das rohe Walten der Kräfte, das noch Anfang der 80er die Shows von Queen so einzigartig (und gewissermaßen unberechenbar) machte, wird hier durch präzisere Arrangements und eine elegante Verwendung von Stücken aus dem Komplettwerk der Briten ergänzt.
Wie auch schon bei „Live Killers“ wurde das Material allerdings zusammengemanscht aus verschiedenen Konzerten der Tour. Das ist hier noch tragischer. Dazu wurde reichlich Hand angelegt, um 15 Songs auf eine Scheibe zu bekommen. Die Verstümmelungen von „I Want To Break Free“, „Bohemian Rhapsody“ und „We Will Rock You“ sind unverzeihlich und machen diese Platte im Vergleich zu den anderen 86er-Live-Alben komplett verzichtbar.
7. Live Killers ★★★
Ein wenig scheiden sich an der ersten Live-Compilation Queens die Geister. Ein Doppelalbum mit Songs, die während der European Jazz Tour eingespielt wurden. Wo all die Tracks aufgenommen wurden, scheint unklar – das meiste wurde wohl bei einem Gig in Frankfurt mitgenommen, zueilen wurden sogar Gesang und Instrumentenklang von verschiedenen Gigs zusammengequirlt.
Der 12-Minuten-Furor von „Brighton Rock“ (mit Gitarren- und Schlagzeug-Solo) lässt aber keine Fragen offen. „We Will Rock You“ in der Fast Version ist atemberaubend, live fast besser als die klassische Studioversion auf „News Of The World“. Preziosen wie „Dreamer’s Ball“, „Spread Your Wings“ und eine Granatenvariante von „Tie Your Mother Down“ gibt es nur hier, auf der einzigen Live-Platte, die das pompöse, gewiss auch größenwahnsinnige Frühwerk der Band zusammenfasst, bevor „Another One Bites The Dust“ den nächsten Pfad aufschlug.
Traurig ist der Soundmix dennoch, auch das Remaster reißt es nicht heraus. Im Studio wurde ordentlich nachgebessert (man hört es zum Beispiel bei „Keep Yourself Alive“). Es bleibt der Eindruck, dass manches besser und anderes schlechter klingt. Befreit von all dem Schnickschnack der Studioaufnahmen bleibt aber dennoch ein lebhafter Eindruck, wie perfekt der Queen-Sound Ende der 70er funktionierte. Und wie einsilbig Freddie Mercury das Publikum mit Wortbeiträgen „verwöhnte“. Dafür singen die Fans hörbar bei fast allen Stücken mit. Einmal fordern sie überraschend den „Jazz“-Opener „Mustapha“. Dem konnte die Band aber letztlich nicht nachkommen. Nicht genug geübt.
6. Hungarian Rhapsody: Live In Budapest ★★★1/2
Die insgesamt dritte „Magic Tour“-Auskopplung, erschienen 2012 und aus historischen Gründen von einiger Bedeutung, spielen Queen doch hier am 27. Juli 1986 im Nép-Stadion in Budapest hinter dem Eisernen Vorhang. Nur wenigen Bands aus dem Westen war dies möglich. Entsprechend konzentriert ging die nie sonderlich politisch explizite Formation zu Werke: „A Kind Of Magic“ klingt in der Bühnenversion noch einmal wesentlich temperamentvoller, „Hammer To Fall“ ist ein echter Brecher und für den einmaligen Augenblick versucht sich Freddie Mercury an dem jüdisch-ungarischen Traditional „Tavaszi Szél Vizet Áraszt“. Es gelingt ihm tadellos.
https://www.youtube.com/watch?v=RPZdgyuixPA
Nimmt man einmal nur das Wettsingen mit dem allerdings über den Pomp der Band erstaunten Publikum zum Maßstab, dann wird auch klar, dass Queen in ihrer letzten Live-Runde manchmal auch zu Mercury+ degenerierten.
5. A Night At The Odeon ★★★1/2
So richtig verwöhnen wollten Queen ihre Fans nicht mit Konzertmitschnitten aus den 70ern. Es dauerte nach „Live Killers“ bis weit in die Zehner-Jahre hinein, bis endlich einmal die Schatztruhe geöffnet wurde. Diese Einspielung ruft einen Heiligabend im Jahr 1975 in Erinnerung, als Queen im Hammersmith in London auftraten. Von Bedeutung ist der Gig schon allein deshalb, weil hier „Bohemian Rhapsody“ (zu dem Zeitpunkt seit einigen Wochen auf Platz eins der UK-Single-Charts) als einer der ersten Male live gespielt wurde. Noch etwas holprig, wie man dazu sagen muss. Und nur als Teil eines Medleys.
Obwohl „A Night At The Opera“ bereits veröffentlicht war, spielten Queen bis auf ihren künftigen „signature classic“ keinen einzigen Song der LP. Das Konzert war nach mehreren Gigs im Hammersmith in dem Jahr vor allem für die Kameras gedacht. Die Band zeichnete es für eine live gesendete TV-Ausstrahlung auf. Aufgrund der herausragenden Tonqualität durch die BBC-Aufnahme entwickelte es sich zu einem der beliebtesten Live-Bootlegs unter Fans. Die offizielle Veröffentlichung kann dem nicht viel hinzufügen. Es fällt aber auch hier auf, dass im Studio noch einmal am Klang gearbeitet wurde. Er wirkt im Vergleich zu jenem von „Live Killers“ und „Live At The Rainbow“ fast etwas zu weich und kontrastlos.
4. Queen Rock Montreal ★★★★
Selbst wenn es im Studio wieder einmal nicht zu einem kohärenten Album gereicht hatte, konnten sich Queen stets darauf verlassen, auf der Bühne das Beste aus dem Material herauszuholen. Der Beweis dafür ist auch diese Einspielung, die zwei Konzerte am 24. Und 25. November 1981 zum Abschluss ihrer „The Game“-Tour zusammenfasst (auch als „We Will Rock You“-Konzertfilm erschienen). Man hört, wie sehr die Musiker im Saft stehen, wie sie ihre Erfahrung ausspielen und sich selbst in schlechten Momenten auf ihren Frontmann verlassen können.
Die Setlist ist längst zum Best-Of geworden, man wusste eben, was live funktioniert. Vom frenetischen Start („We Will Rock You – Fast“) über die erste Probe von „Under Pressure“ bis zu einem Schlussblock, für den andere Gruppen töten würden („Bohemian Rhapsody“, „Tie Your Mother Down“, Another One Bites The Dust“, „Sheer Heart Attack“, „We Will Rock You“, „We Are The Champions“), eine einzige Feier der eigenen Möglichkeiten.
3. Queen On Fire: Live At The Bowl ★★★★
Nur wenige Tage vor ihrem Auftritt in Milton Keynes am 05. Juni 1982, der auf dieser Scheibe verewigt ist, hatten Queen mit „Hot Space“ vielleicht ihr umstrittenstes Album aufgenommen. Sicher, darauf fand sich mit „Under Pressure“ auch ein Killer-Track, aber der kläglich anmutende Versuch, nach dem Überraschungserfolg von „Another One Bites The Dust“ noch tiefer in Funk und Dance-Pop einzutauchen, bleibt bis heute in schlechter Erinnerung. Man nehme nur das schwüle „Body Language“!
https://www.youtube.com/watch?v=tpzkSg9e3Uw
Aber Freddie Mercury mahnte bei diesem energetischen Auftritt, dass es doch nur ein Album sei, darauf könne man scheißen, wenn man wolle (auf Platte nicht zu hören, sehr wohl aber im Konzertfilm). Und Queen versuchten auch gar nicht erst, den Club-Sound auf die Bühne zu holen. „Action This Day“, „Back Chat“ und „Staying Power“ haben live richtig Biss, dazu beeindruckt der Einflug mit dem „Flash“-Intro, einem konzisen „The Hero“ und einer ruppigen Fast-Version von „We Will Rock You“. Pech: An diesem Tag wollte Brian Mays Red Special nicht so recht mitmachen, mehrmals rissen die Saiten. Dennoch wurde am Klang kaum herumgeschraubt. Keine Live-Platte von Queen klingt so realistisch schroff und unsauber, die Gitarren quietschen und Roger Taylor trommelt und krakeelt, dass es eine Freude ist.
Queen: Live At The Rainbow ★★★★1/2
Vor allem als Deluxe-Edition entpuppt sich dieses Live-Album als viel zu lange von Spätgeborenen ferngehaltene Offenbarung. Ein geradezu historisches Dokument: zwei Auftritte Queens im Londoner Rainbow Theatre im Jahr 1974. Einer vom 31. März 1974 und zwei gebündelt vom 19. und 20. November 1974. Zu erleben ist eine übereifrige Formation, die sich gerade erst ihren Ruf als exaltierte Rock-Kapelle mit allerlei Spleens erwirbt. Eben doch kein fahler Abklatsch von Led Zeppelin. Freddie Mercury erscheint hier noch lange nicht als Lichtgestalt, sondern fügt sich eher ein in ein Kollektiv von Musikern, das vor allem technisch und athletisch mit Instrumenten zu überzeugen weiß.
„Father To Son“ und „White Queen“ haben auf der Bühne einen ganz anderen Zug als auf Platte (bei letzterem Song zeigt Brian May schon, was er aus seiner Gitarre an guten Tagen Unberechenbares herausholen konnte und dass er recht eigentlich im Zentrum der frühen Queen stand). Nur wenige Monate liegen zwischen einer Gruppe von hochambitionierten, aber auch etwas verträumten Akademikern, die eben die Musik machen, die gerade alle machen, nur mit etwas Fantasy-Anstrich garniert, und einer Band, die mit „Seven Seas Of Rhye“ (Mercury), „Now I’m here“ (May) und der Speed-Metal-Frühskizze „Stone Cold Crazy“ (in Ansätzen schon 1970 geschrieben) ihr Konzept gefunden hatte.
https://www.youtube.com/watch?v=b3_8lXRR440
Der März-Gig hat sogar noch einen etwas klareren Klang als die auch auf Film gebannten Auftritte aus dem November des Jahres, dazu Songs, die später kaum mehr gespielt wurden, obwohl sie doch so viel besser sind als vieles, das in den 80ern abfloss. Die ordinären Soli sind Geschmacksache, das etwas lieblos behandelte Füllwerk („Jailhouse Rock“) auch. Dafür zeigte sich, dass Queen auch als Hard-Rock-Band, die sie in den ersten Jahren naturgemäß waren, durchaus noch andere Wege hätten gehen können, ohne Schiffbruch zu erleiden. Aber „Killer Queen“ änderte alles.
Queen: Live at Wembley Stadium ★★★★★
Das Wembley-Stadion wurde nur gebaut, damit irgendwann einmal Queen darin auftreten. So viel Pathos muss sein bei einem Live-Spektakel, das noch heute auf Platte oder als Konzertfilm spielend einen Zauber verströmt, der wirklich jeden Menschen für die Dauer von knapp 90 Minuten zum Queen-Fan macht.
Auf ihrer letzten gemeinsamen Tour, bevor Freddie Mercurys Gesundheitszustand jede weitere Konzertreise verbat (was wären „Breakthru“, „I Want It All“, später „The Show Must Go On“ für potenzielle Bühnenkracher gewesen), hatten die Briten am 12. Juli 1986 alles im Gepäck, was eine echte Stadion-Band ausmacht: einen selbstbewussten Sänger, der seine impulsive Energie aus dem Zusammenspiel mit dem Publikum speiste, drei Musiker, die sich ihre eigenen Hits auf den Leib geschrieben hatten und abwechselnd immer wieder in den Mittelpunkt rücken konnten, ohne dass es peinlich würde – dazu eine nahezu perfekte Setlist, die in ihrer klug gewählten Abfolge und Dynamik ihresgleichen sucht.
Schon die ersten fünf Stücke jagen durch die Queen-Historie, frühestens mit dem erhaben aufgespielten „Who Wants To Live Forever“ gibt es Zeit zum Durchatmen, nachdem zuvor acht Songs im Vollspurt absolviert wurden. Auch schwächeres Albummaterial verfehlt seine Wirkung nicht („Is This The World We Created?“). Und allein der Vergleich von „Big Spender“, das Queen auch schon in den 70ern spielten, zeigt, wie sehr die Gruppe auch mit ihren Aufgaben gewachsen war. Herrlich ist zudem, wie souverän die Musiker die Arrangements ihrer Lieder an die Arena-Situation anzupassen wussten („Radio Gaga“, „We Will Rock You“).
Die Queen-Maschine röhrt und schnauft und donnert! „Live At Wembley“ ist eine verblüffende Kraftdemonstration. Nach der Veröffentlichung 1992 lässt die remasterte Version von 2003 auch beim dominanten Klang keine Wünsche offen, abgesehen von den vielleicht etwas zu penetrant hineingemischten Publikumsreaktionen.