Queen der blauen Berge
Country-Diva DOLLY PARTON kehrt zu ihren musikalischen Wurzeln zu- rück und erntet dafür neben Grammvs auch Zuspruch von Fans und Kritik
Wenn Dolly Parton lacht, wirft sie den Kopf in den Nacken, die Beine in die Luft und gluckst wie ein Gebirgsbach. Sie kann es aber auch anders. Dunkler und ein klein wenig dreckig. Ein winziges Persönchen, ein Meter fünfzig vielleicht zwischen dem strohblonden Haargespinst, in dem sich eine Vogelfamilie verstecken könnte, und den hochhackigen Pumps. Dazwischen eine Figur wie eine Sanduhr. „When I stopped growing in height“, sagt Dolly gern, „the Lord made me grow in different directions.“ Well, fraise the Lord.
Die Presidential Suite des noblen Londoner Churchill Hotels als großzügig und weitläufig zu bezeichnen, wäre ein Understatement Front mgs to riches: Im Leben Dolly Partons hat es sich erfüllt, das Märchen von Cinderella. Von pittoresker Armut zu sagenhaftem Reichtum mittels latent und einem unerschütterlichen Glauben daran. Vor 55 Jahren in der Wildnis von Locust Ridge geboren, oben in den Smoky Mountains von Tennessee, als viertes von zwöFKindern einer irisch-indianischen Familie, so herzensgut wie mittellos, machte sich Dolly als Teenager auf nach Nashville, um ein Star zu werden.
Heute gehört ihr halb Tennessee. Für eine Staffel ihrer TV-Serie strich sie fast hundert Millionen Mark ein, Auftritte in Las Vegas lässt sie sich mit sechsstelligen Dollar-Beträgen vergüten. Und nun sitzen wir hier im Luxus, schlürfen Tee am Valentinstag, und Dolly erzählt von ihrer Kindheit in Locust Ridge, als würde sie den Überfluss am liebsten eintauschen gegen den täglichen Überlebenskampf in den Bergen. ,,Nein“, protestiert sie, „das nicht, aber wir waren glücklich damals.“
Am schönsten war es, erinnert Dolly sich, wenn es Daddy gelang, ein paar Cents für Batterien zusammenzukratzen, und sich die Familie abends um das ramponierte Transistor-Radio versammelte, um „The Lone Ranger“ zu lauschen und natürlich der „Grand Ole Opry“. Hank und Lefty. Und dem König des Bluegrass, jener weit über die Staatsgrenzen hinaus populären Folk Music aus Kentucky und Tennessee: Bill Monroe mit seinem high lonesome sound. Dolly war acht, als beim Drehen an der Sender-Skala plötzlich „der Teufel anklopfte“, wie ihr gottesfürchtiger Vater das nannte. Es war Elvis, der aus dem Sündenbabel Memphis über den Äther ins ärmliche Heim drang, so lange freilich nur, wie Daddy brauchte, den vulgären, gottlosen Radau abzuschalten. „Ich war wie vom Donner gerührt“, erinnert sich Dolly lachend, „ein unbeschreibliches Gefühl. Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt. Daddy verbot uns, solche Musik zu hören. Aber ich tat es heimlich. I was a rebeL I loved Elvis.“
Ein knappes halbes Jahrhundert später ist Dolly zurückgekehrt zu jenem vertrauten Spiel von Banjo, Gitarre, Fiddle, Dobro und Mandoline, das ihren heimatlichen Gefilden entsprang. Lupenreiner Bluegrass ist es indes nicht Nicht einmal auf Partons 99er Album „The Grass Is Blue“, weniger noch auf ihrer wunderhübschen aktuellen LP J^ittleSparrow“. Die Instrumentation ist vorwiegend traditionell, doch sind die weichen, oft ornamentierten Arrangements durchzogen von Bluegrassfremden Elementen: Country und Pop. „I call it blue mountain music“, erklärt Dolly, „weil sie meine Sehnsucht nach dem einfachen Leben in den Bergen anspricht, mein musikalisches Erbe ehrt und dennoch von heute ist, gespielt von den besten Pickern, die man finden kann.“ Und gesungen von einer der gloriosesten, ergreifendsten und einprägsamsten Stimmen unserer Tage. Musik und meist selbst verfasste Songs voll Humor und Tragik, die einmal mehr Dollys Selbst einschätzung stützen: „One big part of whatever appeal I possess is the fact diät I look totally one way and that I am totally another. 1 look artificial, but I’m not“