Qualitätsware in der Auslage
Nach jahrelanger Vernachlässigung überzeugen die Privatsender mit großartigen US-Serien wie „"Desperate Housewives", „Lost" und „Monk"
Wie war das noch mit der Amerikafeindlichkeit im Umfeld des Irak-Krieges? Gerne genommen, gerne genutzt, aber inzwischen offensichtlich Schnee von gestern. Im Prinzip sogar Schnee von vorgestern, denn die eigentliche Amerikafeindlichkeit wurde hierzulande schon viele Jahre zuvor gepflegt. Zumindest im Fernsehen, denn da hatten US-Serienkonserven kaum je eine Chance gegen die hausgemachte Frischkost Jahrelang mußte alles deutsch sein, was in der Glotze Erfolg haben wollte. Importware hatte höchstens eine Chance im Nachmittagsprogramm oder wenn es um die regelmäßige Wiederkehr zigmal abgenudelter „Columbo“ oder „Quincy“-Episoden ging, die auch bei der 25. Wiederholung Quoten wie am ersten Tag brachten. Das Hauptprogramm aber wurde beherrscht von teutonischen Billigproduktionen aus der RTL-Comedy-Großfabrik, von schmierigen Machwerken aus der ZDF-Schnulzenfabrik, Hochwohlgeborenem aus der ARD-Anspruchsanstalt oder Knallbummigem von Hermann Johas Action-Fließband.
Alles vorbei, die Zeiten haben sich geändert. Heute brummt wieder das Geschäft mit der amerikanischen Lizenzware. Selten zuvor waren US-Serien in so großer Zahl im deutschen Fernsehen anzutreffen, selten zuvor konnten sie einen derartigen Erfolg verbuchen, und selten zuvor setzten sie derart eindrucksvoll Standards in Sachen Qualitätsfernsehen.
US-Serien wie „Desperate Housewives“, „CSI Miami“ oder „Lost“ sind auf einmal wieder Gesprächsthema, und das nicht nur wegen des teilweise massiven Werbeaufwandes. Zwar schauen Menschen über 50 weiter vorzugsweise Serien aus der deutschen Homegrown-Abteilung, aber selbst unter Greisen spricht sich mittlerweile herum, daß man durchaus auch als Rentner seinen Spaß haben kann bei amerikanischen Top-Produktionen.
Der nicht mehr zu übersehende Trend hat mindestens zwei Gründe. Zum einen ist da eine oft überragende Qualität der für eine weltweite Vermarktung konzipierten US-Produktionen zu konstatieren, die nicht selten sogar Kinostandards übertreffen, während hierzulande aufgrund von ausbleibenden Werbebuchungen oder hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Gebührenerhöhungen die Serien-Etats der Sender drastisch eingedampft wurden.
Die Kürzungen legten mutigen Kreativen Fesseln an und verschafften jenen Zauderern Oberwasser, die gerne auf die sichere Nummer setzen und ihren Sender als Kopieranstalt mißverstehen. Man hat das sehr schön gesehen im Falle RTL, wo man mehrfach versuchte, ausländische Serienformate zu kopieren, bevor die den deutschen Markt erreichten. So lief im vergangenen Herbst das vierteilige Minimachwerk „Beauty Queen“ an, das bis in die Details von der erst Monate später startenden Serie „Nip/Tuck“ abgekupfert wurde. Man sah Carsten Spengemann als Schönheitsoperateur am Bodensee herumdilettieren und begann an der amerikanischen Vorlage zu zweifeln, weil ja nahe lag, daß eine Kopie nicht zwingend die Qualität des Originals erreichen kann, daß aber immer noch eine gewisse Beziehung bestehen bleibt. Wenn die Kopie also Grütze ist, kann das Original doch allenfalls Eintopf sein?
Falsch kombiniert. Als „Nip/ Tuck“ kurz vor Weihnachten bei Pro Sieben anlief, war das eher ein Drei-Sterne-Menü, glich das einer Offenbarung. Es gab eine traumhafte Bildsprache, messerscharfe Dialoge und ein Drehbuch, das bis in die Verästelungen von Nebenhandlungen präzise durchdacht war – was den zwingenden Schluß nahelegte, daß manche Menschen bei RTL eben selbst zum Abschreiben zu blöd sind.
Kulturgut
Dasselbe Prinzip offenbarte sich in diesem Jahr beim RTL-Vorspiel „Verschollen“, einer Art Bauerntheater unter der Höhensonne, das im April vom Original „Lost“ bei Pro Sieben abgelöst wurde und nachhaltig all jene beschämt haben dürfte, die vorher stets treuherzig versichert hatten, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun.
Während die Liste der deutschen Schrott-Produktionen täglich ein bißchen länger wird, hilft auch die Gewöhnung den Importen. Immer mehr junge Zuschauer freunden sich erst gar nicht mit dem hiesigen Müll an, sondern beginnen gleich mit den Diamanten, und wer einmal gesehen hat, welch atemberaubende Kamerafahrten etwa bei „Emergency Room“ möglich sind, will nie mehr eine deutsche Klinikserie sehen, schon gar keine aus dem Schwarzwald.
Daß sich derzeit um die 30 US-Serien erfolgreich in der Prime Time bewähren, haben die Zuschauer nicht nur der Qualität zu verdanken, sondern auch dem Durchhaltevermögen zweier Privatsender. Pro Sieben und Vox sind früh in US-Serie gegangen und haben damit Standards gesetzt. So hatte Pro Sieben schon die ersten Folgen von „Emergency Room“ mit dem gut aussehenden Kinderarzt Dr. Ross im Programm, als noch kein Mensch wußte, wer dieser George Clooney ist. Anfangs dümpelten die Quoten im Seichten, aber inzwischen macht „ER“ den Sendergewaltigen nur noch richtig Freude und hilft ihnen manchmal auch, den durch so Geschmacksverirrungen wie „Die Alm“ und „Die Burg“ ramponierten Ruf wieder etwas aufzubügeln.
Auch der Vox-Hit „Ally McBeal“ war anfangs keiner. Die ersten Folgen landeten derart perfekt im Nirvana der Zuschauer-Ignoranz, daß die Serie kurz nach dem Start noch einmal von vorne begonnen wurde. Es dauerte etwas, aber irgendwann war „Ally McBeal“ Gesprächsthema, erst für Frauen, dann für alle – was sich zeitweise bis zum Hype auswuchs. Dieser rollte aber den Teppich aus, auf dem die vier Damen von „Sex And The City“ schließlich publikumswirksam schweinigeln durften. Parallel dazu überraschte Vox mit skurrilen und preisgekrönten Produktionen wie „Six Feet Under“ oder der „CSI“-Familie. Letztere lief sogar so erfolgreich, daß der Vox-Muttersender RTL mangels Programmvorrat kürzlich bei der Tochter plündern ging. „CSI Miami“ wurde in den marktführenden Großkanal geholt und lockte dort noch mehr Zuschauer was bemerkenswert ist, weil RTL neben dem ziemlichen schrägen Ermittler „Monk“ sonst nicht viel Trendware in der Auslage hat.
Auch wenn ein amerikanischer TV-Hit wie „O.C, California“ hierzulande noch Probleme hat, sein Publikum zu finden und nicht jede Folge jeder Serie den hohen Standard der Vorzeigeprodukte erreicht, sieht derzeit doch alles schwer danach aus, als müsse sich der Zuschauer auf einen dauerhaften US-Boom einstellen.
Weniger gut sieht es beim Trendthema US-Serien im Angebot von ARD und ZDF aus. Die pflegen weiter ihren feinen Antiamerikanismus. Schätzungsweise werden die öffentlich-rechtlichen Sender schon im nächsten Jahr den Trend zur Kenntnis nehmen.