Q&A: Dave Grohl über ‚In Utero‘ und die letzten Tage von Kurt Cobain
Im Interview erzählt Dave Grohl dem US-Rolling-Stone, wie er die Aufnahmen von "In Utero" erlebte und warum er seinen Kindern bis heute nicht erzählt hat, wie Kurt Cobain zu Tode kam.
Im aktuellen US-Rolling-Stone beantwortet Dave Grohl Fragen zu Kurt Cobains Drogensucht und dem Album „In Utero“, das dieser Tage sein 20. Jubiläum feiert.
Du bist zu Nirvana gestoßen, gerade als „Nevermind“ aufgenommen werden sollte. Hattest du genug Zeit, um dich mit Kurt anzufreunden?
Jede Band in der ich bis zu diesem Zeitpunkt gespielt hatte, bestand aus Freunden, die zusammen Musik machen wollten oder aber im Laufe des Tourens zu einer engen Familie zusammengewachsen waren. Bei Nirvana verhielt sich das ein bisschen anders. Mit Kurt zu leben war komisch. Er isolierte sich emotional auf viele verschiedene Arten. Aber er war von aufrichtiger, netter Natur. Er hat nie mit Absicht gewollt, dass du dich unwohl fühlst. Mit ihm in diesem winzigen Apartment in Olympia zusammenzuleben schuf sicher eine Bindung zwischen uns. Aber sie war anders als seine Beziehung zu Krist.
Wie würdest du sie charakterisieren?
Ich betrachtete Krist und Kurt als Seelenverwandte. Die beiden hatten so ein wundervolles, unausgesprochenes Verständnis füreinander. Die beiden definierten die Ästhetik von Nirvana. Jede Eigenheit, all die Seltsamkeiten von Nirvana gingen auf Krist und Kurt zurück. Ich denke [aufzuwachsen in] Aberdeen, ihre gemeinsamen Erfahrungen in den formenden Jahren dort, hatten eine Menge damit zu tun.
Du erwähntest, dass die Dinge für Nirvana im Jahr 1992 seltsam liefen. Es gab Proben, aber kaum Konzerte oder Aufnahmen. Du warst in der großartigen Situation, alles zu tun, was du wolltest, aber du wusstest nicht, was du tun solltest oder wie du es tun solltest …
Lollapalooza rief an: „Ihr müsst Headliner beim Lollapalooza sein.“ Ich schaute mir U2 an, als mit den Pixies auftraten und werde in den Umkleideraum von Bono gezerrt: „Ihr Jungs müsst mit uns auf Tour gehen.“ Guns N‘ Roses meldeten sich – Und ich dachte nur: „Was zur Hölle geht ab?“ Es tat uns gut, nicht viel zu machen, aber es war auch, als hielte man ein Streichholz in der Hand, und sah dabei zu, wie es bis zu den Fingern runterbrennt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis irgendwas passieren würde.
Wir nahmen ein paar Songs auf, einen für die Single mit The Jesus Lizard und ein Wipers-Cover. Und Kurt sagte: „Oh, ich habe da diese neue Song-Idee.“ Und dann spielte er „Frances Farmer“ [„Frances Farmer Will Have Her Revenge on Seattle“] und ich dachte: „Oh mein Gott, wir werden noch eine Platte machen.“
Wie bist du mit Kurts Drogensucht umgegangen?
Ich machte Schluss mit den Drogen, als ich 20 war. Ich war nie auf Heroin, hab nie Pillen genommen. Ich nahm ne‘ Menge Acid, rauchte eine Menge Weed. Aber wenn es um Opiate ging, war es eine ganz andere Szene. Und ich war nicht in dieser Szene, zum Glück. Das heißt aber nicht, dass es mir egal war.
Wir waren nicht mehr im Van unterwegs. Man spürte eine emotionale Distanz, aber auf eine melancholische Art und Weise. Es gab Zeiten, da sprachen wir tagelang nicht miteinander, obwohl wir zusammen Konzerte spielten. Und dann traf man sich in einem Flur und sagte Sachen wie: „Wir sollten uns diese Mini-Bikes anschaffen, wenn wir zuhause sind. Ich kenne da eine gute Strecke hinter meinem Haus wo wir fahren können“. Oder: „Der Rasenmäher-Platz hat Go-Karts. Lass uns welche besorgen“. Das waren die Momente, in denen wir emotional zusammenfanden.
Kam es dann dazu? Seid ihr zusammen Go-Kart gefahren?
Natürlich nicht (lacht). Du brauchtest aber diese Momente der Bestätigung, die dir zeigten: Wir sind immer noch zusammen.
Was für Erinnerungen hast du an die „In-Utero“-Sessions? War Kurt damals auf Heroin? Krist sagte, er glaube es nicht.
Ich weiß es nicht, Mann. Das war eine seltsame Sache. Wir waren da, abgesondert in diesem Haus, eingeschneit im Februar in Minnesota. Wir nahmen mit Steve [Albini] auf, er drückte „Record“, wir spielten einen Take und er machte so [klatscht in die Hände] „Ok, was kommt als nächstes?“
Wir schnellten durch „In Utero“. Nach drei Tagen war ich fertig. Ich hatte weitere zehn verdammte Tage um im Schnee zu sitzen, auf meinem Arsch, und nichts zu tun. Nachdem wir mit all den Instrumenten durch waren, war es Zeit für Kurt seinen Gesang aufzunehmen und die Overdubs.
Erinnerst du dich an das letzte Mal, als du Kurt gesehen hast, und was du gesagt hast?
Ich rief Kurt nach der Sache in Rom an. [Im März 1994 hatte Cobain während einer Europatour eine Überdosis Pillen zusammen mit Alkohol in einem Hotel in Rom eingenommen. Nirvana kehrten nach Seattle zurück wo Cobain einen Monat später starb]. Ich sagte: „Hey Mann, das hat wirklich allen Angst eingejagt. Und ich will nicht, dass du stirbst.“
Später traf ich ihn im Büro unseres Buchhalters [in Seattle]. Er lief heraus, gerade als ich hereinkam. Er lächelte und sagte „Hey, was geht?“. Und ich antwortete „Ich ruf dich an“. Und er sagte „Okay“.
Gibt es etwas an „In Utero“ das die Menschen hören oder wissen sollten, um Kurt als Künstler und Mensch besser zu verstehen und weniger als tragische Figur? Es ist schwer, das Album so zu hören, wie er es geplant hatte, ohne den nachträglichen Ballast, der dann dazu kam.
Man sollte das Album hören können, wie an dem Tag, als es erschien. Das ist mein Problem mit dem Album. Ich habe es früher gerne gehört. Aber genau deshalb tue ich es jetzt nicht mehr. Wenn du es dir anhörst, ohne dabei an den Tod von Kurt zu denken, bekommst du vielleicht eine Idee der Intention der Platte. Wie meine Kinder. Die wissen, dass ich bei Nirvana war. Sie wissen, dass Kurt getötet wurde. Ich habe ihnen aber nicht erzählt, dass er sich selbst getötet hat. Sie sind vier und sieben Jahre alt. Und wenn sie „In Utero“ hören, haben sie eine frische Perspektive – die echte Intention des Albums, als Hörer, die es zum ersten Mal erleben. Eines Tages werden sie erfahren, was passiert ist. Und es wird die Sache für sie verändern. So wie sie es für mich verändert hat.