Punk in Myanmar: Interview mit den Machern der Doku „Yangon Calling“
Alexander Dluzak und Carsten Piefke reisten für ihre Dokumentation "Yangon Calling - Punk in Myanmar" ohne Dreherlaubnis nach Burma (Myanmar) und zeigen eine von der Militärdiktatur geprägte Welt, in der Punk tatsächlich noch gefährlich ist. Wir sprachen mit Dluzak über das Thema.
Es war der Clash der Kulturen, der die Filmemacher Carsten Piefke und Alexander Dluzak an dem Thema reizte: In Myanmar bzw. Burma trifft die Subkultur, die einst die Provokation zur Kunstform erhob, auf eines der autoritärsten Regime der Welt. Die Protagonisten, die der Film „Yangon Calling – Punk in Myanmar“ zeigt, sehen die Musik in der Tat nicht nur als Ventil, sondern auch als Rebellion gegen die politischen Verhältnisse.
Die sehenswerte Dokumentation, für die man Bela B. als Sprecher gewinnen konnte, läuft am Donnerstag um 21.55 Uhr auf ZDF Kultur. Wir sprachen mit Alexander Dluzak über den Film, die Dreharbeiten, die Punkszene in Burma und die politischen Entwicklungen vor Ort.
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Wie entstand die Idee, das Thema anzugehen? Habt ihr persönliche Leidenschaften für das Thema Punk?
Ich selber war nie aktiver Punk, trotzdem ist mir die Subkultur an sich, zumindest was die Musik angeht, schon vertraut. Bei meinem Co-Autor Carsten Piefke sieht das anders aus. Er hat die letzte Punkwelle 84/85 in Berlin mitgemacht, ist damals mit Domestos-Jeans und grünen Haaren rumgelaufen und hat Bands wie Dead Kennedys, Buzzcocks und den frühen Adam Ant gehört. Trotzdem ist das nicht der Grund für den Film gewesen. Was uns an Punk in Myanmar interessiert hat, war, dass dort die rebellischste aller Subkulturen auf ein autoritäres Regime trifft. Das fanden wir spannend, ein Film über Punks in vielleicht Belgien hätte keinen von uns interessiert. Es war klar die Kombination aus Punk und Militärdiktatur. Ich bin 2009 mit dem Rucksack durch Myanmar gereist und war fasziniert von dem Land. Später habe ich dann durch Zufall ein verwackeltes Youtube-Video gesehen, auf dem 50 Punks durch Yangon gelaufen sind – da wusste ich sofort, dass ich diesen Film machen will.
Myanmar ist eigentlich in der letzten Zeit oft recht positiv in den Medien seit Aung San Suu Ky fürs Parlament kandidiert. Wann seid ihr im Land gewesen und wie ist eure Einschätzung: Gibt es eine Öffnung?
Wir haben im Januar und April 2011 insgesamt sechs Wochen in Yangon gedreht. Da herrschte noch striktes Einreiseverbot für Journalisten, und die Militärs hatten auch offiziell noch das Sagen. Als die Junta dann ein paar Monate nach unserer Rückkehr plötzlich die Zügel locker ließ, hat uns das natürlich sehr beschäftigt. Die Punks stehen dem Wandel in Myanmar wie die meisten Burmesen sehr kritisch gegenüber. Was sie kritisieren ist, dass die Abgeordneten, die heute im Parlament sitzen, fast alle Ex-Militärs sind, die nur die Uniform gegen einen Anzug getauscht haben. Auch Staatspräsident Thein Sein ist ein Ex-General. Diese Leute sind nach der Meinung unserer Protagonisten für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, sie haben die Aufstände 1988 und 2007 niederschlagen lassen und politische Gegner foltern und einsperren lassen. Auch einer unserer Protagonisten saß sechs Jahre im Knast. Wenn du den fragst, ob er sich freut, dass Myanmar jetzt auf dem Weg zu einer Demokratie ist, lacht er dich aus. Für sie ist es kein wirklicher Wandel und sie stehen der politischen Entwicklung skeptisch gegenüber. Aung San Suu Kyi verehren sie alle, weil sie eine mutige und gebildete Frau ist, allerdings sagen sie auch, dass der politische Bewegungsraum von Aung San Suu Kyi ein Weg der alten Machtelite ist, das Vertrauen des Westens zu erlangen.
Ihr habt ohne Genehmigung gedreht, mit kleinen Kameras. Gab es brenzlige Situationen?
Es gab immer wieder Situationen, in denen wir uns mulmig gefühlt haben. Eigentlich immer, wenn wir auf der Straße gedreht haben. Ich hatte immer das Gefühl, dass sich gleich eine Hand auf meine Schulter legt. Passiert ist es zum Glück aber nicht. Ständig wurden wir allerdings ausgefragt, was wir denn in Myanmar machen und was wir von der Regierung halten. Vor allem Taxifahrer und Kellner haben das gefragt. Unangenehm war dann noch einmal die Ausreise, wir hatten die ganze Ausrüstung und 40 Stunden Rohmaterial in den Rucksäcken. Als das Flugzeug abgehoben ist, ist uns beiden ein Stein vom Herzen gefallen.
Wie habt ihr es geschafft, die Bands für euch zu gewinnen? Wie habt ihr sie entdeckt?
Im Internet. Auch burmesische Punks sind mittlerweile bei Facebook und Myspace. Nachdem wir den Namen einer Band gefunden hatten (Rebel Riot) haben wir anhand seiner Freundes- Liste ziemlich schnell einen guten Überblick über die Szene bekommen. Wir haben die dann angeschrieben und die waren alle gleich recht aufgeschlossen. Als wir dann plötzlich wirklich bei ihnen vor der Haustür gestanden haben, war das natürlich am Anfang schon etwas komisch, aber sie haben schnell gemerkt, dass wir auch über eine gewisse Street Credibility verfügen und sie vor allem ernst nehmen. Dann haben sie uns sehr schnell an sich herangelassen. Allen war es ein echtes Bedürfnis, über ihre Situation zu sprechen.
Bestand ein großes Interesse der Bands international medial in Erscheinung zu treten? Da die Protagonisten klar zu sehen sind, ist das doch sicher auch mit einem gewissen Risiko verbunden.
Na klar war es für die Punks toll, dass da jemand aus dem Westen kommt und über sie berichten will. Von denen geht jetzt keiner davon aus, dass seine Band wegen dem Film im Ausland berühmt wird. So realistisch sind sie schon. Wie gesagt war es allen Bands ein Bedürfnis, über ihre Situation zu sprechen und zu zeigen, dass Myanmar eben nicht nur aus goldenen Pagoden und sanften Mönchen besteht. Wir haben mit ihnen natürlich über die Gefahr gesprochen, die damit verbunden ist. Allerdings war das für die nie ein Thema. Manche haben nicht über Politik gesprochen, andere dafür umso mehr. Unserer Verantwortung sind wir uns trotzdem bewusst, allerdings haben uns auch alle Burmesen gesagt, dass es in Myanmar niemand mitbekommt, wenn in Deutschland ein Film über burmesische Punks im Fernsehen läuft. Das haben auch unsere Übersetzer hier in Deutschland bestätigt, die allesamt für politische Oppositionsgruppen arbeiten und die Gefahr genau abschätzen können.
Wie ist die Punkmusik überhaupt in ein abgeschottetes Land wie Myanmar gekommen?
Schöne Geschichte. Mitte der 90er hat ein Burmese namens Koh Nyan, der taucht auch in dem Film auf, aus dem Mülleimer der britischen Botschaft in Yangon eine Musikzeitschrift gefischt, in der ein Artikel über die „Sex Pistols“ mitsamt Foto stand. Das hat ihn total fasziniert. Einer seiner Freunde war Seemann, das waren damals die einzigen, die das Land verlassen durften, die haben dann von ihren Reisen aus dem Westen immer Punk-Rock-Kassetten und Magazine mitgebracht. Koh Nyan und seine Freunde haben sich dann wie Punks angezogen, sie haben sich die Kleidung selber gemacht, DIY vom Feinsten, und sind dann so durch Yangon gelaufen. Den Burmesen ist natürlich die Kinnlade runtergeklappt. Nach und nach sind es dann immer mehr Punks geworden, mittlerweile sind es etwa 200 in Yangon und noch einmal hundert sollen es in Mandalay sein. Eine richtige Massenbewegung war Punk dort nie, denn dafür bekommen sie viel zu viel Gegenwind und man muss schon entschlossen sein, um in Myanmar Punk zu sein.
Kann man den lustigen Schnorrerpunk an der Ecke noch Ernst nehmen, wenn man in einem Land gewesen ist, in dem Punk tatsächlich noch gefährlich ist?
Jeder kann natürlich machen was er will und rumlaufen wie er will, aber klar kann man einen Punk, der einen vorm Kaisers anschnorrt nicht ganz ernst nehmen, wenn man weiß, das in Myanmar Punks für ihre Überzeugung im Gefängnis landen. Aber das war für uns eigentlich nie ein großes Thema.
Wie groß ist der Anteil an politischen Themen in den Songs der Protagonisten: Wird dort explizit Kritik am Staat geübt oder ist es eher ein allgemeines Aufbegehren, das natürlich vor dem Hintergrund eines autoritären Regimes ganz anders wirkt?
Die Texte sind hochgradig politisch. Hier als Beispiel ein Song der Band Rebel Riot.
Keine Menschenrechte und Ungerechtigkeit
bestimmt unser Leben.
Wir haben keine Arbeit und werden unterdrückt.
Es gibt hier keine Gerechtigkeit.
Wir haben Hunger aber nichts zu essen.
Wir sind die Opfer.
Wir sind arm und ohne Chance.
Unterschicht, Unterschicht, Unterschicht.
Wir leben in einem selbstsüchtigen System.
Unterschicht, Unterschicht, Unterschicht.
Es ist natürlich schon ein eher allgemeines Aufbegehren, vermutlich funktionieren diese Songs bei Punks in so ziemlich jedem Land auf der Welt, nur dass sie in nur wenigen Ländern wie in Myanmar derart angebracht sind. Die Musik ist für die Punks zum Blitzableiter geworden, es ist ein Weg, der verhassten Regierung die Wut entgegen zu schreien und vermutlich auch ein Weg, die eigene Ohnmacht zu kaschieren.
Wie groß sind Veranstaltungen vor Ort? Wie werden die Konzerte kommuniziert?
Bei den Konzerten, auf denen wir gedreht haben, waren jeweils etwa 100 Leute. Das ist dann schon viel. Die Konzerte finden immer an geheimen Orten ohne offizielle Erlaubnis der Behörden statt. Zum Beispiel in leer stehenden Gebäuden, oder wie im Film zu sehen, in einer leerstehenden Strip Bar. Der Veranstaltungsort wird meistens bis zum Schluss geheim gehalten. Es gibt immer einen offiziellen Treffpunkt von dem die Punks dann hingeschleust werden. Kommuniziert werden die Konzerte per Mundpropaganda, die Szene ist ja nicht groß, und es spielen immer die gleichen fünf Bands. Klar gibt es auch so etwas wie Emailverteiler und über Facebook passiert mittlerweile auch eine Menge. Trotzdem bemühen sie sich um Diskretion.
Vielen Dank für das Gespräch!
Hier noch mal zum Mitschreiben und Merken: „Yangon Calling – Punk in Myanmar“ läuft am Donnerstag um 21.55 Uhr bei ZDF Kultur.